Normaldruckhydrozephalus

Überblick

Definition

Normaldruckhydrozephalus (Normal Pressure Hydrocephalus, NPH) ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch die Trias von Demenz Demenz Demenz: Schwerwiegende neurokognitive Störungen, progressiven Ganganomalien und Harndrang oder Inkontinenz gekennzeichnet ist.

Epidemiologie

• Häufigste Form des Hydrozephalus Hydrozephalus Hydrozephalus bei Kindern bei Erwachsenen
• Inzidenz: ca. 5 Fälle/100.000 Einwohner*innen pro Jahr nach konservativen Schätzungen. NPH ist ein eher unterdiagnostiziertes und unzureichend behandeltes Krankheitsbild.
• Die Prävalenz steigt mit dem Alter, in der Regel > 60 Jahre:
• ca. 20 Fälle/100.000 Einwohner
• Stellt etwa 6 % aller Demenzfälle dar
• Gleich häufig bei Frau* und Mann*

Ätiologie

• Idiopathisch (Insb. > 60 Jahre): aufgrund einer Kombination von Mechanismen
• Sekundäre Ursachen (jedes Alter):
  • Am häufigsten: intraventrikuläre und subarachnoidale Blutung
  • Akute oder chronische Meningitis Meningitis Meningitis
  • Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
  • Paget-Krankheit (selten)

Pathophysiologie

Die Pathophysiologie der NPH ist noch unklar.

• Mögliche beitragende Mechanismen:
  • Subklinischer angeborener Hydrozephalus Hydrozephalus Hydrozephalus bei Kindern
  • Hyperdynamischer Fluss von Liquor
  • Reduzierte Compliance des Subarachnoidalraums
  • Verminderte Rückresorption von Liquor
  • Reduzierter zerebraler Blutfluss
  • Erhöhter zentraler Venendruck
• Konsequenzen:
  • Craniale Ansammlung von Liquor
  • Erhöhter Hirndruck ( ICP ICP Erhöhter intrakranieller Druck (ICP)) → Kompression der kortikospinalen Traktfasern (in der Nähe der Seitenventrikel) und des Hirnstamms (Pedunculopontinus-Kern) → Ganganomalien
  • Erweiterung der Ventrikel → schlechte interstitielle Durchblutung und Ischämie → Druck des cerebralen Kortex gegen die Knochen Knochen Aufbau der Knochen des Schädeldachs → Demenz Demenz Demenz: Schwerwiegende neurokognitive Störungen
  • Kompression der periventrikulären sakralen Fasern des kortikospinalen Trakts → Verlust der supraspinalen Kontrolle der Blasenkontraktion → Harninkontinenz Harninkontinenz Harninkontinenz

Klinik und Diagnose

Familienmitglieder oder Betreuer können Veränderungen der Persönlichkeit und/oder des Verhaltens sowie häufiges Wasserlassen oder Inkontinenz melden.

Klinik

• Klassischer Symptomen-Trias:
  • Progressive Ganganomalien
  • Demenz Demenz Demenz: Schwerwiegende neurokognitive Störungen
  • Harndrang und/oder Inkontinenz
  • Mnemonik:
    • „Nass, verrückt und wackelig“ = Inkontinenz, Demenz Demenz Demenz: Schwerwiegende neurokognitive Störungen und Gangstörungen
    • „AID“ = Ataxie Ataxie Ataxie-Teleangiektasien, Inkontinenz und Demenz Demenz Demenz: Schwerwiegende neurokognitive Störungen
• Ganganomalien:
  • Erstes und häufigstes Symptom
  • Schlurfen oder breitangelegte Gangart
  • Außenrotation der Füße
  • Mehrstufige Drehungen
  • Einfrieren des Ganges
• Demenz Demenz Demenz: Schwerwiegende neurokognitive Störungen:
  • Funktionsstörung der Exekutive
    • Komplexe Prozesse, die die Integration komplexer, zielorientierter Aufgaben und Verhaltensweisen erfordern
    • Schlechtes Urteilsvermögen
    • Desorganisation
    • Sozial unangemessenes Verhalten
  • Psychomotorische Retardierung
  • Reduzierte Aufmerksamkeit und Konzentration
  • Apathie
• Harndrang und/oder Inkontinenz:
  • Ganganomalien können den dringenden Gang zur Toilette beeinträchtigen.
  • Spätere Stadien → keine Sorge wegen Inkontinenz
• Nicht bei NPH gefundene Symptome, die bei erhöhtem ICP ICP Erhöhter intrakranieller Druck (ICP) auftreten:
  • Kopfschmerzen
  • Übelkeit und Erbrechen Erbrechen Erbrechen im Kindesalter
  • Sehverlust
  • Papillenödem

