Die Persönlichkeit ist ein Aspekt, der die Individualität zwischen den Menschen mitbestimmt. Viele Wissenschaftler*innen haben sich damit auseinandergesetzt, wie sich Menschen bezüglich ihrer Persönlichkeit unterscheiden und so verschiedene Persönlichkeitsmodelle entwickelt. Zu den bekanntesten Modellen gehören das Fünf-Faktoren-Modell (Big Five) und Eysencks drei Dimensionen der Persönlichkeit. Klinische Relevanz besitzt die Persönlichkeit eines Menschen in Form der Persönlichkeitsstörungen. Unter dieser Diagnose werden Erkrankungen zusammengefasst, die sich durch eine starke Veränderung des Verhaltens und Erlebens einer betroffenen Person äußern.
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Lernleitfaden
Medizin ➜
Bei der Beschreinung von Eigenschaften einer nahestehenden Person werden häufig die überdauernden Eigenschaften (traits) genannt, die das Leben der Person in besonderem Maße beeinflussen, z. B. extrovertiert, zurückhaltend oder offen für Neues. Die folgenden Begriffe werden in Zusammenhang mit Persönlichkeitseigenschaften in der Psychologie verwendet:
Weiterhin bedeutend sind:
Das momentan aktuellste und universell anerkannte Persönlichkeitsmodell stellt das Modell der Big Five (Fünf-Faktoren-Modell) dar. Es wurde in den letzten zwei Dekaden in ca. 3000 wissenschaftlichen Studien verwendet. In den Big Five können Teile der anderen Persönlichkeitsmodelle wiedererkannt werden.
Merke: Das Big-Five-Modell ist empirisch am besten nachgewiesen.
Noch heute kommen die beiden Persönlichkeitsdimensionen Extraversion und Neurotizismus in Fragebögen vor, während die dritte von Eysenck vorausgesetzte Dimension Psychotizismus immer wieder im Fokus harscher Kritik stand.
Merke: Zwischen der Extraversion und dem Neurotizismus besteht kein Zusammenhang, folglich können Personen völlig verschiedene Ausprägungsgrade in den unterschiedlichen Dimensionen zeigen.
Extraversion und Intraversion
Die beiden Pole Extraversion und Intraversion stehen für das Ausmaß an Geselligkeit und persönlicher Exponiertheit gegenüber der Zurückhaltung und Kontrolliertheit.
Neurotizismus
Menschen mit einem hoch ausgeprägten Neurotizismus sind emotional labil, überempfindlich und oft von Sorgen und Ängsten gequält. Gehäuft kommen psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen, ein unruhiger Schlaf, Magen-Darm-Beschwerden, etc. hinzu. Weitere Eigenschaften sind: Nervosität, Unsicherheit, Stimmungsschwankungen, Anfälligkeit für negative Emotionen, Impulsivität.
Menschen mit einem niedrig ausgeprägten Neurotizismus sind eher ausgeglichen und emotional stabiler. Sie können mit Belastungen sowie Stress gut umgehen und bleiben auch in Extremsituationen ruhig. Auf negative Gefühle wird wenig bis kein Fokus gelegt und Selbstzweifel sind eine Seltenheit.
Psychotizismus
Nach Eysenck umfasst die dritte Dimension des Psychotizismus eine Spannweite von realistisch/normal über psychopathisch/kriminell bis hin zu psychotisch. Menschen mit einem sehr hohen Psychotizismuswert sind unfähig, Empathie zu zeigen und gelten als kalt und unfreundlich.
Hinweis: Viele Personalabteilungen machen als Teils eines Vorstellungsgesprächs oder bereits im Vorauswahlverfahren psychologische Persönlichkeitstests.
Die Gründer der Big Five gingen davon aus, dass sich Persönlichkeit in der Sprache niederschlägt. Zentral war die „lexikalische Hypothese“: Alle wichtigen Aspekte menschlicher Persönlichkeiten sind aus der Verwendung bestimmter Adjektive zur Eigen- und Fremdbeschreibung ersichtlich. Nach eingehender Faktorenanalyse der verschiedenen Wörterbücher erwiesen sich die Adjektive als kulturübergreifend gleich.
Persönlichkeitsforschung über Dekaden hat zu fünf Dimensionen der menschlichen Persönlichkeit geführt.
