Hypoaldosteronismus

Hypoaldosteronismus

Hypoaldosteronismus ist eine hormonelle Störung, die durch einen niedrigen Aldosteronspiegel gekennzeichnet ist. Diese niedrigen Spiegel können durch eine verminderte Aldosteronproduktion oder eine periphere Aldosteronresistenz verursacht werden. Tritt ein Hypoaldosteronismus als Folge einer erworbenen Abnahme der Reninproduktion auf, wird die Erkrankung meist als renale tubuläre Azidose Renale tubuläre Azidose Renale tubuläre Azidose (RTA) Typ 4 bezeichnet. Betroffene sind in der Regel älter und haben eine Nierenerkrankung (z. B. diabetische Nephropathie Diabetische Nephropathie Chronische Komplikationen bei Diabetes mellitus). Hypoaldosteronismus präsentiert sich normalerweise mit Hyperkaliämie Hyperkaliämie Hyperkaliämie und einer leichten hyperchlorämischen metabolischen Azidose (normale Anionenlücke). Häufig sind Betroffene asymptomatisch und eine routinemäßige Laboruntersuchung zeigt eine Hyperkaliämie Hyperkaliämie Hyperkaliämie, die im folgenden zu einer weiteren Abklärung führt. Die Diagnose wird durch Serum- und Urinuntersuchungen gestellt, die neben anderen charakteristischen Befunden einen reduzierten Aldosteronspiegel und einen reduzierten transtubulären Kaliumgradienten nachweisen. Die Therapie basiert auf der zugrunde liegenden Ätiologie.

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

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Ätiologie und Pathophysiologie

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Definition

Als Hypoaldosteronismus bezeichnet man eine pathologisch verminderte Aldosteronsekretion aus der Zona glomerulosa der Nebennierenrinde, primärer oder sekundärer Ursache.

Epidemiologie

Die genaue Häufigkeit ist nicht bekannt.
Alter bei Diagnosestellung:
- Tritt im Allgemeinen bei älteren Erwachsenen (> 50 Jahre) auf
- Kann bei Kindern mit Grunderkrankungen (z. B. Diabetes mellitus Diabetes Mellitus Diabetes Mellitus, Sichelzellenanämie Sichelzellenanämie Sichelzellkrankheit) auftreten
Verhältnis Männer : Frauen 1:1

Ätiologie und Pathophysiologie

Physiologischer Hintergrund

Aldosteron wird direkt stimuliert durch:
- Angiotensin II
- Hyperkaliämie Hyperkaliämie Hyperkaliämie
Renin-Angiotensin-Aldosteron-System Renin-Angiotensin-Aldosteron-System Hormone der Nebenniere (RAAS):
- Renin (von den juxtaglomerulären Zellen sezerniert) → wandelt Angiotensinogen (von Hepatozyten Hepatozyten Leber sezerniert) in Angiotensin I um
- ACE (vom Lungengefäßendothel sezerniert) → wandelt Angiotensin I in Angiotensin II um
- Angiotensin II → stimuliert die Freisetzung von Aldosteron (sekretiert von der Zona glomerulosa in der Nebennierenrinde)
Faktoren, die normalerweise zu einer Aktivierung des RAAS (und damit ↑ Aldosteron) führen:
- ↓ Blutdruck oder Blutvolumen
- ↓ Natriumzufuhr zur Niere
- ↑ Sympathikotonus
Wirkungen von Aldosteron:
- Stimulation der Produktion der folgenden Proteine Proteine Proteine und Peptide in den Hauptzellen der distalen Nierentubuli:
  - Na ⁺ /K ⁺ ATPase auf der basolateralen Seite
  - ENaC (epitheliale Natriumkanäle) auf der Lumenseite: ermöglicht die Rückresorption von Na ⁺ aus dem Lumen in die Hauptzellen
  - ROMK-Kanal (Kaliumkanal des äußeren Nierenmarks) auf der Lumenseite: ermöglicht die Ausscheidung von K ⁺ in den Urin
- Stimulation der Na⁺-Resorption aus den Nierentubuli:
  - Wasser folgt dem Na ⁺.
  - Erzeugt einen negativen elektrischen Gradienten über das Lumen und fördert die Sekretion von K ⁺ und H ⁺ in den Urin

Wirkung von Aldosterone — Wirkungen von Aldosteron auf die Hauptzellen in den distalen Nierentubuli
Image by Lecturio.

