Tipp: Keine Lust zu lesen? Dann starten Sie doch einfach kostenlos unseren Online-Schuldrecht-Kurs als Live-Repetitorium oder als Studio-Repetitorium.
Tipp: allgemeine Ausführungen zu § 823 BGB (Recht der unerlaubten Handlung) befinden sich in diesem Artikel.
I. Anwendungsbereich
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wird aus Art. 14 GG abgeleitet. Dennoch ist es, ebenso wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR), lediglich ein Auffangtatbestand und daher streng subsidiär.
Tipp: Artikel zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB.
Es findet nur Anwendung, wenn weder eines der ausdrücklich in § 823 Abs. 1 BGB benannten Rechte oder Rechtsgüter, noch andere spezielle Regelungen betroffen sind. Zu solchen Spezialregelungen (lex specialis) zum Schutze eines bestimmten Aspekts des Gewerbebetriebs zählen unter anderem:
- Urheberrecht
- Markenrecht
- Patentrecht
- Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG)
II. Prüfungsschema, § 823 Abs. 1 BGB
§ 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
- 1. Verletzung eines Rechts
- a) Vorliegen eines „Gewerbebetriebs“
- b) Betriebsbezogenheit des Eingriffs
- 2. Verletzungshandlung
- 3. Haftungsbegründende Kausalität
- 4. Rechtswidrigkeit
- a) geschützte Interessen des Eingreifenden
- b) geschützte Interessen des Betroffenen
- c) Abwägung
- 5. Verschulden
- 6. Ersatzfähiger Schaden
- 7. Haftungsausfüllende Kausalität
- 8. Rechtsfolge: Schadensersatz nach § 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 252 BGB
III. Schutzbereich
Definition: Ein Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb ist jede erlaubte, selbstständige Tätigkeit, die auf gewisse Dauer angelegt und auf Gewinnerzielung gerichtet ist.
Der Schutzbereich ist, wie für Rahmenrechte typisch, äußerst weit gefasst. Nach dieser Definition sind ohne Zweifel solche Betriebe erfasst, die auch umgangssprachlich unter den Begriff eines „Gewerbebetriebs“ fallen, wie beispielhaft Stahlwerke, Bekleidungsgeschäfte, Restaurants o. ä..
Aber auch freiberufliche Tätigkeiten, wie das Betreiben einer Arztpraxis oder Anwaltskanzlei zählen zum Gewerbebetrieb. Arbeitnehmer können sich jedoch nicht auf den Schutz des Gewerbes berufen, da sie selbst keine Gewerbetreibenden sind (BGH NJW 2003, 1040).
IV. Eingriff
Auch wenn ein Gewerbebetrieb laut der angeführten Definition gegeben ist, liegt nicht zwangsläufig ein Eingriff in das Recht vor, der auch einen Ersatzanspruch auslöst. Denn Schädigungen, die das Gewerbe betreffen, sind regelmäßig reine Vermögensschaden.
Ein Beispiel: Ein Autofahrer A verursacht aus Unachtsamkeit einen Autounfall mit dem vorbeifahrenden Radfahrer R. Dabei wird R verletzt und ist 4 Wochen arbeitsunfähig. Dem Unternehmer U, bei welchem R als wichtiger und unersetzbarer Projektleiter tätig ist, entgeht durch den Ausfall von R eine Gewinn in Höhe von 10.000€, da in dieser Zeit viele Projekte ruhen müssen.
U erleidet hier mittelbar, durch die Schädigung des R, einen Schaden in seinem Gewerbebetrieb, nämlich entgangenen Gewinn (§§ 249 Abs. 1, 252 BGB). Fraglich ist, ob A auch mittelbare Schäden zu ersetzen hat. Das Rechtsinstitut des Gewerbebetriebs soll als Auffangtatbestand lediglich bestehende Haftungslücken füllen, nicht aber die Haftung ausdehnen. Würde man auch für mittelbare Schäden, wie im Beispiel, einen Ersatzanspruch gewähren, widerspräche dies der gesetzgeberischen Intention.
Denn das Gesetz formuliert in §§ 844, 845 BGB Sonderfälle, in denen auch nur mittelbar durch das Schädigungsereignis betroffenen Dritten ein Ersatzanspruch zusteht. Um eine uferlose, nicht vorgesehene Ausweitung der Haftung zu verhindern, bedarf es einer Einschränkung des Schutzbereichs.
1. Betriebsbezogenheit
Dafür wurde das Kriterium der „Betriebsbezogenheit“ entwickelt. Ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und somit auch die gemäß § 823 Abs. 1 BGB notwendige Verletzung eines Rechts oder Rechtsguts, liegt nur dann vor, wenn der Eingriff auch betriebsbezogen ist.
Definition: Betriebsbezogen sind nur solche unmittelbaren Eingriffe, die sich gegen den Betrieb als solchen richten und nicht nur vom Betrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen (BGHZ 29,65,74).
Zur Präzisierung der Definition und leichteren Subsumtion dienen folgende Indizien für Betriebsbezogenheit:
- Der jeweilige Betrieb ist nicht nur zufällig Ziel des Eingriffs.
- Der Betroffene ist explizit als Gewerbetreibender, nicht als Privatperson betroffen.
- Der Eingriff richtet sich gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit.
- Er geht über eine bloße Belästigung oder sozialübliche Behinderung hinaus.
2. Klassische Fallgruppen
Erkennt man das Problem des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs in der Klausur, ist die Entscheidung zweitrangig, ob eine Betriebsbezogenheit besteht. Dennoch gibt es im Zusammenhang mit dieser Thematik Fallgruppen, die jeder Jura-Student kennen sollte:
- Stromkabel-Fälle: BGHZ 29, 65; BGHZ 41,123
- Durch Beschädigung eines Stromkabels bei Bauarbeiten kommt es zu Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit von elektrischen Geräten in umliegenden Gewerbebetrieben.
- Regelmäßig fehlt hier die Betriebsbezogenheit des Eingriffs, wegen der Zufälligkeit.
- Rechtswidriger Streik: BGH 16.6.77 NJW 1977, 1875
- Wussten die Streikenden von der Rechtswidrigkeit des Streiks oder hätten sie davon wissen können, liegt Betriebsbezogenheit vor.
- Warentest und –urteile: BGH 10.3.1987 NJW 1987, 2222
- Boykott: berühmter „Lüth-Fall“ BVerfGE 7, 198
VI. Rechtswidrigkeit
Wie bei Eingriffen in das APR, ist auch bei einem Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die Rechtswidrigkeit positiv festzustellen. Dazu wird eine Interessen- und Güterabwägung durchgeführt. Als Kriterien der Abwägung dienen Art und Schwere des Eingriffs oder Grundrechte des Anspruchsgegners:
- Geschützte Interessen der Parteien müssen herausgearbeitet und gegenübergestellt werden. Bei der Fallgruppe „Warentest“ besteht beispielsweise ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf der einen und Schutz des Gewerbes auf der anderen Seite.
- Danach werden die Interessen gewichtet. Überwiegen die Interessen des Schädigers, ist der Eingriff rechtmäßig.
VII. Fazit
Wie so häufig besteht die Schwierigkeit im Umgang mit Rahmenrechten darin, einen Eingriff in diese zu erkennen. Anschließend sind es nur wenige Punkte, wie die subsidiäre Anwendbarkeit, tatbestandeinschränkende Kriterien und die Interessenabwägung im Rahmen der Rechtswidrigkeitsprüfung, die es zu meistern gilt.