Die Voraussetzungen der Telefonüberwachung, § 100a StPO
Die Überwachung der Telekommunikation (TKÜ) ist in § 100a StPO (materielle Voraussetzungen) und § 100e StPO (Verfahren) geregelt.
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Der Begriff der Telekommunikation ist gleichzustellen mit dem aus § 3 Nr. 22 TKG. Diese strafprozessuale Zwangsmaßnahme ist regelmäßig mit einem Grundrechtseingriff in Art. 10 GG verbunden. Daher sind besondere Voraussetzungen an die Ermächtigungsgrundlage zu stellen.
§ 100a StPO gestattet die Überwachung der bekannten Telekommunikation wie dem Telefonieren, sondern umfasst jegliche Art der unverschlüsselten Nachrichtenübermittlung, z.B. SMS oder E-Mails, Messenger-Dienste (sog. Quellen-Telekommunikationsüberwachung).
Beachte: Der Kernbereich privater Lebensgestaltung ist durch § 100d StPO geschützt.
Voraussetzungen für eine Telekommunikationsüberwachung im Sinne des § 100a StPO:
1. Katalogtat, § 100a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO
§ 100a Abs. 1 Nr. 1 StPO:
Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat.
Eine Telefonüberwachungsmaßnahme ist nur dann zulässig, wenn sich der Tatverdacht auf eine in Absatz 2 des § 100a StPO bezeichnete Straftat bezieht. Der Tatverdächtige muss Täter oder Teilnehmer mindestens einer der in Absatz 2 aufgeführten Katalogtaten sein. Damit richtet sich die Anordnung grundsätzlich gegen den Tatverdächtigen. Zudem kann die Überwachung auch unmittelbar gegen Dritte angeordnet werden, jedoch nur, wenn der Verdacht besteht, dass diese für den Beschuldigten als sog. Nachrichtenmittler fungieren.
Weiterhin ist hierbei ein gegenüber dem Anfangsverdacht erhöhter Verdachtsgrad erforderlich. Der Verdacht muss sich auf eine hinreichende Tatsachenbasis gründen und mehr als nur unerheblich sein. Erforderlich ist, dass bestimmte Tatsachen vorliegen, die unmittelbar den Verdacht einer Katalogtat begründen, insoweit wird von einer „erhöhten Verdachtslage“ gesprochen.
Merke: Dieser ist keinesfalls gleichzustellen mit hinreichendem oder gar dringendem Tatverdacht!
2. Einzelfallprüfung, § 100a Abs. 1 Nr. 2 StPO
§ 100a Abs. 1 Nr. 2 StPO:
Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt.
Hier muss eine Einzelfallprüfung erfolgen, ob der Verdacht auch zu einer zu ermittelnden Tat führen würde, die schwer wiegt.
3. Subsidiarität, § 100a Abs. 1 Nr. 3 StPO
§ 100a Abs. 1 Nr. 3 StPO:
Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
Weiterhin ist eine Telefonüberwachung aus § 100a StPO nur dann zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
Die Ermittlungsbehörden sind damit angehalten, zunächst weniger eingreifende Maßnahmen zu wählen bzw. in Erwägung zu ziehen. Allerdings steht dem Anordnenden der Telefonüberwachung nach Rechtsprechung des BGH auch ein Beurteilungsspielraum bei der Frage zu, ob der Subsidiaritätsgrundsatz erfüllt ist [BGH , Urt. v. 16.02.1995 – 4 StR 729/94].
4. Kernbereichsprüfung, § 100d Abs. 1 StPO
Die Telefonüberwachung ist unzulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass durch die Telefonüberwachung allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden.
Dieser Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung findet sich auch in anderen grundrechtssensiblen Maßnahmen und ist dem Schutz des Rechts des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 I, Art. 1 I GG) geschuldet.
4. Verhältnismäßigkeit
Wie stets bei allen Ermittlungsmaßnahmen ist die Verhältnismäßigkeit der TKÜ (§ 100a StPO) zu beachten und zu prüfen.
5. Verfahren, § 100e StPO
Das Verfahren bei einer Telefonüberwachung ist in § 100e StPO geregelt.
Nach § 100e Abs. 1 S. 1 StPO darf die Telefonüberwachung nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Gericht angeordnet werden. Liegt Gefahr in Verzug vor, so kann die Anordnung auch durch die Staatsanwaltschaft erfolgen, § 100e Abs. 1 S. 2 StPO.
Die Anordnung tritt in letzterem Fall außer Kraft, wenn nicht innerhalb von 3 Tagen eine richterliche Bestätigung ergeht.
Außerdem ist die Anordnung zeitlich begrenzt auf 3 Monate, § 100e Abs. 1 S. 4 StPO. Wird darüber hinaus eine Telefonüberwachung fortgesetzt, so ist diese unzulässig und die daraus erlangten Erkenntnisse dürfen nicht als Beweise verwertet werden.
Die Betroffenen sind von der Überwachung außerdem nachträglich zu benachrichtigen, § 101 Abs. 4 Nr. 3 StPO.
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Klassiker: Zufallsfunde am Telefon
Ein Klassiker im Zusammenhang mit der Telefonüberwachung ist die Verwertbarkeit sog. „Zufallsfunde“. Diesem Problem liegt folgender Fall zugrunde:
Die Staatsanwaltschaft führt bei dem Beschuldigten B eine formell rechtmäßige TKÜ durch. Im Zuge dieser wird auch ein Gespräch des B mit dessen Freund S aufgezeichnet. In diesem Gespräch prahlt S gegenüber B, letzte Nacht in einer Bar einen über den Durst getrunken zu haben und daraufhin volltrunken mit dem Auto nach Hause gefahren zu sein. Kann die Staatsanwaltschaft diese Informationen verwerten, um gegen S vorzugehen?
Die Verwertbarkeit solcher Zufallsfunde ist in den §§ 161 Abs. 3, 479 Abs. 2 S. 1 StPO geregelt. Danach ist eine Verwertung solcher Informationen nur möglich, wenn die Maßnahme, in deren Rahmen die Informationen erlangt wurden, auch rechtmäßig hätte angeordnet werden dürfen (sog. hypothetischer Ersatzeingriff). Es ist daher zu fragen, ob auch gegen den S eine rechtmäßige Telefonüberwachung hätte angeordnet werden dürfen. Dies ist vorliegend zu verneinen, da der S keine Katalogtat erfüllt (wohl lediglich § 316 StGB). Damit darf die Staatsanwaltschaft die erlangten Erkenntnisse nicht verwerten.
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Quellen
- BGH NStZ 2003 499 500.
- BGH , Urt. v. 16.02.1995 – 4 StR 729/94
- Volk/Engländer, Grundkurs StPO, 8.Aufl., S.73ff.