I. Lohn bei fehlerhaftem Arbeitsverhältnis mit minderjährigem Arbeitgeber
Normalerweise entsteht ein Anspruch auf Lohn durch einen gültigen Arbeitsvertrag und dem tatsächlichen Erbringen der durch den Arbeitsvertrag geschuldeten Leistung durch den Arbeitnehmer. Allerdings ist es keine Seltenheit, dass Arbeitsverträge fehlerhaft und damit eventuell sogar ungültig sind. Häufig ist dies der Fall, wenn der Arbeitsvertrag:
- gegen die guten Sitten verstößt,
- gegen ein Strafgesetz verstößt,
- vorgeschriebene Normen nicht einhält oder
- von mindestens einem Minderjährigen geschlossen wurde.
Mit dem letzten Fall beschäftigen wir uns in diesem Beitrag. Folgender Fall dient uns als Beispiel:
Hans Hurtig (17 Jahre) ist seinem Alter deutlich voraus. Er sieht nicht nur deutlich älter aus, sondern beschließt auch für sich, dass er nicht mehr zur Schule gehen will, sondern arbeiten möchte. Hierfür gründet er die Firma Super Logistik und stellt dafür Gerd Leichtgläubig an und vereinbart einen Lohn von 900€. Er unterschreibt den Arbeitsvertrag, den seine Mutter 2 Wochen später beim Aufräumen findet, woraufhin sie erfährt, dass er auch nicht mehr zur Schule geht. Natürlich sind Mutter und Vater von Hans nicht mit der Arbeit einverstanden und teilen dies auch Gerd Leichtgläubig mit. Wäre eine Klage von Gerd auf Lohnzahlung für zwei Wochen begründet und könnte er Ansprüche gegen Hans Hurtig geltend machen?
Folgendermaßen kann man einen Anspruch von Gerd L. prüfen:
- Anspruch aus § 611a BGB
- Anspruch aus fehlerhaftem Arbeitsverhältnis
- Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB
- Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB
II. Anspruch aus Arbeitsvertrag
Damit ein Anspruch aus § 611a BGB besteht, müsste der Arbeitsvertrag zwischen Hans H. und Gerd L. wirksam sein. Der Vertrag ist jedoch wegen der Minderjährigkeit von Hans H. unwirksam. Hans H. ist wegen seines Alters nach §§ 106, 2 BGB nur beschränkt geschäftsfähig. Aus diesem Grund ist für die Wirksamkeit einer Willenserklärung von Hans H. nach § 107 BGB das Einverständnis der Eltern erforderlich (vgl. §§ 1626, 1629 BGB).
Eine Ausnahme stellen Willenserklärungen dar, durch deren Abgabe nur Vorteile für den Minderjährigen folgen. Beides liegt hier nicht vor. Die Eltern haben deutlich betont, dass sie nie mit dem Arbeitsverhältnis einverstanden waren, noch ist der Arbeitsvertrag für Hans lediglich rechtlich vorteilhaft. Eher im Gegenteil. Die Eltern verwiesen darauf, dass ihrem Sohn durch Gerd L.s Arbeitsleistung kein Gewinn entstanden ist.
III. Anspruch aus den Grundsätzen des fehlerhaften Arbeitsvertrages
Definition: Ein fehlerhaftes Arbeitsverhältnis liegt vor, wenn die Beteiligten einen unwirksamen Vertrag geschlossen haben, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich in Vollzug gesetzt wurde und keine Wertungen entgegenstehen.
Liegen diese Voraussetzungen vor, wird der Vertrag zumindest für die Vergangenheit als wirksam betrachtet. Die ersten beiden Voraussetzungen sind in unserem Fall gegeben. Wegen der Minderjährigkeit des Hans H. ist der Arbeitsvertrag unwirksam. Durch die zweiwöchige Tätigkeit wurde der Vertrag vollzogen.
ABER: Der Grundsatz des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses darf anderen gesetzlichen Wertungen nicht entgegenstehen. Hier stellt sich das Problem, dass die Unwirksamkeit des Vertrages zwar gegeben ist und somit die Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsvertrages erfüllt sind, diese Unwirksamkeit jedoch durch die Minderjährigkeit des Hans H. begründet ist. §§ 107 ff. BGB haben den Sinn, den Minderjährigen vor rechtlich nachteiligen Folgen zu schützen. Würde man jetzt Hans H. nach den Grundsätzen des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses zur Zahlung des Arbeitslohns verpflichten, so würde das mit der Schutzfunktion der §§ 107 ff. BGB kollidieren. Aus diesem Grund ist eine Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsvertrages hier nicht anwendbar.
Tipp: Mehr zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis erfährst du in diesem Artikel!
IV. Bereicherungsrechtliche Ansprüche
Aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 und § 818 Abs. 2 BGB würde sich eigentlich ein bereicherungsrechtlicher Anspruch des Gerd L. ergeben. Allerdings steht dem nach § 818 Abs. 3 BGB entgegen, dass Hans H. durch die Arbeitsleistung des Gerd. L keinerlei Gewinn gemacht hat und damit auch nicht bereichert wurde.
Hinweis: Auch eine verschärfte Haftung kommt nicht infrage (§§ 818 Abs. 4 und 818 Abs. 1 BGB). Hier wäre im Falle der Leistungskondiktion bei Minderjährigkeit des Bereicherungsschuldners auf die Kenntnis der Eltern nach § 166 Abs. 1 BGB abzustellen.
V. Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB
Auch Schadensersatz kann Gerd L. nicht geltend machen, da die Erziehungsberechtigten nicht mit dem Vertrag einverstanden waren und ihre Einwilligung hierfür dementsprechend fehlt.
Für Gerd L. und alle anderen, die einen Arbeitsvertrag mit einem Minderjährigen als Arbeitgeber schließen, bedeutet das, dass sie, insofern die Eltern nicht zugestimmt haben, keinerlei Ansprüche, wie Lohn, aus diesem unwirksamen Vertragsverhältnis ableiten können.