Die Entwicklung ist ein lebendiger Prozess, der mit der Empfängnis beginnt und mit dem Tod endet. Die Entwicklungspsychologie beschäftigt sich mit den Veränderungen und Entwicklungsprozessen im Laufe des menschlichen Lebens. Dabei können sowohl verschiedene Entwicklungsbereiche wie Motorik, Sensorik, Sprache, Emotionen und Moral als auch diverse Einflüsse und Entwicklungsphasen unterschieden werden.
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Lernleitfaden
Medizin ➜
Lernen: Stimulation durch die Umwelt und Übung
Die
Schwangerschaft
Schwangerschaft
Schwangerschaft: Diagnostik, mütterliche Physiologie und Routineversorgung lässt sich ungefähr in drei Abschnitte aufteilen. Im 1. Abschnitt (Monat 0–3, Begriff Embryo) entwickeln sich die Organe, im 2. Abschnitt (Monat 3–6, Begriff Fötus ab 4. Monat) durchlaufen die Organe eine Differenzierung zur Funktionstüchtigkeit und der 3. Abschnitt (Monat 6–9) dient der Größenzunahme des Kindes.
8. SSW | Bewegung des Embryos sind sonografisch nachweisbar |
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4. SSW | Ausbildung von Bewegungsmustern |
6.–20. SSW | Kindsbewegungen |
Die motorische Entwicklung läuft weitestgehend nach inneren eigenen Regeln ab. Übung hilft, um Sicherheit und Geschicklichkeit zu erlangen. Zwei Trends lassen sich in der motorischen Entwicklung unterscheiden:
Achtmonatsangst: Fremdeln wird darauf zurückgeführt, dass das Kind mit ca. 8 Monaten zum ersten Mal fremde von vertrauten Personen unterscheiden kann. Die innere Frage des Kindes lautet: „Wer ist zuverlässig und garantiert mein psychisches und physisches Wohl?“ Das Fremdeln nimmt ab dem 3. Lebensjahr wieder kontinuierlich ab.
Zwischen 6 und 9 Monaten unternimmt das Kind erste „Erkundungstouren“. Die Trennungsangst kann als Grenze für diesen Trieb verstanden werden. Zwischen 2 und 3 Jahren ist die Trennungsangst am stärksten ausgeprägt, danach stetig abnehmend.
Die bewusste Entleerung von Darm- und Blaseninhalten beginnt im Alter von zwei Jahren mithilfe von Vorbild durch die Eltern und anleitende Unterstützung.
Der Bonding-Prozess entwickelt sich und wird unterhalten durch viel Körperkontakt, Stillen und Personenpermanenz. Ainsworth hat im Fremde-Situations-Test 3 grundlegende Bonding-Stile observieren können.
Unsicher-vermeidend | Mutter* zeigt wenig Fürsorge | Kind zeigt nach der Rückkehr der Mutter* wenig Emotionen, sucht wenig Nähe |
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Sicher | Erleben der Mutter*: verlässlich, offen, freundlich, sensitiv, einfühlsam | Kind ist bedrückt, leidet bei Abwesenheit der Mutter*, sucht Nähe und Kontakt bei der Rückkehr |
Ambivalent-unsicher | Ambivalentes Verhalten der Mutter* | Kind ist deutlich bekümmert, z. T. wütend bei Abwesenheit der Mutter*, ambivalentes Verhalten bei Rückkehr |
Der Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget hat die Basis geschaffen für den größten Teil der heutigen Erkenntnisse zur Entwicklung von Wahrnehmung, Denken, Vorstellung und Problemlösen. Piaget vertrat die Auffassung, dass für die Entwicklung eines Kindes vor allem die aktive Interaktion wichtig ist. Kinder handeln nach seinen Angaben nach organischen Wissen-/Handlungsmustern. Die ständig neuen Einströme aus der Umwelt erfordern jedoch Adaption. Zwei Adaptionsvorgänge werden unterschieden:
Diese zwei Mechanismen dienen der Gleichgewichtserhaltung (Äquilibration).
Lebensalter | Stadium | Typische Merkmale |
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Geburt-2 Jahre | Sensomotorisch | Grundformen der Auseinandersetzung mit der Umwelt werden entwickelt. Koordination von Funktionen (z. B. Sehen und Greifen): Objektpermanenz: Gegenstände existieren weiter, auch sie nicht (mehr) wahrgenommen werden. |
2-6/7 Jahre | Präoperational | Naiver Realismus: Entwicklung von Fantasie/Symbolverständnis/Symbolgebrauch (z. B. Spracherwerb) |
2-4 Jahre | Vorbegrifflich-symbolisch | Animismus, Konzeptgeneralisation |
4-7 Jahre | Anschauliches Denken | Entwicklung von Größer-Kleiner-Relationen und Raum-Zeit-Dimension |
12-15 Jahre | Formal-operativ | Übergang zum abstrakten Denken, Fähigkeit zu Gedankenexperimenten (Hypothesenbildung und -testung) |
Monat | Sprachstadienkennwert |
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1 | „Gurr“laute, viele Vokale |
3 | „Singende Laute“, Nachahmungen der Eltern |
6 | Erste Worte werden inhaltlich begriffen, Schreien ↓, „Plaudern“ ↑ |
7-8 | Direkte Lautnachahmung |
8-10 | Lautketten (pa-pa, ma-ma, la-la) |
9 | Verfolgen von Gesprächen anderer, soziale Gesten werden verstanden und ausgeführt |
12 | Personen und Objekte des Alltags werden erkannt. |
12-18 | Erste Wörter |
Sprache ist unbedingt notwendig, um soziale Kognition zu erwerben.
Das Ich-Bewusstsein z. B. drückt sich sprachlich gegen Ende des 2. Lebensjahrs in der „Trotzphase“ aus: „Ich! Ich will!“ Diese Phase ist wichtig, um später andere Perspektiven einsehen und Empathie entwickeln zu können.
Moral: System von Glaubenssätzen und Werthaltungen, mit dem Menschen sich für richtige und falsche Handlungen entscheiden. Der amerikanische Psychologe Lawrence Kohlberg hat ein Stufenmodell zur Moralentwicklung entworfen, welches die jeweiligen Stadien nochmalig in zwei Stufen unterteilt. Es stellt ein erweitertes Modell der kognitiven Entwicklung nach Piaget dar.
Phasen | Stufe | Entwicklung |
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Präkonventionell (2–10 Jahre) | 1 |
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2 |
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Konventionell (10–20 Jahre) | 3 |
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4 |
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Postkonventionell (> 20 Jahre) | 5 |
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6 |
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Erziehung ist ein stets reziproker (wechselseitiger) Prozess. Das bedeutet, dass immer sowohl Eltern als auch das Kind beteiligt sind. Es werden grundlegend 4 verschiedene Erziehungsstile unterschieden:
Merke: Für die kindliche Entwicklung hat sich der autoritative Erziehungsstil am günstigsten erwiesen.
Gesellschaftliche Determinanten wie der strukturelle Wandel in Familien (Alleinerziehende, Patchworkfamilien, etc.) und die Medien beeinflussen die kindliche Entwicklung und Sozialisation in bedeutender Weise. Kinder nehmen sich oft nicht mehr ihre Eltern als Vorbilder, sondern Figuren aus Kino und Fernsehen. Neben den psychischen Auswirkungen ist der „Babysitter TV“ eine Ursache für massiven Bewegungsmangel und Folgeerkrankungen.
Sigmund Freuds Ansatz geht davon aus, dass die Persönlichkeit des Menschen durch Erfahrungen gebildet wird. Insbesondere den frühkindlichen psychosexuellen Entwicklungen misst er dabei große Bedeutung zu. Jeder Mensch macht in den verschiedenen Phasen Erfahrungen und formt so seinen Charakter durch die Befriedigung bestimmter Triebbedürfnisse. Kann dieser Triebbefriedigung nicht Folge geleistet werden, entstehen Konflikte und damit eine Fixierung auf diese bestimmte Phase.
Kritik: Freuds Theorie entbehrt jegliche empirische Basis, noch ist die Theorie falsizierbar.
Phase/Alter | Kennzeichen | Haltung/Charakter durch Fixierung | Assoziierte Störung |
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Orale Phase < 2 Jahre | Wichtigster Trieb ist die Nahrungsaufnahme. | Fordernd, unreif, Sarkasmus, Tendenz zu Abhängigkeit/Sucht, Optimismus, Großzügigkeit | Frühe Phase: schizoide Persönlichkeitsstörung, späte Phase: Depression |
Anale Phase 2–3 Jahre | Befriedigung durch Ausscheiden/Einbehalten des Kots, Kontrolle über Eltern | Zwanghaft, geizig, pedantisch, korrekt, kontrollsüchtig, eigensinnig, Ambivalenz zu Vorgesetzten | Anankastische Persönlichkeitsstörung |
Phallische Phase 3–5 Jahre (ödipale Phase) | Kind begehrt den gegengeschlechtlichen Elternteil, Jungen*: Ödipuskomplex und Kastrationsangst, Mädchen*: Elektrakomplex und Penisneid → Lösung des Konflikts durch Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil | Zwang zur Konkurrenz/Kompetition, Demonstration der Potenz (Statussymbole), Großherzigkeit, Unbekümmertheit | Hysterische Persönlichkeitsstörung |
Latenzphase 6–12 Jahre | Triebenergie wird in kulturelle Inhalte kanalisiert, im Mittelpunkt stehen eigene intellektuelle Fähigkeiten | ||
Genitale Phase > 12 Jahre | „Wiederentdeckung der Genitalien“, Partner*in(nen)suche außerhalb der Familie | Reife Form der Persönlichkeit |
Eriksons Stufenmodell baut zwar zu großen Teilen auf der Freudschen Theorie auf, sieht jedoch die menschliche Entwicklung als lebenslangen Prozess an. Diesen Prozess hat Erikson in 8 Stufen eingeteilt.
Junge Erwachsene müssen sich häufig in verschiedenen Rollen gleichzeitig zurechtfinden: Partner*in(nen)rolle, Familienrolle und Berufsrolle. Rollenkonflikte bringen psychosoziale Belastungen mit sich. Zwei bekannte Modelle sind das Anforderungs-Kontroll-Modell und das Gratifikationskrisenmodell.
Frauen* haben zwischen dem 40. Und 50. Lebensjahr mit dem Klimakterium zu kämpfen, bevor die Menopause Menopause Menopause einsetzt. Hauptbeschwerden sind: Hitzewallungen, Schwindel, Schweißausbrüche, Gewichtszunahme und Müdigkeit.
Männer* dagegen sind häufiger von der Midlife-Crisis betroffen als Frauen*: Das Leben wird als Kette von Enttäuschungen und Fehlentscheidungen interpretiert und häufige Folgen sind Scheidungen und Seitensprünge.
Es existieren zwei kontroverse Theorien in Bezug auf die psychosoziale Entwicklung im höheren Lebensalter:
Die soziale Lage alter Menschen ist zunehmend in Deutschland gekennzeichnet von sozialer Isolierung durch Verlust von Partner*in(nen), Partizipationsminderung durch Behinderung und Entwurzelung durch die Einweisung in Alten- /Pflegeheime. Auch haben viele Menschen unter Verarmung im Alter zu leiden durch stetige Rentenkürzungen, hohe Ausgaben für medizinische Behandlungen und Hilfsapparate.