Hyperkoagulopathien

Hyperkoagulopathien (auch als Thrombophilien bezeichnet) sind eine Gruppe von hämatologischen Erkrankungen, die durch ein erhöhtes Risiko von Thrombosen aufgrund entweder einer Zunahme von Prokoagulanzien, einer Abnahme von Antikoagulanzien Antikoagulanzien Antikoagulanzien oder einer Abnahme der Fibrinolyse definiert sind. Es gibt sowohl vererbte als auch erworbene Ursachen, wobei Faktor V Leiden die häufigste vererbte Ursache ist. Klinisch treten Hyperkoagulopathien mit thrombotischen Ereignissen auf, die einen Gefäßverschluss verursachen und zu Organschäden führen können. Thrombotische Erkrankungen können tödlich verlaufen, wenn sie nicht behandelt werden, und die Behandlung umfasst normalerweise Antikoagulanzien Antikoagulanzien Antikoagulanzien.

Aktualisiert: 28.03.2023

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

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Überblick

Definition

Hyperkoagulabilität, auch als Thrombophilie bekannt, bezeichnet die erhöhte Neigung des Blutes zur Bildung von Blutgerinnseln, sogenannten Thromben. Hyperkoagulopathien können vererbt oder erworben werden.

Epidemiologie

Tabelle: Prävalenz und Risiko einer venösen Thrombembolie (VTE) bei erblichen Thrombophilien
Erkrankung Häufigkeit VTE-Risiko
Faktor V Leiden 3 %–7 % 4,3 %
Prothrombin G20210A-Variante 1 %– 3% 1,9 %
Protein-C-Mangel (heterozygot) 0,02 %–0,05 % 11,3 %
Protein-S-Mangel (heterozygot) 0,01 % 32,4 %
Antithrombinmangel 0,02 %–0,04 % 17,5 %

Häufigste erworbene Hyperkoagulopathien:

Klinische Auswirkungen:

  • VTE an zweiter Stelle nach MI als häufigste kardiovaskuläre Erkrankung
  • Bis zu 4 % der Schlaganfälle durch Hyperkoagulopathien
  • Identifikation von Thromboserisikofaktoren bei über 80 % der Patient*innen mit thrombotischen Ereignissen

Virchow-Trias

Thrombotische Ereignisse treten unter 3 Hauptbedingungen auf, die die Virchow-Trias bilden. Diese 3 Bedingungen sind:

  1. Endotheliale Verletzung/subendotheliale Exposition:
    • Initiierung der Bildung eines Thrombozytengerinnsels und der Gerinnungskaskade
    • Beteiligte Faktoren:
  2. Stauung des Blutflusses:
    • Mehr Zeit für Thrombozytenaggregation und Gerinnselbildung
    • Verlangsamte Entfernung von Gerinnungsfaktoren
  3. Hyperkoagulierbare Zustände (Veränderung der Blutbestandteile):
    • Zum Beispiel durch:
    • Kippen des Gleichgewichts dazu, Thrombosen zu begünstigen
Vichows-Triade

Virchow Trias

Bild von Lecturio.

Ätiologie und Pathophysiologie

Hyperkoagulopathien können primär (erblich) oder sekundär (erworben) sein.

Primäre (vererbte) Ursachen für Hyperkoagulopathien

Tabelle: Ätiologie und Pathophysiologie primärer (erblicher) Hyperkoagulopathien
Erkrankung Vererbungsmuster Pathophysiologie
Faktor V Leiden Autosomal dominant mit unvollständiger Penetranz
Prothrombin G20210A (auch als Faktor-II-Mutation bekannt) Autosomal-rezessiv
  • Transposition an der Promotorregion des Prothrombin-Gens
  • Übertranslation von Prothrombin
  • ↑ Thrombinvorläufer → verstärkte Thrombinbildung
Antithrombinmangel Autosomal dominant
Protein C- oder S-Mangel Autosomal-dominant (selten rezessiv)
  • Inaktivierung der Faktoren Va und VIIIa durch Protein C unter Verwendung von Protein S als Cofaktor
  • Mangel an beiden: Überaktivität der Faktoren Va und VIIIa
  • ↑ Aktivität von Va und VIIIa → fördert die Thrombinbildung
  • Auch möglich bei nephrotischem Syndrom und Lebererkrankungen
„Sticky-Platelet-Syndrom” Autosomal-dominant
  • Hyperaggregierbare Thrombozyten Thrombozyten Thrombozyten
  • Induktion der Hyperkoagulopathie nach Thrombozytenaktivierung
Überblick über den physiologischen thrombolytischen Weg