Ätiologie

Die 2 Hauptmechanismen, die einen Hypoaldosteronismus verursachen, sind eine reduzierte Aldosteronproduktion (die hyporeninämisch oder hyperreninämisch sein kann) und Aldosteronresistenz. Medikamente sind häufig die Ursache beider Mechanismen.

Mechanismus	Ätiologie
Reduzierte Aldosteronsynthese durch ↓-Stimulation des RAAS: Hyporeninämischer Hypoaldosteronismus (auch als renale tubuläre Azidose Renale tubuläre Azidose Renale tubuläre Azidose Typ 4 (RTA) bezeichnet)	Nierenerkrankung: Diabetische Nephropathie Diabetische Nephropathie Chronische Komplikationen bei Diabetes mellitus (am häufigsten) Chronische interstitielle Nephritis Akute Glomerulonephritis Glomerulonephritis Membranoproliferative Glomerulonephritis Hypervolämie Hypervolämie Natrium- und Wasserregulation durch die Niere Autonome Neuropathie Systemische Grunderkrankung: Sichelzellenanämie Sichelzellenanämie Sichelzellkrankheit Systemischer Lupus erythematodes Systemischer Lupus erythematodes Systemischer Lupus erythematodes (SLE) HIV HIV Retroviren: HIV NSAR
Reduzierte Aldosteronsynthese aufgrund einer Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz und Morbus Addison Hyperreninämischer Hypoaldosteronismus	Primäre Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz und Morbus Addison ( Morbus Addison Morbus Addison Nebenniereninsuffizienz und Morbus Addison) Chronische Heparintherapie Schwere Grunderkrankung Absetzen von Mineralocorticoiden nach längerer Einnahme Kongenitale oder genetische Anomalien: Kongenitale Nebennierenhyperplasie (21-Hydroxylase-Mangel) Isolierter (primärer) Hypoaldosteronismus (CYP11B2 -Defekt) Nebennierenhypoplasie
Aldosteronresistenz (Psudohypoaldosteronismus)	Genetische Anomalien in den Mineralocorticoid-Rezeptoren Obstruktive Uropathien Calcineurin-Inhibitoren

Pathophysiologie

↓ Aldosteron resultiert in:
- ↑ Serum K ⁺ (↓ Ausscheidung von K⁺ mit dem Urin)
- Metabolische Azidose Metabolische Azidose Metabolische Azidose (↓Ausscheidung von H⁺ mit dem Urin): renale tubuläre Azidose Renale tubuläre Azidose Renale tubuläre Azidose Typ 4
- ↓ Serum Na⁺ (↑ Ausscheidung von Na⁺ mit dem Urin)
- Hypovolämie und Hypotonie Hypotonie Hypotonie
Typ 4 RTA:
- ↑ K ⁺ → hemmt die renale Ammoniaksynthese und die Ammoniakausscheidung im Urin
- ↓ Ammoniakausscheidung im Urin → leichte metabolische Azidose Metabolische Azidose Metabolische Azidose (Typ 4 RTA)
Mechanismen des arzneimittelinduzierten Hypoaldosteronismus:
- Medikamente, die eine verminderte Aldosteronsynthese oder -sekretion verursachen:
  - ACE-Hemmer/AT1-Rezeptorantagonist
  - Heparin (direkte toxische Wirkung auf die Zellen der Zona glomerulosa der Nebennieren Nebennieren Nebennieren)
  - NSAIDs NSAIDs Nichtsteroidale Antirheumatika/Antiphlogistika/COX-2-Hemmer
  - Betablocker Betablocker Antiarrhythmika der Klasse II
- Inhibierung von Aldosteron-Effekten:
  - Aldosteron-Rezeptor-Antagonisten: Spironolacton, Eplerenon
  - ENaC-Hemmer: Amilorid, Trimethoprim Trimethoprim Sulfonamide und Trimethoprim, Pentamidin
- Induktion einer Aldosteronresistenz : Calcineurininhibitoren Cyclosporin und Tacrolimus Tacrolimus Immunsuppressiva

Klinik

In der Regel asymptomatisch (bei routinemäßiger Laboruntersuchung entdeckt)
Hyperkaliämie Hyperkaliämie Hyperkaliämie (> 5 mmol/l) kann vorliegen mit:
- Herzrhythmusstörungen
- Muskelschwäche
Hyponatriämie Hyponatriämie Hyponatriämie (< 135 mmol/l):
- Häufiger bei Kindern und Personen mit Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz und Morbus Addison
- Kann auftreten mit:
  - Polyurie Polyurie Kaliumregulation durch die Niere
  - Dehydration Dehydration Volumenmangel und Dehydration
  - Übelkeit und Erbrechen Erbrechen Erbrechen im Kindesalter
  - Neurologische Symptome: Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Verwirrtheit, Lethargie, Krampfanfälle Krampfanfälle Krampfanfälle im Kindesalter
Klinische Symptome, die auf Begleiterkrankungen hinweisen (z. B. Sichelzellenanämie Sichelzellenanämie Sichelzellkrankheit, Systemischer Lupus erythematodes Systemischer Lupus erythematodes Systemischer Lupus erythematodes, Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz und Morbus Addison)

Diagnostik

Die Diagnose eines Hypoaldosteronismus sollte bei jeder Person mit anhaltender Hyperkaliämie Hyperkaliämie Hyperkaliämie ohne offensichtliche Ursache, wie Nierenversagen oder kaliumsparenden Diuretika Diuretika Medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz und der Angina pectoris, in Betracht gezogen werden.

Aldosteron-spezifische Untersuchungen:
- Serumaldosteron:
  - ↓ In allen Fällen von echtem Hypoaldosteronismus
  - ↑ Bei Pseudohypoaldosteronismus (Aldosteronresistenz)
- Plasma-Renin-Aktivität (PRA) :
  - ↓ Bei Typ-4-RTA (hyporeninämischer Hypoaldosteronismus)
  - ↑ Bei primärer Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz und Morbus Addison
- Transtubulärer Kaliumgradient (TTKG) :
  - TTKG =K-Urin × Osmol-Plasma / K-Plasma × Osmol-Urin (K-Plasma/Urin= Kaliumkonzentration in Plasma Plasma Transfusionsprodukte und Urin; Osmol-Plasma/Urin= Plasma- und Urin-Osmolalität)
  - Werte <7 bei Hyperkaliämie Hyperkaliämie Hyperkaliämie oder <5 bei grenzwertig erhöhtem Kalium sprechen für einen Hypoaldosteronismus
- Serumcortisol : zum Screening auf Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz und Morbus Addison
  - ↓ Bei Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz und Morbus Addison
  - Normal bei isoliertem Hypoaldosteronismus
Bei RTA Typ 4 (hyporeninämischer Hypoaldosteronismus) zeigen Laboruntersuchungen:
- Aldosteron-spezifische Befunde:
  - ↓ Serumaldosteron
  - ↓PRA
  - ↓TTKG
- Weitere Befunde:
  - Metabolische Azidose Metabolische Azidose Metabolische Azidose ohne Anionenlücke
  - ↓ Serum HCO ₃ (normalerweise nur mild)
  - ↑K ⁺
  - ↑ Cl ^–
  - Marker einer ↓ Nierenfunktion sind häufig erhöht (z. B. ↑ Kreatinin)
- Urinbefund:
  - ↓K ⁺
  - Normale Phosphatwerte
  - Normale oder ↓ Calciumwerte
  - Urin-pH < 5,3‒5,5
Elektrokardiogramm Elektrokardiogramm Normales Elektrokardiogramm (EKG) (aufgrund von ↑ kardialen Risiken im Zusammenhang mit Hyperkaliämie Hyperkaliämie Hyperkaliämie)
Untersuchungen zum Ausschluss von Begleiterkrankungen, falls vermutet:
- 17-Hydroxyprogesteron (kongenitale Nebennierenhyperplasie)
- HIV HIV Retroviren: HIV Test

Therapie

Die Therapie ist abhängig von der zugrunde liegenden Ätiologie.

Medikamenteninduziert: Medikamente, die möglicherweise ursächlich sind, möglichst absetzen/Dosisanpassung.
Typ-4-RTA(hyporeninämischer Hypoaldosteronismus):
- Kaliumarme Ernährung
- Schleifen- oder Thiaziddiuretika Thiaziddiuretika Thiaziddiuretika
- Ggf. Alkalisierung, wenn sich die Azidose nicht bessert
- Eine Mineralokortikoidsubstitution wird nicht empfohlen, da bei vielen Betroffenen Grunderkrankungen (z. B. Ödeme, Bluthochdruck) vorliegen, die sich verschlimmern würden.
Primäre Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz und Morbus Addison und kongenitale Nebennierenhyperplasie:
- Mineralocorticoide-Ersatz: Fludrocortison Fludrocortison Fludrocortison (Mineralocorticoid)
- Glukokortikoid-Ersatz: Hydrocortison Hydrocortison Immunsuppressiva oder Prednison
Hyperkaliämie Hyperkaliämie Hyperkaliämie mit EKG-Veränderungen: Notfalltherapie der Hyperkaliämie Hyperkaliämie Hyperkaliämie

Klinische Relevanz

Kongenitale Nebennierenhyperplasie: Gruppe autosomal-rezessiv vererbter Erkrankungen mit einer genetischen Mutation, die zu einem Enzymmangel führt, der für die Cortisol- und/oder Aldosteronsynthese erforderlich ist.
Morbus Addison Morbus Addison Nebenniereninsuffizienz und Morbus Addison: auch als primäre Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz und Morbus Addison bezeichnet. Definiert durch unzureichende Produktion von Nebennierenrindenhormonen, einschließlich Glukokortikoiden, Mineralokortikoiden und Androgenen. Die primäre Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz Nebenniereninsuffizienz und Morbus Addison wird durch Erkrankungen der Drüse selbst verursacht. Klassische Befunde sind Hyperpigmentierung der Schleimhäute und der Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion, Hypotonie Hypotonie Hypotonie und gastrointestinale Symptome.
Diabetische Nephropathie Diabetische Nephropathie Chronische Komplikationen bei Diabetes mellitus: Diabetes mellitus Diabetes Mellitus Diabetes Mellitus bezeichnet eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen, die durch chronische Hyperglykämie Hyperglykämie Diabetes Mellitus und Insulinresistenz gekennzeichnet sind. Ein langjähriger Diabetes mellitus Diabetes Mellitus Diabetes Mellitus verursacht Gefäßveränderungen, die schließlich zu kardiovaskulären, renalen, retinalen und neurologischen Komplikationen führen.
Hyperkaliämie Hyperkaliämie Hyperkaliämie: definiert als erhöhter Serumkaliumspiegel (> 5,5 mmol/l). Die Erkrankung ist in der Regel ein Zufallsbefund in der Allgemeinbevölkerung, betrifft aber 10 % der hospitalisierten Patienten. Es gibt zahlreiche Ätiologien, darunter transzelluläre Verschiebungen, Gewebsuntergang, unzureichende Elimination und medikamenteninduzierte Ursachen. Die Betroffenen sind in der Regel asymptomatisch.
Hyponatriämie Hyponatriämie Hyponatriämie: definiert als eine verringerte Natriumkonzentration im Plasma Plasma Transfusionsprodukte (< 135 mmol/l). Dieser Zustand tritt entweder durch Natriumverlust oder überschüssiges Wasser in der extrazellulären Flüssigkeit auf.
Renale tubuläre Azidose Renale tubuläre Azidose Renale tubuläre Azidose (RTA): Akkumulation von Säure im Körper aufgrund angeborener oder erworbener Störungen der renalen Säureausscheidung. Die Erkrankung wird in 4 Subtypen eingeteilt.

Quellen

Williams, G. H., Dluhy, R.G. (2008). Disorders of the adrenal cortex. In Fauci, A. S., Braunwald, E., Kasper, D.L., et al. (Eds.). Harrison’s Internal Medicine. 17th Ed., p. 2266.
Rajkumar, V. (2021). Hypoaldosteronism. In Waseem, M. (Ed.). StatPearls. Zugriff am 10. März 2021, von https://www.statpearls.com/ArticleLibrary/viewarticle/23254
Sondheimer, J. H. (2020). Hyporeninemic hypoaldosteronism. In Batuman, V. (Ed.). Medscape. Zugriff am 10. März 2021, von https://emedicine.medscape.com/article/242494-overview
Young, W. F. (2019). Etiology, diagnosis, and treatment of hypoaldosteronism (type 4 RTA). In Forman, J. P. (Ed.). UpToDate. Zugriff am 10. März 2021, von https://www.uptodate.com/contents/etiology-diagnosis-and-treatment-of-hypoaldosteronism-type-4-rta
Thieme Connect, Hypoaldosteronismus, Autor: C. J. Olbricht, https://www.thieme-connect.de/products/ebooks/pdf/10.1055/b-0033-4049.pdf, aufgerufen am 24.06.22