Die Biopsychologie beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen der biologischen Prozesse des Körpers und unserem Verhalten und Erleben. Im biopsychologischen Kontext sind drei Entitäten von besonderem Interesse: Stress, Bewusstsein und Schlaf. Stress ist eine Anpassungsreaktion des menschlichen Körpers in Situationen, die die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten übersteigern. Der Umgang und die Stressreaktion selbst werden in verschiedenen Modellen erklärt. Die Reaktionen, also Zustände der Aktivität, aber auch dr Schlaf können über das Elektroenzephalogramm (EEG) erfasst werden.
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Lernleitfaden
Medizin ➜
Wenn Bewältigungsmöglichkeiten überstiegen werden, reagiert unser Körper mit einer Anpassungsreaktion: Stress. Das Ziel ist dabei, das Gleichgewicht (Homöostase) zwischen der Person und Umwelt wiederherzustellen.
Merke: Stress ist eine Reaktion, kein Reiz.
Stressoren kommen aus der Umwelt oder der eigenen Person:
Kritische Lebensereignisse sind positive oder negative Erlebnisse, die eine Anpassungsleistung vom Individuum verlangen. Für jeden hat das unterschiedliche Konsequenzen, da das individuelle Erleben bei stressvollen Ereignissen stark variiert. Die Auswirkungen können von einem geschwächten Immunsystem, höherer Anfälligkeit für Krankheiten, psychosomatischen Störungen bis hin zu einem erhöhten Suizidrisiko reichen.
Für die Erstellung der Social Readjustment Scale wurden „Stresswerte“ für verschiedene gewichtige Lebensereignisse ermittelt. Der Tod einer geliebten Person hatte z. B. 100 Punkte, der Verlust des Arbeitsplatzes 50 Punkte. Ein wirklich objektiver Vergleich eines Erlebnisses ist allerdings aufgrund von großen individuellen Unterschieden in der Persönlichkeit nicht möglich.
Es gibt jedoch einige Merkmale, die eine Stressreaktion wahrscheinlich eher auftreten lassen, da eine Neuanpassung an kritische Lebensereignisse erschwert wird durch:
Der Körper bereitet sich in einer Stresssituation auf einen möglichen Kampf oder eine Flucht vor. Zerebral ist maßgeblich der Hypothalamus Hypothalamus Hypothalamus (das Stresszentrum) an dieser Reaktion beteiligt.
Aktivierung des Sympathikus: Durch die entstehende Dominanz des sympathischen Systems steigen die Herzfrequenz Herzfrequenz Herzphysiologie, Atemfrequenz Atemfrequenz Untersuchung der Lunge und der Blutdruck. Es kommt zu einer Vasokonstriktion Vasokonstriktion Physiologie des Blutkreislaufs und erhöhten Hautleitfähigkeit. Durch die gleichzeitige Hemmung des Parasympathikus nehmen die Speichelsekretion, Magen- und Darmmotilität ab.
Eine konstanter Stressreaktion, die mit akuten Bedrohungssituationen für den Körper nichts mehr zu tun hat, erfüllt keine sinnvolle Funktion mehr, sondern schädigt den Körper. Hohe Stresssituationen über einen längeren Zeitraum erhöhen nachweislich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Magen-Darm-Erkrankungen.
Physiologische Stressreaktionen zeigen sich in verschiedenen Organsystemen. Meist haben wir einen „Stressort“, wo wir mit Symptomen antworten: Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden, muskuläre Verspannungen. Dieses Reaktionsmuster wird auch als Individualstereotypie bezeichnet. Dagegen führen manche Reize immer zum gleichen Reaktionsmuster bei Menschen, z. B. plötzlicher Lärm.
Selye beschrieb 1956 das bekannteste Modell zur Reaktion auf chronischen Stress. Er teilt in drei Phasen ein: Alarmphase, Widerstandsphase und Erschöpfungsphase.
Bei diesem Stressmodell von 1986 werden emotionale Stressreaktionen miteinbezogen. Stressoren können als Folge Ärger, Angst oder eine Depression auslösen. Auf diese Emotionen folgen wiederum neuroendokrine Reaktionsmuster.
Emotion | Verhalten | Neuroendokrines Reaktionsmuster |
---|---|---|
Ärger | Kampfverhalten (Fight) | Noradrenalin ↑, Testosteron Testosteron Androgene und Antiandrogene ↑ |
Angst | Flucht (Flight) | Adrenalin ↑ |
Depression | Passive Unterordnung | Testosteron Testosteron Androgene und Antiandrogene ↓, Fehlregulation noradregenes System |
Nicht jeder reagiert gleich auf Stressoren: Die Belastung ist abhängig vom individuellen Vulnerabilitätsgrad.
