Tipp: Schau dir doch erst mal den Überblicksartikel zur gefährlichen Körperverletzung an!
Nach § 224 I Nr. 2 StGB liegt eine Gefährliche Körperverletzung unter anderem dann vor, wenn der Täter die Körperverletzung „mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs“ begeht:
(1) Wer die Körperverletzung […] Nr. 2: mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, […] begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
I. Die Waffe
Definition: Eine Waffe im Sinne von § 224 I Nr. 2 StGB ist jede Waffe im technischen Sinne, die nach ihrer Art und Anfertigung nicht nur geeignet, sonder dazu bestimmt ist, Menschen durch ihre chemische oder mechanische Wirkung physisch zu verletzen.
Die wohl bekanntesten Beispiele sind in § 1 II WaffG i.V.m. Anlage 1 zum WaffG geregelt und sind Pistolen, Gaspistolen oder Gewehre.
Die Definition fällt hier oftmals deutlich leichter als beim gefährlichen Werkzeug. Ein Dolch beispielsweise ist eine Waffe, weil er für nichts anderes gedacht ist, als Verletzungen herbeizuführen. Ein langes Küchenmesser aber ist keine Waffe, weil es erst durch Zweckentfremdung zur Gefahr wird.
II. Das gefährliche Werkzeug
Definition: Ein gefährliches Werkzeug ist jeder Gegenstand, der unter Berücksichtigung seiner Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung konkret geeignet ist, erhebliche körperliche Verletzungen beim Angegriffenen hervorzurufen.
Neben Gegenständen, die direkte Verletzungen an der Körperoberfläche verursachen (z.B. ein Ziegelstein oder auch ein Projektil), können auch chemisch wirkende Stoffe (vgl. BGHSt 1,1 zu Salzsäure) oder Tiere (vgl. BGHSt 14, 152 zu einem aufgehetzten Hund) gefährliche Werkzeuge sein.
1. Tiere als Werkzeug
Einigen mag nun aufstoßen, dass der BGH auch ein Tier als einen Gegenstand begreift und auch ein Teil der Literatur kann dieses Ergebnis nicht akzeptieren.
Immerhin setzt das BGB fest, dass Tiere zwar im rechtlichen Sinne wie Gegenstände behandelt werden, aber eben ausdrücklich keine Gegenstände sind , § 90a BGB. Im StGB existiert eine vergleichbare Norm nicht, sodass lediglich eine analoge Anwendung der BGB-Vorschrift in Betracht käme.
Im vorliegenden Fall wäre dies allerdings eine Analogie zu Lasten des Täters und damit eigentlich unzulässig.
Dennoch sieht die herrschende Meinung weiterhin vorbehaltlos auch manche Tiere als gefährliche Werkzeuge an. Sie argumentiert dahingehend, dass dem Strafrecht ein eigener, vom Zivilrecht autonomer Sachbegriff zugrunde liegt.
Beide Meinungen sind vertretbar. Aus klausurtaktischen Gründen sollte aber der herrschenden Meinung gefolgt werden.
2. Körperteile – nackt und „beschuht“
Nackte Körperteile können keine gefährlichen Gegenstände sein, egal wie muskelbepackt ein Körper auch sein mag. Würde man die nackte Faust aber beispielsweise als gefährliches Werkzeug akzeptieren, wäre der Anwendungsbereich der einfachen Körperverletzung extrem eingegrenzt.
Anders ist die Lage, wenn die Faust nicht mehr nackt oder der Fuß „beschuht“ ist (vgl. BGHSt 30, 375 ff.). Der eingegipste Arm oder der beschuhte Fuß können in vielen Fällen gefährliche Werkzeuge darstellen, jedoch auch nicht zwangsweise. Ein Unterschied kann schon darin bestehen, dass der Täter einen leichten Leinensneaker trägt oder schwere Springerstiefel.
3. unbewegliche Gegenstände
Keine Rolle spielt, ob der Täter aktiv das Werkzeug einsetzt (z.B. ein Schlag mit einem Hammer) oder das Opfer beispielsweise gegen das Werkzeug stößt (Täter schupst Opfer gezielt gegen einen spitzen Briefbeschwerer). Erforderlich ist nach der Rechtsprechung nur, dass der Gegenstand durch die Handlung eines Menschen gegen den Körper eines anderen Menschen geführt werden kann. Im Umkehrschluss kommen also unbewegliche Sachen nicht in Betracht.
Anders sieht das hier wiederum die herrschende Lehre, die den Tatbestand auch beim Stoßen gegen unbewegliche Sachen (z.B. eine Mauer) erfüllt sieht.
II. Abgrenzungsprobleme zu § 244 I Nr. 1 lit. a) StGB
Wer sich die beiden Vorschriften der §§ 224 I Nr. 2 und 244 I Nr. 1 lit. a) StGB anschaut, wird schnell wenigstens eine Gemeinsamkeit feststellen. Auch in § 244 I Nr. 1 lit. a) StGB ist die Rede von Waffe und gefährlichem Werkzeug:
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, Nr. 1: wer einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, […]
Der Unterschied zwischen beiden Vorschriften ist der, dass § 224 I Nr. 2 StGB die Anwendung der Waffe oder des gefährlichen Werkzeugs voraussetzt, wohingegen § 244 I Nr. 1 lit. a) StGB schon das bloße Beisichführen genügen lässt.
Definition: Für das Beisichführen reicht es aus, dass dem Täter die Waffe zwischen Versuchsbeginn und tatsächlicher Beendigung derart zur Verfügung steht, dass er sich ihr jederzeit bedienen kann.
Um diese Divergenz zu überwinden, befürwortet eine starke Literaturauffassung eine Interpretation der Gefährlichkeit eines Werkzeugs ausschließlich anhand objektiver Kriterien. Innerhalb dieser Ansicht verlangen manche jedoch zusätzlich Waffenähnlichkeit oder eine dem Gegenstand generell innewohnende Gefährlichkeit, um den Anwendungsbereich einzugrenzen.
Der BGH hat jedoch wiederholt eine generelle Definition eines gefährlichen Gegenstandes bei § 244 I Nr. 1 lit. a) StGB abgelehnt. Vielmehr lässt er die Eingrenzung zu, es solle sich um einen abstrakt gefährlichen Gegenstand handeln.
Hier finden sie weitere Ausführungen zu diesem Streit!
III. Zusammenfassung
Wenn man sich die Einzelfälle einprägt, sollte die Abgrenzung keine Probleme machen. Wenn das Werkzeug eine Waffe im technischen Sinne ist, werden dafür bestimmte Anhaltspunkte im Sachverhalt verankert sein. Alle sonstigen Fälle sollten in minimal abgewandelter Form einer der klassischen Konstellationen entsprechen. Wird dann sauber und gelassen subsumiert, kann der Prüfungspunkt abgehakt werden.
Für eine letzte Wiederholung:
Quellen
- Fischer, § 224, Rn. 274.
- Krey/Heinrich, Strafrecht BT, Band 1, Rn. 245a ff.
- BGH NStZ 1988, 361 f.
- BGH NStZ 2002, 30 und 86.