Ob bereits im Pflegepraktikum, während der Famulatur, im PJ oder in der Assistenzzeit, irgendwann treffen alle Medizinstudierenden auf ihre ersten Patient*innen, die sterben werden. Der Umgang mit dem Tod gehört zu den unangenehmsten Seiten des ärztlichen Berufs, eine Vorbereitung auf ihn ist kaum möglich. Die von Elisabeth Kübler-Ross entwickelten Sterbephasen können helfen, das Verhalten sterbender Patient*innen besser zu verstehen und den Umgang mit ihnen zu erleichtern. Die einzelnen Phasen sind das Nicht-wahrhaben-wollen, die Wut, das Verhandeln, die Depression und die Akzeptanz. Weil das Thema Tod und Sterben so wichtig ist, gehört es bereits im Medizinstudium dazu, darüber zu sprechen.
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Lernleitfaden
Medizin ➜
Das Modell der fünf Sterbephasen erschien erstmals 1969 in dem von der Schweizer Psychologin Elisabeth Kübler-Ross veröffentlichten Buch „On Death and Dying“ und ist bis heute für Medizinstudierende der erste Einstieg in die Thematik Tod und Sterben. In Deutschland erschien die Publikation 1971 unter dem Titel „Interviews mit Sterbenden“. Elisabeth Kübler-Ross beschrieb den sterbenden Menschen auf eine bis dato unbekannte Weise, der den Kontakt zwischen Ärzt*in und Patient*in in den letzten Zügen des Lebens bis heute erleichtern sollte.
Die fünf Sterbephasen nach Kübler-Ross:
Nach Elisabeth Kübler-Ross sind die Sterbephasen zwar nummeriert, der Verlauf während des Sterbens ist jedoch von Patient*in zu Patient*in unterschiedlich. Je nach Mensch können die Phasen kürzer oder länger sein, in einer anderen Reihenfolge verlaufen, einzelne Phasen auslassen, eine beziehungsweise mehrere wiederholt werden oder gleichzeitig ablaufen. Die Sterbephasen durchlaufen zudem nicht nur die sterbenden Patient*innen, sie sind zum Teil auch bei deren Angehörigen zu beobachten, weshalb die Vermittlung beider Parteien, die sich in unterschiedlichen Phasen befinden, durch Ärzt*innen vonnöten sein kann.
Auf die Nachricht über den bevorstehenden Tod reagieren viele Patient*innen zunächst mit Verdrängung als Folge des Schocks. Bis zur Akzeptanz des nahenden Endes ist es noch ein großer Schritt. Oftmals werden weitere Ärzt*innen aufgesucht, in der Hoffnung auf eine andere Diagnose. Im Umgang mit Patient*innen, die sich in dieser Phase befinden, sollten folgende Aspekte beachtet werden:
Zorn, Wut oder Ärger sind Emotionen, die in der Verarbeitung einer infausten Prognose ganz natürlich sind. Patient*innen reagieren häufig auch mit Schuldzuweisungen. Das kann für behandelnde Ärzt*innen eine große Belastung darstellen.
Diese Phase verläuft, der Erfahrung von Kübler-Ross nach, in der Regel nur kurz und flüchtig ab:
Das Eingreifen in das Verhalten der Patient*innen ist nicht notwendig, außer die Hoffnungen werden unrealistisch, dann müssen Betroffene erneut über ihre Situation aufgeklärt werden.
Die depressive Phase richtet sich in ihrer Trauer sowohl an die Vergangenheit als auch die Zukunft. Patient*innen trauern über verpasste Chancen und Gelegenheiten oder schöne Erlebnisse, aber auch über bevorstehende Ereignisse, die sie nicht mehr miterleben werden. Die Depression ist meistens der letzte Schritt bevor die Sterbenden ihren Tod akzeptieren, weshalb Behandlungen abgebrochen werden oder Patient*innen das Krankenhaus verlassen möchten, selbst wenn das ärztliche Personal noch nicht dazu rät. Für diese Phase ist Folgendes wichtig:
Haben Patient*innen ihren Tod akzeptiert, sollten alle unnötigen Maßnahmen eingeschränkt werden, da sich Sterbende in dieser Phase gerne zurückziehen, sowohl von Ärzt*innen als auch von Angehörigen. Letztere sind es dann eher, die auf Sie zukommen werden, weil Gesprächsbedarf besteht. Patient*innen wünschen sich in dieser Phase meistens nur noch Ruhe, weshalb Besuche und Gänge ins Zimmer von Ärzt*innen, Angehörigen und Pflegenden auf ein Minimum beschränkt werden sollten.
Medizinstudierende, die die ersten Male auf Sterbende treffen, setzen sich vielleicht das erste Mal in ihrem Leben mit dem Thema Tod und Sterben auseinander. Deshalb ist es wichtig, auch selbst das Gespräch zu suchen, um die eigenen Gefühle zu verarbeiten. Das Studium ist eine sehr gute Gelegenheit, um intensiv am Tod teilnehmen zu können, auch als Vorbereitung für das spätere Berufsleben. Patient*innen haben in diesem letzten Abschnitt des Lebens besonders empathische Ärzt*innen nötig, die aufmerksam und sensibel auf ihre Bedürfnisse eingehen können.
Nicht immer haben Medizinstudierenden die Chance, Patient*innen beim Sterben zu begleiten. Oftmals sind es nur ein oder zwei Phasen, die miterlebt werden können, bevor Betroffene auf die Onkologie, Palliativstation, ins Hospiz oder nach Hause gehen. Dennoch erfordert jede Phase eine individuelle Betrachtungsweise und viel Empathie.