Hintergrund des Erkenntnisverfahrens
Im sog. Erkenntnisverfahren wird geklärt, ob sich der mögliche Straftäter tatsächlich einer Straftat schuldig gemacht hat. Das Erkenntnisverfahren besteht seinerseits wiederum aus drei Teilen:
- Ermittlungsverfahren (auch Vorverfahren genannt)
- Zwischenverfahren
- Hauptverfahren
Nicht immer durchläuft ein Erkenntnisverfahren alle drei Verfahrensteile. Manchmal liegen nicht genug Beweise vor oder es findet sich ein anderer Beschuldigter. Deshalb gibt es nach dem Ermittlungsverfahren zwei Möglichkeiten, wie dieses seinen Abschluss findet:
Die Möglichkeiten des Abschlusses des Ermittlungsverfahrens
1. Anklageerhebung, § 170 Abs. 1 StPO
Wann das Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist, liegt gem. § 169a StPO in der Entscheidungsbefugnis der Staatsanwaltschaft. Sie ist Herrin des Ermittlungsverfahren.
Bieten die Ermittlung genügend Anlass (hinreichenden Tatverdacht) zur öffentlichen Klage, so erfolgt gem. § 170 Abs. 1 StPO die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft. Voraussetzung für die Anklageerhebung ist demnach, dass nach dem Ergebnis der Ermittlungsarbeiten ein hinreichender Tatverdacht besteht!
Definition: Ein hinreichender Tatverdacht ist gegeben, wenn nach vorläufiger Bewertung des sich aus der Aktenlage ergebenden Sachverhalts eine Verurteilung des Beschuldigten wahrscheinlicher (>50%) ist als ein Freispruch und mithin eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung besteht.
2. Einstellung des Verfahrens, § 170 Abs. 2 StPO
Das Ermittlungsverfahren führt natürlich nicht in jedem Fall zur Anklageerhebung. Nach § 170 Abs. 2 StPO stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, wenn die Voraussetzungen für eine Anklageerhebung nach § 170 Abs. 1 StPO nicht vorliegen.
Eine Einstellung des Verfahrens kommt damit immer dann in Betracht, wenn sich der Anfangsverdacht nicht bestätigt – entweder weil dem Beschuldigten die Tat nicht nachgewiesen werden kann oder weil er schlicht „unschuldig“ ist.
3. Einstellung aus Oppertunitätsgründen
Doch selbst wenn ein hinreichender Tatverdacht gegeben ist, muss nicht zwingend eine Anklageerhebung die Folge sein. Vielmehr kann auch eine Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätsgründen nach den Vorschriften der §§ 153 ff. StPO erfolgen.
Handelt es sich um ein Vergehen und ist die Schuld sehr gering, besteht kein öffentliches Interesse an der Verfolgung oder sprechen andere Gründe dagegen eine Anklage zu erheben, kann das Verfahren eingestellt werden. Dies gilt selbst, wenn dem Täter die Tat nachgewiesen werden könnte. Man unterscheidet die Einstellung ohne belastende Maßnahmen (u.a. §§ 153, 154 ff. StPO) und mit belastenden Maßnahmen (u.a. §§ 153a StPO).
a. Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO
Die Einstellung im Ermittlungsverfahren nach § 153 Abs. 1 StPO erfolgt durch die Staatsanwaltschaft. Wie bereits erwähnt, muss es sich um ein Vergehen ( § 12 Abs. 2 StGB) handeln. Desweiteren muss die Schuld als sehr gering angesehen werden (vgl. § 46 Abs. 2 S. 2 StGB) und ihm nicht einmal nachgewiesen werden können. Ausreichend ist hierbei die bloße Wahrscheinlichkeit basierend auf dem derzeitigen Ermittlungsstand. Sofern ein Verurteilung jedoch unwahrscheinlich erscheint, ist nach § 170 Abs. 2 einzustellen. Ebenfalls darf kein öffentliches Verfolgungsinteresse bestehen (z.B. besteht dies fast immer bei Delikten nach §§ 113, 114 StGB). Zuletzt muss das Gericht zustimmen.
Schema, § 153 Abs. 1 StPO:
- Vergehen
- Schuld ist gering
- Fehlendes öffentliches Verfolgungsinteresse
- Zustimmung des Gerichts
Die Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO ist zudem zu unterscheiden von der nach § 153 Abs. 2 StPO, welche nach Eröffnung des Hauptverfahrens vorliegen kann. Dort müssten StA und Beschuldigter zustimmen.
b. Einstellung nach § 153a Abs. 1 StPO
Wenn trotz eines geringen Verschuldens ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, kann dieses durch Erfüllung einer Auflage beseitigt werden, § 153a Abs. 1 StPO. Demnach müssen die gleichen Voraussetzungen für § 153a Abs. 1 StPO vorliegen wie auch für § 153 Abs. 1 StPO mit dem Unterschied, dass nicht kein öffentliches Verfolgungsinteresse besteht, sondern dies durch eine Auflage beseitigt werden kann und der Beschuldigte und das Gericht zustimmen muss.
Als Auflagen kommen nach § 153a Abs. 1 StPO etwa die Zahlung eines Geldbetrags oder das Ableisten gemeinnütziger Arbeit in Betracht, wobei die Aufzählung in § 153a Abs. 1 StPO nicht abschließend ist.
c. Einstellung nach § 154 StPO und Beschränkung der Verfolgung nach § 154a StPO
Weiterhin kann das Verfahren auch dann – aus Verfahrensökonomie – eingestellt werden, wenn der Beschuldigte bereits wegen einer anderen, schwerer wiegenden Tat verurteilt ist oder eine solche Verurteilung zu erwarten steht, § 154 StPO. Sollte sich dabei herausstellen, dass es zu der angenommenen Verurteilung doch nicht kommt, kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren allerdings auch wieder aufnehmen. Weiterhin kann auch die Verfolgung beschränkt werden, § 154a StPO.
- Bei selbstständigen prozessualen Taten, § 154 StPO:
Einstellung durch die StA und nach Klageerhebung durch das Gericht, wenn die einzustellende Tat neben einer anderen Tat nicht ins Gewicht fällt. - Bei einer prozessualen Tat, § 154a StPO:
Beschränkung durch die StA und nach Klageerhebung durch das Gericht auf die „gewichtigen“ Gesetzesverletzungen.
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