Überblick über den physiologischen thrombolytischen Weg:
Mehrere Hyperkoagulopathien treten aufgrund von Anomalien an den folgenden Stellen auf.
Genvarianten bei 1: Faktor V Leiden macht Faktor Va resistent gegen den Abbau durch aktiviertes Protein C.
Genvarianten bei 2: Prothrombin-Variante produziert eine erhöhte Menge an Prothrombin, was zu einer übermäßigen Thrombinbildung führt.
Genvariante bei 3: Antithrombinmangel führt zu einer verminderten Inaktivierung von Thrombin und den Faktoren Xa und IXa.
Genvariante bei 4: Protein C- oder S-Mangel führen zu einer verminderten Inaktivierung der Faktoren Va und VIIIa.

Bild von Lecturio.

Sekundäre (erworbene) Ursachen für Hyperkoagulopathien

Weitere Bedingungen mit einem erhöhten Thromboserisiko

Viele weitere Bedingungen/Zustände erhöhen das Thromboserisiko, indem sie Komponenten der Virchow-Trias (typischerweise Stase, Endothelverletzung oder beides) in einer Weise beeinflussen, die eine Thrombose fördert. Zu diesen Bedingungen gehören:

Klinik

Die primäre klinische Präsentation einer Hyperkoagulopathie ist ein thrombotisches Ereignis oder ein asymptomatisches Familienmitglied einer betroffenen Person mit einer bekannten primären Thrombophilie.

Thromboembolische Klinik

Lochfraßödem des rechten Beins

Wegdrückbare Ödeme mit Schwellung des rechten Beines aufgrund einer tiefen Venenthrombose

Bild: „Pitting oedema of right leg” vom Department of medicine (ward 45), the National hospital of Sri Lanka, (Regent Street), Colombo, (00800), Sri Lanka. Lizenz: CC BY 2.0

Zusätzliche spezifische Befunde assoziiert mit Hyperkoagulopathien

Faktor-V-Leiden- und Prothrombin-G20210A-Genvarianten haben über rezidivierende thrombotische Ereignisse hinaus keine spezifischen Erscheinungsformen. Einige spezifische Ergebnisse können festgestellt werden bei:

  • Protein C- oder S-Mangel:
    • Purpura fulminans bei Neugeborenen:
      • Purpurische Läsionen innerhalb der ersten 72 Lebensstunden an vielen verschiedenen Stellen
      • Vergrößerung der Läsionen und Erzeugen hämorrhagischer Bullae mit anschließender Nekrose und Bildung von schwarzem Schorf
    • Warfarin-induzierte Hautnekrose:
      • Diffuse Nekrose der Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion und/oder des Unterhautfettgewebes durch Thrombose
      • Während der ersten Tage der Warfarin-Verabreichung
  • Antithrombinmangel:
    • Heparinresistenz: keine ↑ der aPTT mit Heparingabe
  • Antiphospholipid-Syndrom Antiphospholipid-Syndrom Antiphospholipidsyndrom mit geburtshilflichen Komplikationen assoziiert:
  • Weitere medizinische Bedingungen:
    • Vielzahl an klinischen Befunden im Zusammenhang mit einer Grunderkrankung und Hyperkoagulopathie
    • Beispielsweise:

Diagnostik

Basisevaluation

Diese Untersuchungen sollten bei den meisten Patient*innen mit Verdacht auf thrombotische Ereignisse durchgeführt werden.

