Die Wahrscheinlichkeitsrechnung ist ein mathematisches Werkzeug, mit dessen Hilfe der Zufall untersucht und Vorhersagen zur Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses getroffen werden können. Sie ist unerlässlich für ein Grundverständnis der medizinischen Statistik. Unter Beachtung einiger fundamentaler Regeln können die Wahrscheinlichkeiten bestimmt werden, dass mehrere Ereignisse zusammen, getrennt voneinander oder nacheinander eintreten. Dieser Artikel befasst sich mit den Grundlagen der Wahrscheinlichkeit. Diese sind sowohl für die Durchführung und Interpretation von Ergebnissen klinischer Studien als auch für klinische Entscheidungen zugunsten von Patienten wichtig.
Kostenloser
Download
Lernleitfaden
Medizin ➜
Mithilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung werden Zufallsgeschehen untersucht und Vorhersagen über die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, getroffen.
Beispiel für Wahrscheinlichkeit:
Wenn Sie eine ideale Münze werfen, beträgt die theoretische Wahrscheinlichkeit, dass sie Kopf zeigt, 50 %.
Beispiel für kurzfristige und langfristige Ergebnisse:
Wenn Sie eine ideale Münze werfen, besteht eine 50%ige Chance, dass Sie bei jedem beliebigen Wurf Kopf erhalten. Wenn Sie zehn Mal hintereinander Kopf werfen, erhöht dies nicht die Wahrscheinlichkeit, beim nächsten Wurf Kopf zu bekommen (ein kurzfristiges Ergebnis). Das GGZ besagt, dass bei einer großen Anzahl von Würfen die Häufigkeit, Kopf zu erhalten, nahe bei 50 % liegt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis (A) eintritt, liegt zwischen 0 (absolute Gewissheit, dass es nicht eintritt) und 1 (absolute Gewissheit, dass es eintritt):
$$ 0\leq P(A)\leq 1 $$Die Summe aller Wahrscheinlichkeiten aller möglichen Ergebnisse in einer Ergebnismenge ergibt 1:
$$ P(S) = 1 $$Zufallsexperimente sind Versuche, bei denen die möglichen Ergebnisse bekannt sind, aber dasjenige, das eintreten wird, ist unbekannt.
Bei manchen Ereignissen gibt es nur 2 mögliche Ergebnisse: Ereignis A tritt ein oder Ereignis A tritt nicht ein. Das Komplement von Ereignis A ist, dass das Ereignis A nicht eintritt, und wird als Ā dargestellt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ā eintritt, ist gleich 1 minus der Wahrscheinlichkeit des Ereignisses selbst (A).
$$ P(A^{C}) = 1 – P(A) $$Beispiel: Sie haben eine 1:4-Chance, eine Kreuz-Karte aus einem Standard-Kartenspiel zu ziehen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie keine Kreuz-Karte ziehen?
Antwort: In diesem Beispiel ist das Ziehen von Kreuz das Ereignis A und das Nichtziehen von Kreuz das Ereignis Ā. Wenn die Chance, Kreuz zu ziehen, 0,25 beträgt, dann ist Ā = 1 – 0,25, also 0,75.
Wenn zwei oder mehr Ereignisse nicht gleichzeitig auftreten können, werden sie als sich gegenseitig ausschließende, unvereinbare oder disjunkte Ereignisse bezeichnet. Es ist zwar nicht möglich, dass die beiden disjunkten Ereignisse gleichzeitig eintreten, aber es ist möglich, dass keines von ihnen eintritt.
Wenn 2 Ereignisse (A und B) sich gegenseitig ausschließen bzw. disjunkt sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass A oder B eintritt, die Summe der Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Ereignisse.
$$ P(A\cup B) = P(A) + P(B) $$Diese Regel kann auf eine beliebige Anzahl von disjunkten Ereignissen angewendet werden. Um z. B. die Wahrscheinlichkeit zu ermitteln, dass entweder A, B oder C eintritt, können Sie einfach P(A) + P(B) + P(C) addieren – unter der Annahme, dass alle drei Ereignisse sich gegenseitig ausschließen.
Beispiel 1:
Beispiel 2:
Ereignisse sind unabhängig voneinander, wenn die Wahrscheinlichkeit des einen Ereignisses keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit des anderen Ereignisses hat (Anmerkung: Disjunkte Ereignisse können keine unabhängigen Ereignisse sein (Beispiel 2, s. u.)). Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei unabhängige Ereignisse beide eintreten (A und B), ist gleich dem Produkt der Wahrscheinlichkeiten der Ereignisse A und B:
$$ P(A\cap B) = P(A)P(B) $$Beispiel 1:
Beispiel 2: Disjunkte Ereignisse können nicht unabhängig voneinander sein
Die Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Ereignis A, Ereignis B oder beiden Ereignissen gemeinsam– kurz: P(A oder B) – wird folgendermaßen ermittelt:
$$ P(A\cup B) = P(A) + P(B) – P(A\cap B) $$Hinweis: Bei disjunkten Ereignissen – also jenen, die sich gegenseitig ausschließen – gibt es definitionsgemäß keine Schnittmenge zwischen A und B; P(A und B) = 0. Also gilt hier: P(A oder B) = P(A) + P(B).
Beispiel: Sie haben einen Stapel Geldscheine mit einer identischen Anzahl vier unterschiedlicher Werte: 5 €, 10 €, 20 € und 50 €. Ereignis A steht für das Ziehen eines Geldscheins, auf dem eine 5 gedruckt ist; Ereignis B steht für das Ziehen eines Geldscheins mit einem Wert zwischen 3 € und 12 €. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass A oder B eintritt?
Antwort: Beachten Sie, dass das Ergebnis 5 € in beiden Ereignissen vorkommt; A und B sind also nicht disjunkt, sie schließen sich nicht gegenseitig aus. Wir können also nicht einfach P(A) + P(B) addieren, weil wir dann die Wahrscheinlichkeit, dass ein 5-€-Schein gezogen wird (P(5 €)), zweimal gezählt hätten. Wir müssen also P(5 €) subtrahieren, damit er am Ende nur einmal gezählt wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein beliebiger Schein gezogen wird, beträgt hier 1/4, also 25 % (denn es gibt vier unterschiedliche Scheine, und alle Scheine kommen gleich oft im Stapel vor).
Um unsere Frage zu beantworten, können wir zunächst P(A) berechnen, das gleich P(5 €) + P(50 €) = 0,25 + 0,25 = 0,5 ist. Analog dazu ist P(B) = P(5 €) + P(10 €) = 0,25 + 0,25 = 0,5. Wir wissen, dass P(5 €) an sich 0,25 beträgt. Insgesamt ergibt sich also 0,5 + 0,5 – 0,25 = 0,75, was wiederum drei der vier Scheinen entspricht (den 5-, 10- und 50-Euro-Scheinen, die alle entweder in Ereignis A oder B enthalten sind).