I. Kündigungsgründe
Die Unterschiede zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung sind in der folgenden Tabelle aufgeführt:
Das KSchG bietet dem Arbeitgeber drei Gründe an, nämlich die Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers (personenbedingte Kündigung), die Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers (verhaltensbedingte Kündigung) und die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen (betriebsbedingte Kündigung).
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Als betriebsbedingte Kündigung gilt eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung, mit der einem Arbeitnehmer, der durch das KSchG geschützt ist, (trotzdem) in rechtlich zulässiger Weise ordentlich gekündigt werden kann, falls dem Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich ist.
In der Praxis werden betriebsbedingte Kündigungen oftmals im Falle der Schließung oder Auslagerung von Abteilungen, bei Maßnahmen der Umstrukturierung oder bei Betriebsstillegungen (z. B. bei Insolvenz) ausgesprochen.
Zu beachten ist hierbei jedoch, dass der Schutz des Arbeitnehmers gegen eine betriebsbedingte Kündigung nicht allzu weit reicht. Leider verträgt sich in der Realität des Arbeitsmarktes ein absoluter Bestandsschutz nicht mit der Notwendigkeit eines wirtschaftlichen Einsatzes des Faktors Arbeit. Denn zugleich soll die Erhaltung der wirtschaftlichen Substanz auch andere Arbeitnehmer eines Unternehmens vor einem Arbeitsplatzverlust bewahren.
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II. Die dreistufige Prüfung
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Eine betriebsbedingte Kündigung wird anhand von drei Stufen auf Ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft:
- Es darf für den Arbeitnehmer zu den ursprünglichen Arbeitsbedingungen aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr geben.
- Zudem darf keine andere Möglichkeit der Weiterbeschäftigung vorliegen.
- Zuletzt muss eine ordnungsgemäße Sozialauswahl stattfinden.
Beachte: Sofern nur eine dieser Voraussetzungen fehlt, ist die Kündigung unwirksam.
1. Dringende betriebliche Erfordernisse
Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen zählen z. B. Rationalisierungsmaßnahmen, eine Umstellung oder Einschränkung der Produktion bzw. auch ein Auftragsmangel oder ein Umsatzrückgang. Dies sind vor allem in wirtschaftlich schlechten Zeiten wichtige Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung.
Es genügt aber nicht, wenn der Arbeitgeber zur Begründung der Kündigung pauschal auf einen Umsatzrückgang oder auf die Notwendigkeit von Einsparungen verweist. Der Arbeitgeber muss vielmehr darlegen, dass er sich wegen des Umsatzrückgangs zu einem Personalabbau in einer bestimmten Größenordnung, in bestimmten Betriebsabteilungen bzw. bei bestimmten Arbeitnehmergruppen entschieden hat.
Ob eine solche unternehmerische Entscheidung betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, wird vom Arbeitsgericht allerdings nicht überprüft. Die Entscheidung muss nur zusammen mit ihren Auswirkungen auf den Bedarf an bestimmten Arbeitskräften nachvollziehbar dargelegt worden sein.
2. Der Wegfall des Arbeitsplatzes
Ferner muss die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung zum Wegfall des Arbeitsplatzes des aufgekündigten Arbeitnehmers geführt haben. Dies liegt immer dann vor, wenn mehr besetzte Arbeitsplätze vorliegen, als der Arbeitgeber für die jeweils anfallende Arbeit benötigt.
Jedoch ist aufgrund des ultima-ratio-Prinzips, das in § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG durch die Termini „dringend“ und „bedingt“ zum Ausdruck kommt, darauf zu achten, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung zunächst andere wirtschaftlich vertretbare Maßnahmen durchgeführt hat. Dies kann z. B. der Abbau von Überstunden sein – nicht jedoch die Einführung von Kurzarbeit, denn diese setzt lediglich eine vorübergehende, fehlende Beschäftigungsmöglichkeit voraus.
3. Ohne anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit
Des Weiteren darf keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestehen, d. h. sofern der Arbeitnehmer in dem selben oder einem anderen Betrieb weiterbeschäftigt werden kann, ist eine Kündigung ausgeschlossen.
4. Die Sozialauswahl
Schließlich muss der Arbeitgeber bei der Auswahl des gekündigten Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigen, d. h. er darf keinen Fehler bei der Sozialauswahl machen (§ 1 Abs. 3 KSchG).
a.) Die Bildung von Vergleichsgruppen
Bei der Bildung von Vergleichsgruppen ist der Personenkreis zu ermitteln, der für die Auswahl unter sozialen Gesichtspunkten in Betracht kommt.