Die Homöostase beschreibt einen Zustand, bei dem das innere Milieu im physiologischen, psychologischen und sozialen Gleichgewicht ist. Stress gefährdet also diesen ausbalancierten Zustand.
Wenn trotz äußerer Stressfaktoren dieser Zustand beibehalten wird, wird diese Fähigkeit Allostase genannt. Verschiedene genetische Faktoren und erworbene Reaktionsmuster sind für diese (veränderliche) Fähigkeit verantwortlich.
Das Coping-Modell (Bewältigungsmodell) von Lazarus baut die Art und Weise der Situationsbewertung als Stufenprozess auf.
EEG-Messungen sind vor allem wichtig in der Psychophysiologie und der Neuromedizin. Die Elektroden werden auf der Schädeldecke Schädeldecke Schädelknochen: Anatomie des Schädels, Aufbau und Funktion der Patient*innen in einem standardisierten Schema angebracht und so die elektrische Aktivität des Gehirns abgeleitet.
Das Spontan-EEG zeigt die Ableitung von elektrischen Grundmustern, die ohne Einfluss von außen im Wach- oder Schlafzustand messbar sind. Dargestellt werden über einen längeren Zeitraum kontinuierlich vorhandene Wellenbänder. EEG-Muster unterscheiden sich nach Lebensalter: Bei Kindern ist das EEG insgesamt niederfrequenter und es können auch im Wachzustand Theta- und Deltawellen auftreten.
Vier Typen von Frequenzbändern:
Evozierte Potenziale sind Veränderungen der hirnelektrischen Aktivität, welche im zeitlichen Zusammenhang mit einem Reiz stehen. Sie sind vom Spontan-EEG abzugrenzen. Die Begriffe werden nach den auslösenden Reizen unterschieden: visuell (Licht), akustisch (Ton) und somatosensorisch (z. B. Stromstoß). Da die evozierten Potenziale vom Spontan-EEG überlagert werden, werden Mittelungstechniken genutzt, um diese sichtbar zu machen.
Zu den evozierten Potenzialen zählen auch langsame Potenzialverschiebungen bzw. langsame Hirnpotenziale, am bekanntesten sind Contingent Negative Variation (CNV) und P300:
Merke: Negativierung im EEG: Indikator für kortikale Mobilisierung
Positivierung im EEG:
Zwischen hellem Bewusstsein mit maximaler Aufmerksamkeit und Bewusstlosigkeit im Koma Koma Koma oder Tiefschlaf gibt es zahlreiche Abstufungen und Variationen. Einige Parameter geben Aufschluss über den Bewusstseinszustand und können subjektiv oder objektiv gemessen werden.
Indikatoren der Aktivation, auch Aktivierung oder Arousal, sind:
Das Yerkes-Dodson-Gesetz besagt: Zwischen Aktivation und Leistung besteht ein umgekehrt U-förmiger Zusammenhang.
Die Orientierungsreaktion (OR) verändert das Aktivierungsniveau des Organismus. So wird er in die Lage versetzt, bedeutsame Reize zu erfassen und adäquat darauf zu reagieren. Der Ausprägungsgrad einer OR ist bei uns besonders groß, wenn der Reiz ein psychologisch erlerntes Signal darstellt (z. B. der Zuruf: „Pass auf!“).
Die Orientierungsreaktion wurde erstmals von Pawlow beobachtet und als „Was-ist-das?-Reflex“ bezeichnet.
Kehrt der Reiz immer wieder und liefert keine neue Information, findet keine OR mehr statt, das Bewusstsein gewöhnt sich daran und blendet diese aus: Habituation (Beispiel: eigene Reaktion auf das Sirenengeräusch eines Rettungswagens nach 1,2 und 5 Minuten). Nimmt die OR auf den Standardreiz wieder zu infolge eines kurzen Fremdreizes, wird von einer Dishabituation gesprochen.
Beim Schlaf reduziert der Organismus psychische und physische Funktionen auf ein Minimum an Aktivation (Ausnahme: der REM-Schlaf REM-Schlaf Physiologie des Schlafes). Es werden Non-REM-Schlafphasen (1–4) und der REM-Schlaf REM-Schlaf Physiologie des Schlafes unterteilt. Die Schlafdauer sowie der Rhythmus ändern sich im Laufe unseres Lebens.
So viel Schlaf brauchen wir:
Chronobiologie heißt die Wissenschaft, die sich mit den zeitlichen Körperrhythmen befasst. Der wichtigste Zeitgeber für den zirkadianen Rhythmus ist der Hell-Dunkel-Wechsel.
Exkurs: Experimente haben gezeigt, dass der Mensch auch ohne den Lichtwechsel von Tag und Nacht einen 24 Stunden Rhythmus aus Schlafen und Wachen entwickelt. Das anatomische Korrelat dieser inneren Uhr wird dem Nucleus suprachiasmaticus zugeschrieben. Wird dieser ausgeschaltet, wird jegliche zirkadiane Rhythmik trotz externer Zeitgeber aufgehoben.
Gedächtnisfunktionen korrelieren mit der Körpertemperatur: Je schwieriger die Gedächtnisaufgabe, desto mehr verschiebt sich die Leistungsfähigkeit zur Tagesmitte hin.
Ein paar Begriffserklärungen für ein besseres Verständnis der Schlafphasen Schlafphasen Physiologie des Schlafes:
Schlafstadium | EEG |
---|---|
Wach | Alpha-Wellen |
Einschlafen | Alpha-Wellen ↓, Theta-Wellen treten auf, abnehmender Muskeltonus |
Leichtschlaf | Theta-Wellen bis Delta-Wellen, Schlafspindeln, K-Komplexe |
Mitteltiefer Schlaf | Übergang zu Delta-Wellen, keine Schlafspindeln und K-Komplexe mehr |
Tiefschlaf | Überwiegend Delta-Wellen (Slow-Wave-Sleep) |
Paradoxer Schlaf ( REM-Schlaf REM-Schlaf Physiologie des Schlafes) | EEG wie im Stadium 2, REM, völliger Muskelatonie, vereinzelt Muskelzuckungen (Myoklonien), Herz- und Atemfrequenzvariabilität, hohe Traumaktivität mit sehr emotionalem Charakter, mögliche Erektion Erektion Penis/Erhöhung der vaginalen Durchblutung |
Bei acht Stunden Schlaf werden vier bis sechs Zyklen Non-REM-Schlaf und REM-Schlaf REM-Schlaf Physiologie des Schlafes durchlaufen. Im Laufe der Nacht nimmt die Dauer der Tiefschlafphasen immer mehr ab und die REM-Phase zu.
Es gibt viele Theorien, warum Menschen träumen und woher die Trauminhalte stammen. Der einzige Konsens der Traumforschung besteht darin, dass Menschen wohl tagsüber gewonnene Informationen im REM-Schlaf REM-Schlaf Physiologie des Schlafes verarbeiten (höchst individuell unterschiedlich) und eine Überführung von Informationen ins Langzeitgedächtnis stattfindet.
Schlafentzug endet im Extremfall letal. Ein dauerhafter Entzug von Schlaf macht es unmöglich, biologische Funktionen unseres Körpers aufrechtzuerhalten. Bereits kurzzeitiger Schlafentzug wirkt sich auf das Befinden aus.
Wird nach einem Schlafentzug wieder geschlafen, nimmt der Anteil der Tiefschlafphasen zu, später wird der REM-Schlaf REM-Schlaf Physiologie des Schlafes „nachgeholt“ (REM-Rebound). Wurde in Versuchen selektiv REM-Schlaf REM-Schlaf Physiologie des Schlafes entzogen (Wecken der Proband*innen in Stadium 5), zeigten die Proband*innen Hyperaktivität, eine erhöhte Reizbarkeit und teils größere Ängstlichkeit.
Dyssomnien werden in Hypersomnien und Hyposomnien eingeteilt.
Hypersomnien (zu viel Schlaf) | Hyposomnien (zu wenig Schlaf) |
---|---|
Schlaf-Apnoe-Syndrom: lautes, unregelmäßiges Schnarchen führt zu Atempausen bis 10s, vor allem im REM-Schlaf REM-Schlaf Physiologie des Schlafes. Der Sauerstoffmangel und der verlangsamte Herzschlaf führen zu einem kurzen Erwachen und somit zu einer massiven Störung der Schlafstruktur. Tags sind die Patient*innen schläfrig und unkonzentriert | Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus: Nacht- und Schichtarbeit, Zeitzonen-Wechsel/Jetlag (auf Dauer sind die Folgen Immunschwäche, funktionelle und psychosomatische Störungen). Wenn die zirkadiane Rhythmik sich den neuen Umweltbedingungen angepasst hat, wird von einer Resynchronisation gesprochen. |
Narkolepsie Narkolepsie Narkolepsie: Zwanghafte Schlafattacken während des Tages, die mehrere Minuten andauern | Ein- und Durchschlafstörungen und Früherwachen aufgrund variabler Ursachen z. B. einer Depression |
Parasomnien Parasomnien Parasomnien bezeichnen die Gruppe der sonderbaren Phänomene, die im Schlaf auftreten können. Dazu gehören: