3%-Sperrklausel im Europawahlrecht (BVerfGE 135, 259)

3%-Sperrklausel im Europawahlrecht (BVerfGE 135, 259)

In seinem Urteil vom 26.02.2014 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die in dem damaligen § 2 Abs. 7 EuWG normierte 3%-Sperrklausel für die Wahlen zum Europäischen Parlament verfassungswidrig sei. Dieser Artikel stellt die Entscheidungsgründe dar.
3%-Sperrklausel im Europawahlrecht
Lecturio Redaktion

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04.01.2024

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Inhalt

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I. Bisherige Entwicklung

Bereits am 09.11.2011 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die damalige 5%-Sperrklausel nicht mit der Verfassung zu vereinbaren sei [BVerfGE 129, 300]. Die Entscheidung fiel denkbar knapp mit 5 zu 3 Stimmen aus. Dass es sich hierbei um eine umstrittene Rechtsfrage handelte, ist somit evident.

Wohl aufgrund dieser knappen Abstimmung und dem Aufruf des Europäischen Parlaments an alle Mitgliedsstaaten, angemessene Sperrklauseln einzuführen (Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22.11.2012 zu den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2014 (2012/2829 [RSP])) wurde durch eine Gesetzesänderung eine 3%-Klausel eingeführt.

Durch mehrere erhobene Verfassungsbeschwerden und Anträge im Organstreitverfahren, welche vom Bundesverfassungsgericht zur gemeinsamen Entscheidung verbunden wurden, erklärte dieses ebenfalls mit 5 zu 3 Stimmen die neue 3%-Klausel für verfassungswidrig.

II. Entscheidungsgründe

Bei der Einführung der Sperrklausel handelte der Gesetzgeber in eigener Sache, da dies zumindest mittelbar auch den Gesetzgeber selbst betraf. Dass es hierbei zu einem Missbrauch durch die vorherrschenden Parteien kommen kann, indem diese andere benachteiligen, sah auch das Bundesverfassungsgericht. Gerade durch die Einführung einer Sperrklausel lassen sich andere Parteien von der politischen Teilhabe ausschließen.

Dass das Bundesverfassungsgericht sich, obwohl es sich hier um einen stark europarechtlichen Sachverhalt handelte, überhaupt als zuständig ansah, ergibt sich aus folgender Überlegung:

Gemäß Art. 3 Direktwahlakt (DWA) haben die Staaten die Möglichkeit bei der Wahl zum Europäischen Parlament eine Sperrklausel von bis zu 5% einzuführen. Das Wahlverfahren selbst bestimmt sich allerdings nach innerstaatlichem Recht, in Deutschland somit dem EuWG. Da es sich um innerstaatliches Recht handelt, prüft das Bundesverfassungsgericht auch hier ob eine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz gegeben ist.

1. Betroffenes Verfassungsrecht

Verletzt ist zunächst der Grundsatz der Gleichheit der Wahl aus Art. 3 Abs. 1 GG. Nicht anwendbar sollen Art. 38 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 1 GG sein, da diese sich nur auf die Wahl zum Deutschen Bundestag beziehen. Es kommt insofern nur eine formale Wahlgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht.

Zu unterscheiden ist zwischen Zähl- und Erfolgswertgleichheit. Durch Sperrklauseln wird die Erfolgswertgleichheit betroffen, da nicht jede abgegebene Stimme dazu führt, dass ein entsprechendes Mandat errungen wird. Es fehlt dann am Erfolg der Stimme. Ausnahmsweise soll die Erfolgswertgleichheit eingeschränkt werden können.

Auch die Chancengleichheit der Parteien gem. Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG muss beachtet werden. Die Verletzung dieses Grundsatzes ergibt sich aus denselben Gründen, wie die Verletzung der Gleichheit der Wahl.

2. Rechtfertigung des Eingriffs

Eine mögliche Rechtfertigung eines Eingriffs in diese Grundsätze ist jedoch bei Vorliegen eines sachlich legitimierten zwingenden Grundes durchaus möglich. Diese Rechtfertigung muss jedoch verfassungsmäßig legitimiert sein und mindestens ebenso wichtig sein, wie das Prinzip der Wahlrechts- und Chancengleichheit.

Als Rechtfertigungsgrund kommt die Wahrung der Funktionsfähigkeit des Parlaments in Betracht. Diese gilt auch als Rechtfertigung für die 5%-Sperrklausel für den Deutschen Bundestag. Eine Rechtfertigung ist insoweit nur anzunehmen, wenn aller Voraussicht nach zu erwarten ist, dass die Funktionsfähigkeit des Parlaments hinreichend beeinträchtigt ist.

Das Gericht betont, dass bei der Feststellung dieses Umstands die Funktion des Organs, sowie tatsächliche gegenwärtige Umstände zu berücksichtigen sind. Eine grundsätzliche Sperrklausel ohne Bezug auf die aktuellen tatsächlichen Umstände ist demnach unzulässig.

3. Weitere Gründe gegen eine Sperrklausel

Ebenso ist zu berücksichtigen, dass sich das Europäische Parlament wesentlich vom Bundestag unterscheidet. Weder gibt es Mehrheit und Opposition im klassischen Sinne, noch muss eine Mehrheitsregierung gestellt werden. Daraus schließt das Bundesverfassungsgericht, dass bei Fehlen einer Sperrklausel die Funktionsfähigkeit des Parlaments nicht beeinträchtigt wäre.

Auch fasst es die oben genannte Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22.11.2012 als bloß unverbindlichen Appell an die einzelnen Mitgliedstaaten auf, Sperrklauseln festzulegen. Auch die Fraktionsbildung auf europäischer Ebene trage zur Stabilität des Europäischen Parlamentes bei.

Das Gericht betont jedoch, dass zukünftige Entwicklungen zu beobachten seien. Kommt es also zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments durch zu große Zersplitterung, kann die Einführung einer Sperrklausel gerechtfertigt sein. Auch eine positive Entwicklung durch das Entfallen der Sperrklausel schließt das Gericht nicht aus.

Die Entscheidung war zudem nötig, da die 3%-Sperrklausel nicht identisch mit der alten 5%-Sperrklausel ist. Auch hatte der Gesetzgeber die Möglichkeit, ein neues Gesetz zu verabschieden, da es in seinem Ermessen liegt, ob sich die Verhältnisse im Europäischen Parlament geändert haben.

III. Sondervotum des Richters Müller

Richter Müller erklärte sich mit der Entscheidung nicht einverstanden und erklärte ein Sondervotum, in welchem er seine Kritik an dem Urteil äußert:

  • Seiner Auffassung nach werden zu hohe Anforderungen für die Feststellung der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlamentes gestellt.
  • Auch werde die gesetzgeberische Einschätzungsprärogative nicht hinreichend beachtet.
  • Dass das Europäische Parlament eine Sonderstellung einnimmt und sich vom Bundestag unterscheidet sei bezüglich der Annahme einer Sperrklausel ohne Bedeutung.

IV. Fazit

Durch dieses Urteil stellt das Bundesverfassungsgericht klar, dass Sperrklauseln nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen sollen. Dies könnte auch Folgen für Landtags- oder Bundestagswahlen haben. Dort wird aller Voraussicht nach jedoch in naher Zukunft nicht mit einer Abkehr der dortigen Sperrklauseln zu rechnen sein.

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

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Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

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Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.