Innerhalb des Betriebes – nicht jedoch innerhalb des Unternehmens oder gar des Konzerns – sind immer sämtliche Arbeitnehmer zu berücksichtigen, die vergleichbar sind mit dem, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, wobei sich die Vergleichbarkeit nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen richtet.
Vergleichbar sind somit allein diejenigen Arbeitnehmer, die im Hinblick auf die von ihnen ausgeübte Tätigkeit austauschbar sind. Entscheidend ist damit, dass der Arbeitnehmer dessen Arbeitsplatz entfällt, in der Lage ist, die gleichwertige Arbeit eines anderen Arbeitnehmers auszuüben.
Eine Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer stellt sich jedoch nur ein, sofern diese auf der gleichen hierarchischen Ebene im Betrieb im Hinblick auf die von ihnen ausgeübte Tätigkeit hin austauschbar sind. Somit muss die Versetzung auf den anderen Arbeitsplatz vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt sein. Dies wird unter dem Stichwort der horizontalen Vergleichbarkeit behandelt.
Demgegenüber sind Arbeitnehmer der unterschiedlichen Stufen der horizontalen Vergleichbarkeit nicht austauschbar (sog. vertikale Vergleichbarkeit).
Beachte: Bei der Bildung von Vergleichsgruppen ist zudem darauf zu achten, ob bestimmte Personen vorrangig zu kündigen sind bzw. komplett aus der Sozialauswahl herausfallen.
b.) Die Kriterien der Sozialauswahl
Die eigentliche Sozialauswahl hat innerhalb des festgelegten Personenkreises zu erfolgen. Das Prinzip der Sozialauswahl besagt, dass nur diejenigen Arbeitnehmer gekündigt werden können, die sozial am wenigsten schutzbedürftig sind. Dazu sagt § 1 Abs. 3 bis Abs. 5 KSchG in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung:
- Abs. 3: Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.
- Abs. 4: Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die soziale Auswahl der Arbeitnehmer nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
- Abs. 5: Sind bei einer Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
Gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG sind hierbei also zu berücksichtigen:
- Die Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Das Lebensalter
- Unterhaltspflichten
- bzw. eine etwaige Schwerbehinderung des Arbeitnehmers
Bei der Sozialauswahl trifft es also eher diejenigen Arbeitnehmer, die jung und vergleichsweise kurz beschäftigt sind, die keine Unterhaltspflichten erfüllen müssen und die keine Schwerbehinderung aufweisen. Bei sog. Massenentlassungen wird ein Arbeitgeber in der Regel auf Punktetabellen zurückgreifen.
Beispiel: Der Arbeitgeber steht vor der Entscheidung, aus betriebsbedingten Gründen entweder Arbeitnehmer Schlau oder Arbeitnehmer Klug zu kündigen. Schlau ist 55 Jahre alt und seit 15 Jahren im Betrieb beschäftigt; zudem hat Schlau zwei unterhaltsberechtigte Kinder. Arbeitnehmer Klug dagegen ist 30 Jahre alt, erst seit drei Jahren im Betrieb tätig und hat keine Kinder. Hier muss der Arbeitgeber Arbeitnehmer Klug kündigen, da er weniger als Arbeitnehmer Schlau auf seinen Arbeitsplatz angewiesen ist. Die Sozialauswahl geht daher zu Gunsten des Arbeitnehmers Schlau aus.
c.) Berechtigtes betriebliches Interesse an bestimmten Arbeitnehmern
Mitunter besteht ein berechtigtes betriebliches Interesse des Arbeitgebers an bestimmten Arbeitnehmern. Somit können von der Sozialauswahl diejenigen Arbeitnehmer ausgenommen werden, deren Weiterbeschäftigung aufgrund ihrer Kenntnisse und Leistungen (sog. Leistungsträger) bzw. zur Erhaltung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liegt (§ 1 Abs. 3 S. 2 KSchG).
Beachte: Der Arbeitgeber darf jedoch einzelne Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herausnehmen.
5. Der Anspruch auf eine Wiedereinstellung
Dem Arbeitnehmer steht im Fall einer betriebsbedingten Kündigung jeweils dann ein Anspruch auf eine Wiedereinstellung zu, sofern sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt und zugleich der Wiedereinstellung keine berechtigten Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen.