Akute Stressreaktion

Die akute Stressreaktion beschreibt nach der 11. Version der „International Classification of Diseases“ (ICD-11) die mit verschiedenen Symptomen assoziierte Reaktion einer Person auf ein traumatisches Ereignis. In der ICD-10 wird noch von der akuten Belastungsstörung gesprochen. Die Symptomatik klingt nach wenigen Tagen wieder ab und steht in Kongruenz mit der Schwere des traumatischen Ereignisses. Sie wird daher als „normal“ bezeichnet. Symptome sind unter anderem das Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Form von Flashbacks oder Albträumen, die Vermeidung von Erinnerungen an das Ereignis, eine erhöhte Reizbarkeit, Übererregung sowie Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen. Die Behandlung setzt sich aus präventiven Maßnahmen und einer sogenannten traumafokussierten kognitiven Verhaltenstherapie (TF-KVT) als spezifische Frühintervention zusammen. Bei akuter Suizidalität Suizidalität Suizidalität, schweren Angstzuständen, sozialem Rückzug oder Schlafstörungen kann auch zusätzlich eine pharmakologische Therapie zum Einsatz kommen.

Aktualisiert: 20.06.2023

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

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Überblick

Definition

Als akute Stressreaktion wird seit der 11. Ausgabe der „International Classification of Diseases“ (ICD-11) die „normale“ Reaktion einer Person auf ein traumatisches Ereignis bezeichnet. „Normal“ bedeutet hierbei, dass der Schweregrad der Stressreaktion zum Schweregrad des auslösenden Stressors korreliert und normalerweise nach ein paar Tagen wieder abnimmt.

In der ICD-10 wird noch von der akuten Belastungsstörung gesprochen, die unter den F-Diagnosen eingeordnet ist. In der ICD-11 wird die akute Stressreaktion als Z-Diagnose nun unter gesundheitsbeeinflussenden Faktoren eingeordnet, sodass sie eine normale Reaktion auf traumatische Ereignisse darstellt. Am grundsätzlichen Verständnis der Erkrankung ändert sich nichts.

Epidemiologie

Prävalenz:

  • DACH: Über die gesamte Lebensspanne gesehen erleben mindestens 28 % der Frauen* und 21 % der Männer* ein traumatisches Ereignis.
  • Die Diagnosestellung einer akuten Stressreaktion in Folge traumatischer Ereignisse erfolgt in weniger als 20 % der Fälle.
  • Höhere Raten bei zwischenmenschlichen traumatischen Ereignissen (z. B. Überfall, Vergewaltigung Vergewaltigung Sexueller Missbrauch, Massenerschießung)
  • Bei Frauen* häufigeres Auftreten als bei Männern*

Risikofaktoren:

  • Die Stärke der Stressreaktion korreliert mit dem Schweregrad des auslösenden Stressors.
  • Psychiatrische Vorerkrankungen
  • In der Vergangenheit erlebte Traumata

Pathogenese

  • Modell der Angstkonditionierung: Die während des Ereignisses erlebte Angst führt zu einer Konditionierung, bei der die Erinnerung an das traumatische Ereignis akut eine Stressreaktion auslösen kann.
  • Kognitive Prozesstheorie: Eine extrem negative und unrealistische Bewertung des traumatischen Ereignisses verstärkt die symptomatischen Reaktionen und führt zu akutem Stress.

Diagnostik

Wesentliche Kriterien zur Diagnosestellung:

  • Exposition gegenüber eines (lebens-)bedrohlichen oder schrecklichen Ereignisses als betroffene Person oder als Zeug*in
  • Auftreten der Symptomatik innerhalb weniger Stunden bis Tage und Abklingen normalerweise nach wenigen Tagen, sofern ein Entziehen vom stressauslösenden Ereignis möglich ist
  • Wenn keine Entfernung des stressauslösenden Stimulus möglich: definitionsgemäß Abschwächung der Symptomatik innerhalb eines Monates nach Exposition (sonst Differenzialdiagnosen in Betracht ziehen)
  • Die Symptomatik kann verschiedene Funktionsbereiche betreffen
    • Intrusive Symptome:
      • Wiederkehrende, unwillkürliche, belastende Erinnerungen an das Ereignis
      • Wiederkehrende beunruhigende Träume
      • Wiedererleben des Ereignisses in Form von Flashbacks
      • Verstärkte Reaktion auf Reize, die einem Ereignis ähneln
    • Niedergedrückte Stimmungslage: kein Erleben positiver Gefühlen (Glück, Liebe)
    • Dissoziative Symptome:
      • Depersonalisation/Derealisation (veränderte Wahrnehmung der eigenen Umgebung)
      • Dissoziative Amnesie Dissoziative Amnesie Dissoziative Amnesie (Unvermögen, sich an Details des Ereignisses zu erinnern)
    • Vermeidungssymptomatik:
      • Vermeiden von Erinnerungen an das Ereignis
      • Vermeiden von externen Erinnerungen (Menschen, Orte, Gespräche)
    • Erregungserscheinungen:
      • Schlafstörungen
      • Erhöhte Reizbarkeit und Wutausbrüche
      • Hypervigilanz
      • Konzentrationsstörungen
      • Starke Schreckhaftigkeit
    • Durch Angst verursachte Symptomatik des autonomen Nervensystems:
      • Tachykardie
      • Schwitzen
      • Erröten (sog. „Flush“)
  • Die Symptome beeinträchtigen die Lebensqualität der Patient*innen erheblich.
  • Ein Substanzmissbrauch oder andere medizinische Ursachen müssen ausgeschlossen werden.

Weitere diagnostische Kriterien:

Normalerweise, jedoch nicht notwendigerweise, begleitet von einem subjektiven Leidensdruck bzw. Unwohlsein und/oder einer Beeinträchtigung der alltäglichen Funktionsfähigkeit.

Therapie

Prävention:

  • Bereitstellung leicht verständlicher Informationen für alle von traumatischem Ereignis betroffene Personen
  • Information über Möglichkeiten zur Frühintervention sowie über Rechte (z. B. nach dem Opferentschädigungsgesetz)
  • Selektive Prävention bei Personengruppen mit besonders hohem Expositionsrisiko gegenüber traumatischen Ereignissen (z. B. Polizei, Rettungsdienst, Feuerwehr)
  • Screening und Monitoring aller von einem traumatischen Ereignis betroffenen Personen, insbesondere solcher mit hoher Symptomlast („watch-and-wait“ Strategie)

Psychotherapie Psychotherapie Psychotherapie:

  • Erstlinientherapie: Traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie Kognitive Verhaltenstherapie Psychotherapie (TF-KVT) als spezifische Frühintervention
  • Die TF-KVT kann das Risiko eines Übergangs der akuten Stressreaktion zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) verringern.

Pharmakotherapie:

  • Wenn keine Suizidalität Suizidalität Suizidalität vorliegt, sollte vor einer Anwendung von Pharmakotherapeutika zunächst abgewartet werden.
  • Ein Einsatz für bestimmte Zielsymptomatiken ist zu erwägen, wenn die nicht-pharmakologischen Maßnahmen keine kurzfristigen Besserungen zeigen.
  • Kritische Abwägung eines Einsatzes von kurzfristigen Benzodiazepinen (nicht zur Prävention einer Traumafolgestörung geeignet):
    • Bei akuter Suizidalität Suizidalität Suizidalität oder zunehmenden Suizidgedanken unter Antidepressiva-Einnahme indiziert als Mittel erster Wahl
    • Bei starker Angst, sozialem Rückzug oder Schlafstörungen als Mittel zweiter Wahl über eine Dauer von bis zu einer Woche einsetzbar

Differenzialdiagnosen

  • PTBS: Verhaltensveränderungen, die länger als einen Monat andauern und als Reaktion auf ein traumatisches Ereignis, einschließlich einer Nahtoderfahrung, einer schweren Verletzung oder eines sexuellen Übergriffs auftreten. Zu den Symptomen gehören das Wiedererleben des Ereignisses in Form von Flashbacks oder Albträumen, das Vermeiden von Erinnerungen, erhöhte Reizbarkeit, Hyperaktivität, sowie Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen. Das Unterscheidungsmerkmal zwischen der PTBS und der akuten Stressreaktion ist, neben der nicht notwendigerweise vorhandenen Kongruenz zwischen Intensität des Stressors und der Stressreaktion, die Dauer der Symptomatik. Sobald diese über einen Zeitraum vorliegt, der länger als eine Woche andauert, sollte die PTBS differenzialdiagnostisch erwogen werden. Die Behandlung ähnelt der einer akuten Belastungsreaktion, d. h. sie umfasst eine Psychotherapie Psychotherapie Psychotherapie, kann jedoch den auch den Einsatz von Antidepressiva und antipsychotischen Medikamenten mit beinhalten.
  • Anpassungsstörung Anpassungsstörung Anpassungsstörung: psychologische Reaktion auf einen identifizierbaren Stressor. Gekennzeichnet durch emotionale oder Verhaltenssymptome, die innerhalb eines Monates nach der Exposition auftreten und nicht länger als 6 Monate andauern. Die Anpassungsstörung Anpassungsstörung Anpassungsstörung unterscheidet sich von der akuten Belastungsreaktion unter anderem dadurch, dass das auslösende traumatische Ereignis im Gegensatz zur akuten Stressreaktion nicht zwangsläufig von besonderer Schwere sein muss. Bestehen die Symptome über eine über einen Zeitraum von länger als einer Woche, gilt es ebenfalls differenzialdiagnostisch an eine Anpassungsstörung Anpassungsstörung Anpassungsstörung zu denken. Die Behandlung umfasst in erster Linie psychotherapeutische Verfahren, eventuell können auch medikamentöse Therapeutika eingesetzt werden.
  • Akute bzw. vorübergehende psychotische Störung: Vorhandensein von einem oder mehreren psychotischen Symptomen, die über einen Zeitraum zwischen einem Tag und einem Monat andauern. Sie treten in der Regel plötzlich auf und sind oft stressbedingt. Das Vorhandensein von psychotischen Symptomen wie Wahnvorstellungen oder Halluzinationen unterscheidet diese Diagnose von einer akuten Belastungsreaktion. Außerdem kehren die Betroffenen nach einer kurzen psychotischen Störung vollständig zu ihrem ursprünglichen Funktionszustand zurück. Die Behandlung umfasst Antipsychotika und psychotherapeutische Verfahren.

Quellen

  1. Sadock BJ, Sadock VA, Ruiz, P. (2014). Kaplan and Sadock’s synopsis of psychiatry: Behavioral sciences/clinical psychiatry (11. Auflage). Kapitel 11, Trauma and stressor-related disorders, S. 437–446. Philadelphia, PA: Lippincott Williams and Wilkins.
  2. Harvey AG, Bryant RA. (1998). The relationship between acute stress disorder and posttraumatic stress disorder: a prospective evaluation of motor vehicle accident survivors. J Consult Clin Psychol. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9642889/ 
  3. Bryant, R. (2019). Acute stress disorder in adults: Epidemiology, pathogenesis, clinical manifestations, course, and diagnosis. UpToDate. https://www.uptodate.com/contents/acute-stress-disorder-in-adults-epidemiology-pathogenesis-clinical-manifestations-course-and-diagnosis (Zugriff am 10.05.2021)
  4. AWMF. (2019). Diagnostik und Behandlung von akuten Folgen psychischer Traumatisierung. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051-027l_S2k_Diagnostik_Behandlung_akute_Folgen_psychischer_Traumatisierung_2019-10.pdf (Zugriff am 12.09.2022)
  5. World Health Organization. (2022). ICD-11 for Mortality and Morbidity Statistics. https://icd.who.int/browse11/l-m/en#/http%3a%2f%2fid.who.int%2ficd%2fentity%2f505909942 (Zugriff am 27.09.2022)

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

Holger Wöltje

Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

Frank Eilers

Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.

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