Kopfschmerz vom Spannungstyp (Spannungskopfschmerzen)

Kopfschmerzen vom Spannungstyp sind die häufigste Form der primären Kopfschmerzerkrankungen und eine der häufigsten Erkrankungen überhaupt. Sie werden im Allgemeinen als bilateral, nicht pochend und von leichter bis mittelschwerer Intensität beschrieben. Meist liegen keine Begleitsymptome, wie eine Aura, Photo- oder Phonophobie Phonophobie Spezifische Phobien und Übelkeit oder Erbrechen Erbrechen Erbrechen im Kindesalter, vor. Die Diagnose wird klinisch gestellt und die Behandlung besteht aus der Gabe von Analgetika wie NSAIDs NSAIDs Nichtsteroidale Antirheumatika/Antiphlogistika und Aspirin Aspirin Nichtsteroidale Antirheumatika/Antiphlogistika während einer Kopfschmerzepisode und Präventivmaßnahmen wie Verhaltensänderungen, Biofeedback-Training und präventiver Medikamentengabe bei chronischem Kopfschmerz vom Spannungstyp.

Aktualisiert: 18.04.2023

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

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Überblick

Definition

Ein Kopfschmerzanfall wird durch die folgenden Merkmale definiert:

  • Leichte bis mittlere Intensität
  • Bilateral
  • Nicht pochend
  • Mit oder ohne perikranielle Schmerzempfindlichkeit
  • Wird nicht durch körperliche Aktivität verstärkt
  • Im Allgemeinen ohne andere Begleitsymptome:

Klassifikation

Drei primäre Kopfschmerzerkrankungen:

  1. Migräne Migräne Migräne
  2. Trigeminoautonome Kopfschmerzen (Cluster-Kopfschmerz, Paroxysmale Hemikranie, SUNCT-Syndrom)
  3. Kopfschmerzen vom Spannungstyp

Drei Subtypen von Spannungskopfschmerzen:

  1. Sporadisch auftretender episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp: ≤ 1 Kopfschmerztag pro Monat
  2. Häufig auftretender episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp: 2–14 Kopfschmerztage pro Monat
  3. Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp: ≥ 15 Kopfschmerztage pro Monat

Epidemiologie

  • Häufigste Kopfschmerzen in der Allgemeinbevölkerung
  • Lebenszeitprävalenz von > 90 %
  • Frauen > Männer
  • Häufigster Subtyp: sporadisch, episodisch

Pathophysiologie

Die Pathophysiologie des Kopfschmerzes vom Spannungstyp ist multifaktoriell bedingt. Die genauen Mechanismen sind jedoch weitgehend unbekannt. Schmerzmechanismen sind dynamisch und variieren von Person zu Person.

Peripherieaktivierung

Aktivierung myofaszialer Nozizeptoren durch Exposition gegenüber schädlichen Umweltreizen:

  • Wahrscheinlicher Mechanismus bei sporadisch auftretenden episodischen Kopfschmerz vom Spannungstyp
  • Umweltstimuli können umfassen (sind aber nicht beschränkt auf):
    • Stress und Belastung
    • Psychische/emotionale Anspannung
    • Helles Licht
    • Laute Geräusche
    • Gerüche
    • Hunger
    • Schwankungen der Umgebungstemperatur
    • Mützen/Stirnbänder/Pferdeschwänze
    • Suboptimale/falsche Sehkorrektur
    • Perikranielle Muskelspannung

Periphere Sensibilisierung

Sensibilisierung myofaszialer Nozizeptoren:

  • Aufgrund anhaltender Exposition gegenüber schädlichen Umweltreizen
  • Niedrigere Schmerzschwelle für normalerweise schädliche Reize
  • Entwicklung latenter Triggerpunkte in der perikraniellen Muskulatur
  • Wahrscheinlicher Mechanismus bei häufigem episodischem Kopfschmerz vom Spannungstyp
  • Sprungbrett zur Entwicklung chronischer Kopfschmerzen vom Spannungstyp

Zentrale Sensibilisierung

Sensibilisierung von Schmerzbahnen im Zentralnervensystem:

  • Wahrscheinlicher Mechanismus bei chronischem Kopfschmerz vom Spannungstyp
  • Aufgrund verlängerter nozizeptiver Reize aus peripher sensibilisiertem perikraniellem myofaszialen Gewebe
  • Niedrigere Schmerzschwelle für normalerweise schädliche Reize (Überempfindlichkeit)
  • Normalerweise werden harmlose Reize als Schmerz (Allodynie) fehlinterpretiert:
    • Erleichterte Schmerzübertragung am Rückenmarkshorn/Trigeminuskern
    • Verminderte Hemmung der Schmerzübertragung am Rückenmarkshorn/Trigeminuskern
    • Erhöhte perikranielle Muskelaktivität

Genetische Faktoren

Genetische Faktoren spielen nachweislich eine Rolle bei der Pathogenese des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp.

  • Verwandte ersten Grades von Personen mit chronischem Kopfschmerz vom Spannungstyp haben ein > 3-faches Risiko für chronische Kopfschmerzen vom Spannungstyp.
  • Multifaktorielles Vererbungsmuster wird vermutet, ist aber nicht bewiesen

Klinik

Kopfschmerz vom Spannungstyp kann mit großen Variationen in Häufigkeit und Intensität zwischen einzelnen Personen, bei derselben Person im Laufe der Zeit und von einer Attacke zur nächsten bei derselben Person auftreten.

Anamnese

  • Klassische Schmerzdeskriptoren:
    • Dumpf
    • Druck
    • Holozephal
    • Wie eine enge Mütze
    • Bandartig
    • Schweres Gewicht auf Kopf oder Schultern
  • Merkmale:
    • Typischerweise bilateral
    • Dauer von 30 Minuten bis zu mehreren Tagen
    • Wird nicht durch körperliche Aktivität verschlechtert
    • Perikranielle Muskelspannung
    • Vorhandensein von myofaszialen Triggerpunkten

Körperliche Untersuchung

  • Verspannung der perikraniellen Muskulatur:
    • M. frontalis
    • M. temporalis
    • M. orbicularis oculi
  • Extrakranielle Schmerzempfindlichkeit:
    • M. masseter
    • M. pterygoideus
    • M. sternocleidomastoideus
    • M. splenius
    • M trapezius
  • Vorhandensein von myofaszialen Triggerpunkten (perikraniell oder extrakraniell)
Darstellung der Lokalisation verschiedener Formen von Kopfschmerzen

Darstellung der Lokalisation verschiedener Formen von Kopfschmerzen
TMJ (temporomandibular joint): Kiefergelenk (englisches Akronym)

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Diagnostik

Diagnosekriterien

  • > 10 Episoden, Länge 30min-mehrere Tage, mindestens 2 der folgenden Kennzeichen:
    • Bilaterales Auftreten (meist holozephal)
    • Drückend und dumpf (nicht pulsierend)
    • Leichte oder mittlere Intensität
    • Keine Verschlimmerung durch routinemäßige körperliche Aktivität (Gehen, Treppensteigen)
  • Weitere Kriterien:
  • Klassifizierung nach Chronizität:
    • Sporadisch auftretender episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp: ≤ 1 Kopfschmerztag pro Monat
    • Häufig auftretender episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp: 2–14 Kopfschmerztage pro Monat
    • Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp: ≥ 15 Kopfschmerztage pro Monat

Labordiagnostik

Eine Laborbewertung ist nur in den folgenden Fällen indiziert:

  • Verdacht auf infektiöse Prozesse
  • Verdacht auf Organdysfunktion
  • Verdacht auf Volumenstörungen
  • Verdacht auf Elektrolytentgleisung

Labordiagnostik sollte spezifisch für die vermutete(n) zugrunde liegende(n) Ursache(n) eingesetzt werden:

  • Verdacht auf infektiöse Prozesse:
    • Blutbild
    • Liquordiagnostik
  • Verdacht auf Organdysfunktion:
    • Herzmarker
    • BUN, Kreatinin (Nierenfunktion)
    • AST/ALT (Leberfunktion)
  • Verdacht auf Volumenstörungen:
    • BUN/Kreatinin (Nierenfunktion)
    • AST/ALT (Leberfunktion)
    • BNP (zeigt Herzinsuffizienz an)
    • Schilddrüsenparameter
  • Vermutete Elektrolytverschiebungen: Blutgasanalyse

Bildgebende Verfahren

Die Bildgebung ist nur in den folgenden Fällen indiziert:

  • Red-flag-Symptome
  • Fokale neurologische Ausfälle
  • Kopfschmerzen passen nicht zu primären Kopfschmerzerkrankungen.

Bildgebende Verfahren:

  • MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns mit und ohne Kontrastmittel ist bestes diagnostisches Verfahren.
  • Die CT ist schneller bei der Triage von vermuteten akuten intrakraniellen Blutungen.