Diagnose

• Anamnese und körperliche Untersuchung:
  • Nicht alle 3 Funktionen sind für die Diagnose erforderlich; brauchen Gangstörung plus ≥ 1 der anderen 2
  • Kognitive Evaluation mit Mini-Mental State Test
  • Mögliche Nebenwirkungen von Medikamenten
• Labortests – schließen Sie behandelbare Ursachen von Demenz Demenz Demenz: Schwerwiegende neurokognitive Störungen aus:
  • Vitamin B₁₂ -Spiegel
  • Schilddrüsenfunktionstests
• Großvolumige Lumbalpunktion (LP; Klopftest):
  • Gangfunktion vor LP dokumentieren:
    • Ganggeschwindigkeit
    • Schrittlänge
    • Anzahl der Schritte, die für eine 360-Grad-Drehung erforderlich sind
    • Videoband kann hilfreich sein, um mit der Funktion nach LP zu vergleichen.
  • Normaler Öffnungsdruck (6–20 cm H₂O) wird bei NPH beobachtet.
  • 30–50 ml Liquor entfernen.
  • Die dokumentierte Verbesserung der Gangfunktion 30–60 Minuten nach dem Eingriff deutet auf ein verbessertes Ergebnis nach einem ventrikuloperitonealen (VP) Shunt hin.
• Bildgebung:
  • Röntgen Röntgen Röntgen: Röntgenaufnahme der Hals- oder Lendenwirbelsäule, um eine Spondylose zu untersuchen, die eine Gangstörung verursachen könnte.
  • MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns:
    • Ventrikulomegalie
    • Charakteristische periventrikuläre Veränderungen der weißen Substanz mit hohem Signal
    • Vergrößerter Subarachnoidalraum
    • Sylvian Fissurenerweiterung
    • Die Liquor-Flussrate > 24,5 ml/min ist zu 95 % spezifisch für NPH.

Therapie und Prognose

Therapie

Die Behandlung von NPH erfolgt mit einem implantierten Ventrikelshunt.

• Shunt Typen:
  • Ventrikuloperitoneal (VP): chirurgisch hergestellte Verbindung zwischen Seitenventrikel und Peritonealhöhle
  • Ventrikuloatrial: Katheter vom Seitenventrikel ins Herz
• Prädiktoren für die Verbesserung mit Shunt Intervention:
  • Frühes Auftreten von Gangstörungen
  • Gangstörung häufigstes Symptom
  • Dauer der Symptome < 6 Monate
  • Klinisches Ansprechen auf die Liquorentfernung durch LP
  • Fehlen negativer Prognoseindikatoren:
    • Frühes Auftreten von Demenz Demenz Demenz: Schwerwiegende neurokognitive Störungen
    • Demenz Demenz Demenz: Schwerwiegende neurokognitive Störungen seit > 2 Jahren
    • Alkoholismus
• Komplikationen von Shunts:
  • Überdrainage:
    • Häufigste Komplikation im 1. Jahr
    • Kann asymptomatisch sein oder mit Kopfschmerzen auftreten
    • Radiologische Zeichen: Subduralergüsse; Subdurales Hämatom durch Einreißen der Brückenvenen
  • Infektion
  • Krampfanfälle Krampfanfälle Krampfanfälle im Kindesalter
  • Intrazerebrale Blutung Intrazerebrale Blutung Intrazerebrale Blutung während der Katheterplatzierung in 3–6 % der Fälle
  • Blockierter Shunt
  • Arrhythmien während der Katheterplatzierung in ventrikuloatrialen Shunts

Prognose

• 80–90 % haben eine Chance auf Besserung aller Symptome nach der Operation.
• Schlechtere Ergebnisse werden beobachtet bei:
  • Schwerer Demenz Demenz Demenz: Schwerwiegende neurokognitive Störungen oder Demenz Demenz Demenz: Schwerwiegende neurokognitive Störungen als Leitsymptom
  • Begleitender zerebrovaskulärer Erkrankung
  • Hirnatrophie und multiplen Läsionen der weißen Substanz im MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT)
  • Verzögerter Erkennung

Differenzialdiagnose

• Alzheimer-Krankheit: Fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die eine Hirnatrophie verursacht und mit einem Rückgang des Gedächtnisses, der Kognition und der sozialen Fähigkeiten einhergeht. Für die Alzheimer-Krankheit wurden mehrere genetische Defekte und Risikofaktoren beschrieben, aber in den meisten Fällen gibt es keine eindeutige Ursache. Die Diagnose basiert auf einer klinischen Untersuchung, neuropsychiatrischen Tests und bildgebenden Verfahren. Es gibt keine kurative Therapie, aber eine symptomatische Behandlung mit Medikamenten, einschließlich Cholinesterasehemmern. Diese und anderen können das Fortschreiten verlangsamen.
• Lewy-Body Demenz Demenz Demenz: Schwerwiegende neurokognitive Störungen: Es wird angenommen, dass Lewy-Body für beeinträchtigte mentale Funktionen im Zusammenhang mit Denken, Bewegung, Verhalten und Stimmung bei Lewy-Body Demenz Demenz Demenz: Schwerwiegende neurokognitive Störungen verantwortlich sind. Das Vorhandensein von Lewy-Body verändert den Spiegel von Neurotransmittern und Neuromodulatoren im Gehirn, hauptsächlich Dopamin. Die Diagnose basiert auf klinischen Symptomen und MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT). Die Behandlung ist symptomatisch für spezifische Manifestationen der Krankheit.
• Frontotemporale Demenz Demenz Demenz: Schwerwiegende neurokognitive Störungen: Neurodegenerative Erkrankung, die durch den Verlust kognitiver Funktionen (Gedächtnis, abstraktes Denken, logisches Denken und exekutive Funktion) gekennzeichnet ist und die Funktionsfähigkeit und Lebensqualität stark beeinträchtigt. Die Klinik umfasst Verhaltensänderungen wie Apathie. Die Diagnose basiert auf der Befragung von Betreuern/Familienmitgliedern und einer Bildgebung, um andere Pathologien auszuschließen. Die Behandlung erfolgt sowohl pharmakologisch als auch nicht pharmakologisch, um die Symptome zu lindern.
• Parkinson-Krankheit: Chronische, fortschreitende neurodegenerative Erkrankung. Obwohl die Ursache der Parkinson-Krankheit unbekannt ist, gibt es mehrere genetische und umweltbedingte Risikofaktoren, die derzeit untersucht werden. Patienten präsentieren sich klinisch mit Tremor, Rigor, Akinese und posturale Instabilität. Die Diagnose ist klinisch. Die Behandlung umfasst unterstützende körperliche und emotionale Pflege sowie Medikamente wie Levodopa Levodopa Pharmakotherapie bei Morbus Parkinson/Carbidopa, Monoaminoxidase-Typ-B-Hemmer und Dopaminagonisten.
• Atypische Parkinson-Syndrome Atypische Parkinson-Syndrome Atypische Parkinson-Syndrome: Progressive Supranukleäre Parese (PSP) und kortikobasale Degeneration (CBD) sind neurodegenerative Erkrankungen, die durch ihre Parkinson-Merkmale, jedoch mit unterschiedlicher Pathophysiologie gekennzeichnet sind. Sowohl PSP als auch CBD haben kognitive Manifestationen und motorische Symptome. Die Diagnose erfolgt klinisch und mit MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT). Die Behandlung ist unterstützend und mit Levodopa Levodopa Pharmakotherapie bei Morbus Parkinson/Carbidopa für PSP, reduziert jedoch nicht die Symptome bei CBD. Andere Medikamente können bei Zittern, Myoklonus Myoklonus Neurologische Untersuchung und kognitiven Dysfunktionen helfen.