  • Großes Blutbild und peripherer Blutausstrich können Hinweise auf die zugrunde liegende Ätiologie geben, zum Beispiel:
  • D-Dimer:
    • Fibrin-Abbauprodukt, Anzeichen einer TVT
    • Beeinträchtigung der D-Dimere durch mehrere Bedingungen, aber TVT sehr unwahrscheinlich bei normalen D-Dimer-Werten
  • Gerinnungsuntersuchungen:
    • ↑ Quick/INR aufgrund einer möglichen Lebererkrankung
    • ↑ aPTT beim Antiphospholipid-Syndrom Antiphospholipid-Syndrom Antiphospholipidsyndrom (Einer der Antikörper, Lupus-Antikoagulans, wirkt in vitro als Antikoagulans, fördert aber in vivo Thrombosen.)
  • Klinische Chemie: zur Beurteilung der Leber- und Nierenfunktion
  • Altersgerechtes Screening auf Malignität:
  • Bildgebung:
    • CT-Lungenangiographie und/oder V/Q-Missmacht bei Verdacht auf LE
    • Duplex-Ultraschall der Gliedmaßen bei Verdacht auf TVT mit Nachweis von:
      • Nicht komprimierbares Lumen
      • Echoreiche Masse
      • Verminderter/fehlender Durchfluss
    • Weitere bildgebende Verfahren nach jeweiligem klinischem Bild (z.B. Röntgenthorax bei Verdacht auf Malignität)
CT der Sattellungenembolie

CT-Angiografie des Thorax mit einer zentralen Lungenembolie

Bild: „Large saddle pulmonary embolism” vom Rhode Island Hospital, Brown University School of Medicine, 2 Dudley Street, Providence, RI, USA. Lizenz: CC BY 2.0

Indikationen für eine Thrombophilie-Abklärung

Anordnung zusätzlicher spezifischer Tests zum Screening auf eine erbliche Thrombophilie in Erwägung ziehen, wenn Patient*innen eines der folgenden Kriterien erfüllen:

  • Rezidivierende Thrombosen
  • Thrombose < 40 Lebensjahr
  • Idiopathische Venenthrombose: Thrombose ohne offensichtliche Risikofaktoren
  • Familienanamnese Familienanamnese Vorsorgeuntersuchungen und Prävention im Erwachsenenalter einer Thrombophilie
  • Thrombose an ungewöhnlichen Stellen
  • Arterielle Thrombose
  • Wiederkehrender Schwangerschaftsverlust
  • Anamnese von Warfarin-induzierter Hautnekrose

Untersuchung auf bestimmte Erkrankungen

Wenn Patient*innen eines der oben genannten Kriterien für eine Thrombophilie-Abklärung erfüllen, können die folgenden Tests zum Screening auf spezifische erbliche Thrombophilien angeordnet werden:

  • Faktor V Leiden: aktivierter Protein-C-Resistenztest
  • Prothrombin-Genvariante: molekulare Analyse des Prothrombin-Gens
  • Antithrombin Antithrombin Antikoagulanzien: Antithrombin-Heparin-Cofaktor-Assay
  • Proteins C: Funktionsassay zum Nachweis quantitativer und qualitativer Defekte
  • Protein S:
    • Freier Protein-S-Antigen-Assay
    • Protein-S-Funktionsassay
  • Antiphospholipid-Syndrom Antiphospholipid-Syndrom Antiphospholipidsyndrom: Serologien zum Nachweis von Antikörpern
    • Anticardiolipin-Antikörper
    • β2 -Glykoprotein-Antikörper
    • Lupus-Antikoagulans

Hinweis: Akute Thrombosen und/oder Antikoagulanzien Antikoagulanzien Antikoagulanzien können die Plasmakonzentrationen von Antithrombin Antithrombin Antikoagulanzien, Protein C und Protein S reduzieren.

Therapie

Therapie vor einem 1. thrombotischen Ereignis

Bei Patient*innen mit bekannter erblicher Thrombophilie oder mit Risikofaktoren für eine Thrombose:

Therapie bei akuten thrombotischen Ereignissen

Die Antikoagulation ist die tragende Säule der Therapie bei thrombotischen Ereignissen. Zu den Optionen für eine anfängliche Antikoagulation gehören:

  • Unfraktioniertes Heparin Unfraktioniertes Heparin Antikoagulanzien (UFH)
  • Subkutanes niedermolekulares Heparin (NMH)
  • Subkutanes Fondaparinux (indirekter Faktor-Xa-Hemmer)
  • Orales Rivaroxaban oder Apixaban (direkte Faktor-Xa-Hemmer)
  • Hinweis: Warfarin Warfarin Antikoagulanzien (Vitamin-K-Antagonist) sollte nicht als Monotherapie zur Erstbehandlung verwendet werden.

Dauer der Therapie:

  • Beginn nach Diagnosestellung
  • Üblicherweise für 3–6 Monate, individuell länger möglich

Prophylaxe nach einem thrombotischen Ereignis

  • Fortlaufende prophylaktische Antikoagulation bei:
    • Vererbte Thrombophilie und Anamnese eines thrombotischen Ereignisses
    • Nicht modifizierbare Ursachen der Hyperkoagulabilität (z.B. Malignität)
  • Patientinnen ohne Schwangerschaftswunsch:
    • Warfarin-Therapie (Ziel INR: 2–3)
    • Rivaroxaban oder Apixaban
  • Patientinnen mit Schwangerschaftswunsch:
  • Bei Patient*innen mit Kontraindikationen für eine Antikoagulation (z.B. schwere Blutungsdiathese, geplante Operationen mit hohem Blutungsrisiko): Filter der unteren Hohlvene ( Vena cava inferior Vena cava inferior Mediastinum und große Gefäße)

Quellen

  1. Bauer, K. (2020). Evaluating adult patients with established venous thromboembolism for acquired and inherited risk factors. https://www.uptodate.com/contents/evaluating-adult-patients-with-established-venous-thromboembolism-for-acquired-and-inherited-risk-factors (Zugriff am 01.05.2021)
  2. Bauer, K. (2021). Overview of the causes of venous thrombosis. https://www.uptodate.com/contents/overview-of-the-causes-of-venous-thrombosis (Zugriff am 01.05.2021)
  3. Lip, G. (2020). Overview of the treatment of lower extremity deep vein thrombosis (DVT).  https://www.uptodate.com/contents/overview-of-the-treatment-of-lower-extremity-deep-vein-thrombosis-dvt (Zugriff am 01.05.2021)
  4. Lip, G. (2021). Selecting adult patients with lower extremity deep venous thrombosis and pulmonary embolism for indefinite anticoagulation. https://www.uptodate.com/contents/selecting-adult-patients-with-lower-extremity-deep-venous-thrombosis-and-pulmonary-embolism-for-indefinite-anticoagulation (Zugriff am 01.05.2021)
  5. Thomas, R.H. (2001). Hypercoagulability syndromes. Arch Intern Med 161:2433–2439.
  6. Schick, P. (2020). Hereditary and acquired hypercoagulability. Medscape. https://emedicine.medscape.com/article/211039-overview (Zugriff am 04.05.2021)
  7. Olivieri, M., Bidlingmaier, C., Kurnik, K. (2014). Thrombosen und Thrombophilie. In: Reinhardt, D., Nicolai, T., Zimmer, KP. (eds) Therapie der Krankheiten im Kindes- und Jugendalter. Springer, Berlin, Heidelberg.
  8. Kemkes-Matthes B. (2014) Thrombophile Diathesen. DGIM Innere Medizin. Springer Medizin. e.Medpedia. https://www.springermedizin.de/emedpedia/dgim-innere-medizin/thrombophile-diathesen?epediaDoi=10.1007%2F978-3-642-54676-1_99 (Zugriff am 07.02.2023)
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