Mithilfe dieser Dimensionen können alle Menschen verglichen und beschrieben werden. In den 1980er Jahren bereits von Goldberg geprägt, gelangten sie zu allgemeiner Bekanntheit durch den standardisierten Persönlichkeitstest NEO Personal Inventory (Neo-Fünf-Faktoren-Inventar).
Das Besondere des Big-Five-Modells ist, dass Personen nicht in Typenraster eingeordnet, sondern sehr individuelle Persönlichkeitsprofile anhand der fünf Dimensionen erstellt werden können.
Dimension | Hoher Ausprägungsgrad | Niedriger Ausprägungsgrad |
---|---|---|
1. Verträglichkeit | Kooperativ, einfühlsam, hilfsbereit, nachgiebig, gutmütig | Misstrauisch, kompetitives Verhalten, kritisch, konfrontierend |
2. Offenheit für Erfahrungen | Neugierig, nonkonform, kreativ, interessiert | Vorsichtig, traditionell, konservativ, sachlich |
3. Gewissenhaftigkeit | Locker, sprunghaft, unbeständig, unordentlich | Zielstrebig, organisiert, diszipliniert, ordentlich, pedantisch, zuverlässig |
4. Extraversion/Intraversion (nach Eysneck) | Zurückhaltend, ruhig, still, gerne allein, reserviert | Aktiv, gesellig, gesprächig, heiter, positive Emotionen zeigend |
5. Neurotizismus (nach Eysneck) | Ausgeglichen, entspannt, sorgenfrei, ruhig | Ängstlich, nervös, besorgt, emotional instabil |
Menschen verhalten sich trotz individueller Persönlichkeitsmerkmale situativ bedingt und umweltbedingt verschieden, z. B. Vorlesung vs. Ärzt*innen-Patient*innen-Gespräch vs. Party vs. Familientreffen. Der heutige Stand der Forschung geht vom dynamisch-interaktionistischen Ansatz aus: Die Umwelt und Persönlichkeit beeinflussen sich wechselseitig.
Interaktionismus: Dispositionismus (Eigenschaften der Person) + Situationismus (Einflüsse der Umwelt)
Der behavioristische Ansatz geht davon aus, dass jegliches Verhalten ausschließlich durch die Verstärker in der Umwelt gebildet wird. Jeder Mensch verhält sich in bestimmten Situationen entsprechend der eigenen Lerngeschichte. Lerntheoretiker*innen fokussieren sich besonders auf die Möglichkeit, dass erlerntes Verhalten auch wieder systematisch änderbar ist.
Persönlichkeit: die Summe der Reiz-Reaktions-Verbindungen
Freuds Ansatz konzentriert sich besonders auf die Erfahrungen in der frühen Kindheit. Die verschiedenen psychosexuellen Entwicklungsstufen, die bewältigt werden möchten, schaffen ein großes Konfliktpotenzial. Scheitert die Person in einer Entwicklungsphase, findet eine entsprechende Fixierung auf diese Phase (oral, narzisstisch, anal, phallisch, latent und genital) statt.
Persönlichkeitsstörungen äußern sich durch Auffälligkeiten sowohl im Verhalten als auch in der Wahrnehmung der Betroffenen. Sie führen häufig zu persönlichen und auch sozialen Beeinträchtigungen, Betroffene erfahren einen hohen Leidensdruck. Persönlichkeitsstörungen treten häufig schon im Kindesalter oder in der Adoleszenz auf und bestehen auch im Erwachsenenalter weiter.
In der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems-10 (ICD-10) werden die Persönlichkeitsstörungen noch in konkrete Typen eingeteilt:
Für die Diagnosestellung werden folgende Kriterien beurteilt:
Um einer Stigmatisierung von Patient*innen vorzubeugen und die Diversität der Persönlichkeitsstörung in der Diagnostik besser abbilden zu können, wurden für die ICD-11 (eingeführt im Januar 2022) neue Kriterien erarbeitet:
Nach diesem Konstrukt unterscheiden sich Menschen danach, wie gut sie Items aus einem Kontext herauslösen können. Die Personen werden durch den Embedded Figure Test aus in „differenziert/analytisch“ und „global“ eingestuft.
Beim Embedded Figure Test muss die Person „eingebettete Figuren“ in einem versteckten Kontext so schnell wie möglich erkennen. Wer die Items gut aus dem Kontext differenzieren kann, wird als feldunabhängig bezeichnet.
Die Interferenzneigung beschreibt das Maß der Störanfälligkeit gegenüber irrelevanten Reizen: das Maß der kognitiven Steuerung. Eine typische Messmethode ist der Stroop-Test, bei dem Personen die Farbe eines Wortes benennen müssen, ohne sich durch die Wortwahl (rot, grün, gelb, etc.) ablenken zu lassen. Gemessen wird dabei die Reaktionszeit.
Hier ist ein Beispiel für den Stroop-Test:
Jede Persönlichkeit sucht ein verschieden hohes Maß an Stimulation. Zuckermans Konstrukt ähnelt hierbei stark Eysencks Ansatz zur Extraversion/Intraversion. Übersetzt heißt Sensation Seeking, die Tendenz aufzuweisen, neue stimulierende Situationen aufzusuchen.
Ein riskantes, nonkonformistisches Verhalten mit einem Hang zu Extremen (z. B. Extremsportarten oder Partyexzesse) wird demnach angestrebt.
Das Sensation Seeking wird in vier Stufen unterteilt:
Die folgenden Persönlichkeitskonstrukte sind besonders wichtig im Hinblick auf die Beziehung zwischen der Persönlichkeit und Erkrankung sowie entsprechenden Coping-Stilen.
Beim Konzept der Kontrollüberzeugung gibt es viele Ähnlichkeiten mit dem Modell der erlernten Hilflosigkeit und den Attribuierungsstilen. Gerade im klinischen Bereich spielt die Kontrollüberzeugung eine wichtige Rolle. Je nachdem, ob Patient*innen internal oder external kontrollüberzeugt sind, gestalten sich der Verlauf und die Genese der Erkrankung.
Klinik: Bei krebskranken Patient*innen hat sich eine hohe internale Kontrollüberzeugung als günstig im Krankheitsverlauf erwiesen.
Dieses Konstrukt konzentriert sich auf den Umgang von Personen mit Angst-auslösenden Stimuli. Sensitizer konfrontieren diese Stimuli und legen einen verstärkten Fokus auf die Bearbeitung und Herkunft dieser. Repressoren schieben diese Stimuli eher beiseite und unterdrücken eine Auseinandersetzung mit ihrer Angst.
Beim passiv-resignativen Stil werden Misserfolge internal attribuiert. Die Personen weisen einen geringeren Aktivitätsgrad auf, reagieren stärker depressiv und verhalten sich insgesamt „ertragend“ mit der beständigen Grundeinstellung: „Es ist doch sowieso alles sinnlos“. Dieser Verhaltensstil ist auf das Konstrukt der erlernten Hilflosigkeit nach Seligman zurückzuführen.
Die Verhaltenseinteilung in Typ A und B beantwortet, ob bestimme Persönlichkeiten ein hohes Risiko für koronare Herzerkrankungen haben. Ursprünglich in den 1960er-Jahren entwickelt, war die Typeneinteilung zuerst sehr erfolgreich. Ein wirklicher kausaler Zusammenhang zwischen gesundheitskritischem Verhalten und einer tatsächlichen Koronarerkrankung konnte aber nicht erwiesen werden.
Die Simplizität des Konstruktes ist ein weiterer Nachteil. Die Weiterentwicklung des Typ C versucht Persönlichkeitsmerkmale herauszufinden, die mit Krebserkrankungen zusammenhängen (empirisch nicht bestätigt!).
Typ A-Verhalten | Typ B-Verhalten | Typ C-Verhalten |
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Eigene Annahmen und Werturteile über sich selbst sind meistens bei einer psychischen Gesundheit relativ stabil. Dieses Selbstkonzept entwickelt sich aus sozialen Erfahrungen in verschiedenen Bereichen (Schule, Sport, Uni, soziale Beziehungen, etc.) und wird maßgeblich in der Kindheit und Jugend geprägt. Viele Wissenschaftler teilen dieses Selbstkonzept in zwei Teile auf:
Merke: Gesunde Menschen überschätzen ihre Fähigkeiten in einem geringen Maß. Depressive Menschen schätzen sich selbst realistischer oder als weniger fähig ein.