Gasbrand

Überblick

Definition

Als Gasbrand (clostridiale Myonekrose) bezeichnet man eine schnell fortschreitende Infektion von Muskeln und Weichteilen, die am häufigsten durch die Clostridium-Spezies verursacht wird.

Epidemiologie

• Auf Anbauflächen sind Clostridium-Arten im Boden weit verbreitet.
• Inzidenz: etwa 50-70 Fälle/Jahr in Deutschland
• Es wird vermutet, dass die Zahl der weltweiten Fälle viel höher ist, diese aber aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung nicht gemeldet werden.

Ätiologie

• Clostridium perfringens (C. perfringens) verursacht > 80 % der Gasbrandinfektionen
• C. perfringens ist ein anaerobes grampositives Bakterium
• Andere Pathogene umfassen C. septicum und C. histolyticum
• 2 Hauptinfektionswege:
  • Traumatisch (70 %; Haupterreger C. perfringens):
    • Schuss- oder Stichverletzungen
    • Komplizierte Frakturen oder Quetschverletzungen
    • Darm- und Gallenoperationen
    • Abort/Plazentaretention/ vorzeitiger Blasensprung Vorzeitiger Blasensprung Vorzeitiger Blasensprung
    • Intrauteriner fetaler Tod
    • Intramuskuläre Injektion
    • Injektion von schwarzem Teerheroin
  • Spontan: Haupterreger C. septicum
• Immunschwäche (z. B. bei Diabetes mellitus Diabetes Mellitus Diabetes Mellitus) ist ein wichtiger Risikofaktor.

Pathophysiologie und Klinik

Exogene Infektion

• Organismen gelangen in das Gewebe (durch offene Wunden, bei Operationen)
• Nicht jede Kontamination führt zu einer Infektion
• Eine Infektion tritt normalerweise auf, wenn die Blutversorgung beeinträchtigt oder das Gewebe devitalisiert ist.
• Voraussetzungen für die Vermehrung von C. perfringens:
  • Anaerobe Umgebung
  • Saurer pH-Wert
• Aufgrund von Exotoxinen, die von C. perfringens produziert werden, entwickelt sich eine schwere fortschreitende Gewebenekrose:
  • Alpha-Toxin:
    • Hämolytisches Toxin; essenziell für Krankheitsmanifestationen und Mortalität
    • Hat Phospholipase C- und Sphingomyelinase-Aktivität
    • Abbau von Gewebe und Zellmembranen
    • Verursacht Thrombosen in kleinen Gefäßen und Gewebeischämie
    • Ischämie schafft anaerobe Umgebung → weitere Vermehrung von C. perfringens
    • Vermindert auch das Herzzeitvolumen Herzzeitvolumen Herzmechanik und trägt zum systemischen Schock Schock Schock: Überblick bei
  • Theta-Toxin:
    • Porenbildendes Cytolysin
    • Zytotoxisch für Gefäß- und Immunzellen
    • Nicht entscheidend für die Mortalität
• Wichtiges Merkmal: Mangel an polymorphkernigen Leukozyten im betroffenen Gewebe

Endogene Infektion

• Hämatogene Streuung von Bakterien, die dann Muskeln befallen
• Ausgangspunkte:
  • Magen-Darm-Trakt (häufig von Adenokarzinomen des Kolons)
  • Allogene muskuloskelettale Tansplantate
• C. septicum benötigt keine anaeroben Bedingungen und kann in normalem Gewebe wachsen.
• Das Fortschreiten der Krankheit wird durch die Produktion mehrerer Exotoxine verursacht.

Klinik

Lokalisierte Anzeichen und Symptome:

• Typische Inkubationszeit < 24 Stunden
• Plötzlich einsetzende starke Schmerzen
• Veränderungen der Hautfarbe: Blässe → bronzefarbenes Aussehen → violett-zu-violettrot → schwarze Verfärbung
• Spannende, empfindliche Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion
• Blasenbildung: können mit klarer Flüssigkeit oder Blut gefüllt sein
• Übelriechender Ausfluss
• Krepitation (Gas im Gewebe): sehr sensitiv und spezifisch

Systemische Symptome:

• Tachykardie
• Hypotonie Hypotonie Hypotonie
• Fieber Fieber Fieber
• Multiorganversagen
• Akute Niereninsuffizienz: ↑ Kreatinin
• Leberschäden: Ikterus Ikterus Ikterus und Lebernekrose
• Intravasale Hämolyse

Diagnostik

Körperliche Untersuchung

• Meist reicht eine körperliche Untersuchung aus, um die Diagnose zu stellen
• Starke Schmerzen an der betroffenen Stelle
• Hautverfärbung und Blasenbildung
• Krepitation
• Systemische Toxizität:
  • Fieber Fieber Fieber
  • Tachykardie/ Hypotonie Hypotonie Hypotonie
  • Veränderung des mentalen Status