Therapie

Therapie während einer Kopfschmerzepisode

Präventive Therapie

Differentialdiagnosen

  • Cluster-Kopfschmerz: Primärer Kopfschmerz, der stark und einseitig ist, oft um das Auge herum, mit einer Dauer von Minuten bis zu 3 Stunden. Häufiger bei Männern. Die Patient*innen stellen sich typischerweise mit begleitenden autonomen Symptomen wie verstopfte Nase Nase Anatomie der Nase und Schwellungen oder Tränen des Auges vor. Die Diagnose erfolgt klinisch anhand der typischen Symptome. Die Therapie umfasst die Verabreichung von Sauerstoff und Triptanen sowie die Vermeidung von Auslösern wie Rauchen und Alkohol.
  • Migräne Migräne Migräne: gehört zu den primären Kopfschmerzen. Im Allgemeinen als einseitig und pochend beschrieben und mit neurologischen Symptomen wie Übelkeit und/oder Licht- und Geräuschempfindlichkeit verbunden. Migräneattacken dauern zwischen 4 und 72 Stunden und treten häufiger bei Frauen auf. Die Patient*innen können vor dem Einsetzen der Kopfschmerzen eine Aura verspüren, wie z. B. visuelle Phänomene, Kribbeln der Haut Haut Haut: Aufbau und Funktion oder Schwierigkeiten beim Sprechen. Die Diagnose erfolgt klinisch anhand der typischen Symptome. Die Therapie umfasst die Vermeidung von lauten Geräuschen und Licht sowie die Gabe von einfachen Schmerzmitteln und/oder Triptanen.
  • Kopfschmerzen bei Medikamentenübergebrauch: auch Rebound-Kopfschmerz genannt. Eine Art sekundärer Kopfschmerz bei Patient*innen, die trotz oder wegen der regelmäßigen Einnahme von Kopfschmerzmedikamenten häufig oder täglich Kopfschmerzen haben. Dem Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch geht in der Regel eine episodische primäre Kopfschmerzerkrankung voraus, die mit übermäßigen Mengen abortiver Medikamente, insbesondere Kombinationspräparaten mit Koffein Koffein Stimulanzien und Codein, behandelt wurde. Die Behandlung umfasst eine schrittweise Reduzierung der Dosis.
  • Zervikogener Kopfschmerz: Kopfschmerz, der durch ausstrahlende Schmerzen der oberen Halsgelenke verursacht wird. Typischerweise einseitig, mittlere bis starke Intensität, verstärkt durch Kopfbewegungen, mit Strahlung vom Hinterkopf in den Frontalbereich. Die Diagnose erfolgt klinisch anhand typischer Symptome. Die Therapie umfasst einfache Analgetika, physikalische Therapie, Nervenblockaden oder Wirbelsäulenmanipulation.
  • Sinuskopfschmerz: Kopfschmerz, der im Rahmen einer akuten oder chronischen Sinusitis Sinusitis Sinusitis (Rhinosinusitis) auftritt. Der Schmerz wird typischerweise als konstant und tief im Bereich der Wangen, der Stirn oder des Nasenrückens beschrieben. Sinuskopfschmerz ist mit Symptomen wie einer laufenden Nase Nase Anatomie der Nase, Schwellungen oder Tränen der Augen und Fieber Fieber Fieber verbunden. Die Behandlung umfasst abschwellende Mittel, Antihistaminika Antihistaminika Antihistaminika bei Allergien und Antibiotika bei Vorliegen einer bakteriellen Infektion.

Quellen

  1. Taylor F. (2020). Tension-type headache in adults: Pathophysiology, clinical features, and diagnosis. https://www.uptodate.com/contents/tension-type-headache-in-adults-pathophysiology-clinical-features-and-diagnosis (Zugriff am 18. Juli 2021).
  2. Taylor F. (2020). Tension-type headache in adults: Acute treatment. https://www.uptodate.com/contents/tension-type-headache-in-adults-acute-treatment (Zugriff am 18. Juli 2021).
  3. Taylor F. (2020). Tension-type headache in adults: Preventive treatment. https://www.uptodate.com/contents/tension-type-headache-in-adults-preventive-treatment (Zugriff am 18. Juli 2021).
  4. American Migraine Foundation. Tension-type headache. https://americanmigrainefoundation.org/resource-library/tension-type-headache/ (Zugriff am 18. Juli 2021).
  5. Wick, A., Rizos, T. (2018). Kopfschmerzen und Gesichtsneuralgien. In: Hacke, W. Neurologie. 14. Auflage. Berlin: Springer. S. 443-465.
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