I. Allgemeines zur Darlegungs- und Beweislast
Im Zivilprozess gilt die Verhandlungs-/Dispositionsmaxime, die auch Beibringungsgrundsatz genannt wird. Die Verhandlungsmaxime wird beschränkt durch die Frage- und Aufklärungspflicht des Richters z.B. in §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO.
Im Gegensatz dazu besteht im Straf- und Verwaltungsverfahren der Untersuchungsgrundsatz(Amtsermittlungsgrundsatz / Legalitätsprinzip). Hier obliegt der Staatsanwaltschaft die Pflicht, das Geschehen von Amts wegen aufzuklären.
Im Zivilprozess sind die Parteien deshalb dafür verantwortlich, die relevanten Tatsachen in den Prozess einzubringen:
- Die Darlegungslast bestimmt hierbei, dass die Parteien gezwungen sind, Tatsachen vorzutragen, die dann Basis der rechtlichen Prüfung sind.
- Wenn im Folgenden etwas bewiesen werden muss, kommt die Beweislast zum Tragen, die bestimmt, wen die Pflicht trifft, eine streitige Tatsache auch nachzuweisen.
II. Darlegungslast
Die Darlegungslast bestimmt, welche der Parteien dazu verpflichtet ist, die jeweiligen Tatsachen vorzubringen.
Dementsprechend spricht man bei der Darlegungslast auch von Tatsachenvortragslast.
1. Prozessförderungspflicht
§ 282 Abs. 1 ZPO statuiert die allgemeine Prozessförderungspflicht, nach der die Tatsachen rechtzeitig vorgebracht werden müssen. Hat der Richter den Parteien eine Frist für den Vortrag von Tatsachen gesetzt, müssen die Parteien diese Fristen beachten.
Als Angriffs- und Verteidigungsmittel in diesem Sinne zählen beispielsweise: Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden.
2. Sanktionen bei Verspätungen
Sofern die Angriffs- und Verteidigungsmittel verspätet vorgebracht werden, kann dies die Nichtzulassung oder Zurückweisung des Vorbringens zur Folge haben, § 296 ZPO. Dies bedeutet, dass das Vorbringen bei der Entscheidung unter den Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 ZPO unbeachtet bleibt.
Die Voraussetzungen aus § 296 I ZPO lauten:
- Vorbringen eines Angriffs- und Verteidigungsmittels nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist
- Verzögerung des Rechtsstreits nach Überzeugung des Gerichts
- Fehlen oder ungenügende Entschuldigung
Die Verzögerung des Rechtsstreits liegt nach dem absoluten Verzögerungsbegriff (h.M.) vor, wenn bei Zulassung des verspäteten Vorbringens der Prozess länger dauern würde als bei einer Zurückweisung.
Die Mindermeinung stellt auf einen hypothetischen Verzögerungsbegriff ab und berücksichtigt daher, dass ggf. der Prozess trotz rechtzeitigem Vorbringen nicht hätte früher beendet werden können.
Für den absoluten Verzögerungsbegriff spricht, dass das Gericht keine hypothetischen Ermittlungen anstellen muss und der Beschleunigungsgrundsatz gewahrt wird. Dagegen spricht, dass das Gericht objektiv ggf. die falsche Entscheidung trifft.
III. Beweislast
1. Grundprinzip der Rosenbergschen Formel
Das Grundprinzip der der Beweislastverteilung besagt, dass grundsätzlich der Kläger die Erfüllung des Tatbestands bzw. der Erfüllung seiner Tatbestandsmerkmale beweisen muss.
Allgemein gesprochen kann auch festgehalten werden, dass grundsätzlich derjenige, der im Prozess etwas für sich Positives behauptet, dieses Vorbringen auch beweisen muss.
Kurz: Was mir nützen soll, muss ich behaupten und beweisen.
Wird im Gesetz auf die Beweislastverteilung eingegangen, handelt es sich regelmäßig um Abweichungen von diesem Grundprinzip.
2. Ausdrückliche Regelungen der Beweislast
Ein Beispiel für eine ausdrückliche Sonderregel ist § 179 Abs. 1 BGB:
Wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, ist, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert.
In diesem Fall muss der mutmaßliche Vertreter ohne Vertretungsmacht den Beweis der Vertretungsmacht erbringen.
3. Vermutungen
Daneben gibt es noch die gesetzlichen Vermutungen. Der Unterschied zwischen den ausdrücklichen Beweislastregelungen und den Vermutungen besteht darin, dass die Vermutungsbasis, der Tatbestand der Vermutung, verwirklicht sein muss.
Beispiel Erwerb der Briefhypothek § 1117 Abs. 3 BGB:
Ist der Gläubiger im Besitz des Briefes, so wird vermutet, dass die Übergabe erfolgt sei.
Hier ist der Besitz des Briefes die Vermutungsbasis. Ist der Gläubiger im Besitz des Briefes, greift die Vermutung. Lässt sich im Prozess die Übergabe des Briefes für den Gläubiger nicht beweisen, müsste nach der Grundregel der Beweislast davon auszugehen sein, dass der Brief nicht übergeben wurde. Ist er allerdings im Besitz des Briefes wird ein positives Beweisergebnis angenommen.
Quellen
- Musielak, Hans-Joachim/ Voit, Wolfgang: Grundkurs ZPO, 12. Auflage 2014.
- Knöringer, Dieter: Die Assessorklausur im Zivilprozess, 15. Auflage 2014.
- Schneider, Egon: Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage 1994.