Labordiagnostik

• Histopathologie: Gram-Färbung zeigt grampositive oder gramvariable Stäbchen an der Verletzungsstelle (definitive Diagnosestellung).
• Wundkulturen: doppelte Hämolysezone auf Blutagar mit C. perfringens-Wachstum
• Blutkulturen: in < 1 % der Blutkulturen bei Patient*innen mit Gasgangrän wachsen Clostridien-Spezies
• Zusätzliche Laboruntersuchungen können zeigen:
  • Hämolyse ( Anämie Anämie Anämie: Überblick und Formen, ↑ Laktatdehydrogenase, ↑ indirektes Bilirubin Bilirubin Hämstoffwechsel, Eisenstoffwechsel und Hämoglobin)
  • Leukozytose
  • Laktatazidose
  • Erhöhtes Kreatinin (Niereninsuffizienz)

Bildgebende Verfahren

• Röntgen Röntgen Röntgen:
  • Gas in tiefen Geweben
  • Schnelle und einfache Durchführbarkeit
• Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie ( MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT)):
  • Detailliertere Bildgebung als konventionelles Röntgen Röntgen Röntgen
  • Die Durchführung dauert länger und kann die Therapie verzögern

Therapie

Medikamentös

• Supportive Therapie:
  • Intravenöse (i.v.) Flüssigkeitsgabe
  • Elektrolytausgleich
  • Bluttransfusion Bluttransfusion Transfusionsprodukte
  • Hyperbare Sauerstofftherapie: bezüglich des Nutzens gibt es unterschiedliche Auffassungen
  • Tetanustoxoid, falls indiziert (bei traumatischem Gasbrand)
• Antibiotika:
  • I.v.-Therapie mit Breitspektrumantibiotikum sollte eingeleitet werden.
  • Antibiotika:
    • Penicillin 10–24 Millionen E/Tag plus Clindamycin 600 mg oder
    • Clindamycin und Metronidazol bei Penicillinunverträglichkeit

Chirurgisch

• Ein aggressives chirurgisches Debridement muss so schnell wie möglich durchgeführt werden.
• In der Regel sind mehrere Debridements erforderlich.
• Bei Beteiligung der Extremitäten kann eine Amputation Amputation Amputation erforderlich sein.
• Extremitäten müssen auf Kompartmentsyndrom Kompartmentsyndrom Kompartmentsyndrom überwacht werden; eine Fasziotomie kann erforderlich sein.

Prognose

• Die Sterblichkeitsrate liegt trotz bestmöglicher Versorgung bei 20-30 %
• 100 % Sterblichkeitsrate, wenn keine Behandlung erfolgt
• Spontane Infektionen können eine Sterblichkeitsrate von bis zu 67 % haben
• Infektionen des Abdomens oder des Thorax haben eine höhere Mortalität als Infektionen der Extremitäten.
• Prognostisch ungünstige Faktoren:
  • Schock Schock Schock: Überblick zum Zeitpunkt der Präsentation
  • Vorhandensein von Malignomen
  • Immungeschwächter Zustand

Differentialdiagnosen

• Nekrotisierende Fasziitis Nekrotisierende Fasziitis Nekrotisierende Fasziitis (NF): eine lebensbedrohliche Infektion der Faszie und des Unterhautgewebes, die zu Gewebenekrose und -zerstörung führt. Die Patient*innen präsentieren sich mit Schmerzen, die in keinem Verhältnis zu den vorliegenden Symptomen stehen, und einem schnell fortschreitenden Erythem nach einer Verletzung. Schnell in septischen Schock Schock Schock: Überblick fortschreitend. Daher sollten ein aggressives chirurgisches Debridement, parenterale Antibiotikagabe und eine kontinuierliche Überwachung erfolgen.
• Staphylococcal Scalded Skin Syndrom: eine blasenbildende Hauterkrankung, die durch eine lokale Infektion, in der Regel durch Staphylococcus aureus (S. aureus), verursacht wird. Präsentiert sich mit Fieber und diffusem, zartem Erythem, intraepidermalen Blasen und Abblättern der oberflächlichen Hautschicht, was ein rotes “verbrühtes” Aussehen hinterlässt. Die Therapie erfolgt mit parenteraler Antibiotikagabe und Pflege der Verbrennungen Verbrennungen Verbrennungen.
• Zellulitis: eine häufige und schmerzhafte bakterielle Hautinfektion, die die tieferen Schichten der Dermis Dermis Haut: Aufbau und Funktion und des Unterhautgewebes betrifft. Präsentiert sich mit erythematösen, ödematösen Bereichen, die berührungsempfindlich sind. Am häufigsten verursacht durch S. aureus S. aureus Staphylococcus und Streptococcus pyogenes (S. pyogenes). Die Diagnose wird normalerweise klinisch gestellt und die Therapie erfolgt mit Antibiotikagabe.
• Bullöses Pemphigoid Bullöses Pemphigoid Bullöses Pemphigoid und Pemphigus vulgaris und Pemphigus vulgaris Pemphigus vulgaris Bullöses Pemphigoid und Pemphigus vulgaris: Autoimmunerkrankungen, die flüssigkeitsgefüllte Blasen mit abgerundeter Hauterhebung verursachen. Patient*innen mit bullösem Pemphigoid zeigen normalerweise kutane, gespannte Blasen, während Patient*innen mit Pemphigus vulgaris Pemphigus vulgaris Bullöses Pemphigoid und Pemphigus vulgaris kutane, schlaffe Blasen und Schleimhauterosionen aufweisen. Beide Erkrankungen erfordern eine Steroidtherapie.