I. Begriff des Anwartschaftsrechts
Der Begriff Anwartschaftsrecht dient lediglich der vereinfachten Darstellung, ist aber nicht Gegenstand spezieller gesetzlicher Regelungen.
Definition: Das Anwartschaftsrecht ist eine Rechtsposition, die bei einem mehrstufigen, insbes. bedingten Rechtserwerb dem Erwerber vor Vollendung des Rechtserwerbs zusteht.
Das Anwartschaftsrecht knüpft an § 158 BGB an: Wird ein Rechtsgeschäft unter aufschiebender Bedingung abgeschlossen, so hängen die Rechtswirkungen dieses Rechtsgeschäfts nur noch vom Bedingungseintritt ab.
Beispiel:Am wichtigsten ist hierbei der Eigentumsvorbehalt, § 449 BGB.
Das Anwartschaftsrecht kann auch durch auflösende Bedingung entstehen.
Beispiel: Sicherungsübereignung, wenn Parteien dort vereinbart haben, dass ein Sicherungsgut zur Sicherung einer Forderung auf einen Sicherungsnehmer übertragen wird und das Eigentum bei vollständiger Erfüllung der Forderung (§ 158 Abs. 2 BGB) automatisch wieder an den Sicherungsgeber zurückfallen soll.
II. Rechtliche Einordnung des Anwartschaftsrechts
Das Anwartschaftsrecht ist eine weitgehend gesicherte Rechtsposition.
Jedoch ist die rechtliche Einordnung des Anwartschaftsrechts umstritten:
III. Abhängigkeit des Anwartschaftsrechts
Ist die Bedingung eingetreten, (Beispiel: Zahlung des Kaufpreises) verwandelt sich das Anwartschaftsrecht automatisch in Eigentum an der Sache.
Kann die Bedingung nicht mehr eintreten, (Beispiel: Kaufpreisforderung infolge Rücktritts vom Kaufvertrag, durch Anfechtung oder Aufhebung des Kaufvertrages untergegangen ist) geht das Anwartschaftsrecht ebenfalls unter, weil wegen Unmöglichkeit des Bedingungseintritts auch das Eigentum nicht mehr erworben werden kann.
IV. Erwerb des Anwartschaftsrechts
Bei dem Erwerb des Anwartschaftsrechts ist zwischen Ersterwerb und Zeiterwerb zu unterscheiden:
Da das Anwartschaftsrecht den Erwerb des Vollrechts vermitteln soll, richtet sich der Erwerb nach den Vorschriften des Vollrechtserwerbs.
1. Ersterwerb des Anwartschaftsrechts
- Bedingte Einigung i.S.d. §§ 929, 158 BGB
- Übergabe oder Übergabesurrogat, §§ 929 f. BGB
- Einigsein
- Berechtigung des Veräußerers oder hilfsweise gutgläubiger Erwerb, §§ 932 f. BGB
- Fortbestand abhängig von Möglichkeit des Bedingungseintritts
2. Zweiterwerb des Anwartschaftsrechts
- Einigung über Übertragung Anwartschaftsrechts, § 929 S. 1 BGB analog
- Übergabe oder Übergabesurrogat, §§ 929 f. BGB
- Einigsein
- Berechtigung des Veräußerers im Hinblick auf Anwartschaftsrecht
- Fortbestand Anwartschaftsrecht abhängig von Möglichkeit des Bedingungseintritts
V. Gutgläubiger Erwerb des Anwartschaftsrechts
Das Anwartschaftsrecht kann grundsätzlich auch gutgläubig Erworben werden.
1. Gutgläubiger Ersterwerb vom Nichteigentümer
Der Nichtberechtigte kann beim Verkauf einer beweglichen Sache anstelle einer unbedingten
Eigentumsübertragung einen Eigentumsvorbehalt vereinbaren.
Der Erwerber erlangt dann unter den allg. Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs das Anwartschaftsrecht. Es erstarkt entsprechend der vertraglichen Bedingungen zum Vollrecht.
Der gute Glaube des Erwerbers muss im Zeitpunkt der Einigung und Übergabe vorliegen, nicht im Zeitpunkt des Bedingungseintritts.
Beispiel: V verkauft einen der E gehörenden Pelzmantel, der ihm zur Verwahrung übergeben war, auf Abzahlung an K und übergibt ihm den Mantel, behält sich aber das Eigentum vor. K hält V für den Eigentümer. Der gutgläubige K hat mit Übergabe wirksam das Anwartschaftsrecht vom Nichtberechtigten V erworben, §§ 929 S. 1, 158 Abs. 1, 932 BGB.
2. Gutgläubiger Zweiterwerb vom Nichtberechtigten bei bestehendem Anwartschaftsrecht
Der Gutgläubige Zweiterwerb vom Nichtberechtigten bei bestehendem Anwartschaftsrecht ist umstritten:
- Eine Ansicht: Ablehnung der §§ 932 ff. BGB; Anwartschaftsrecht als Rechtsposition mit starker schuldrechtlicher Komponente für Gutglaubenserwerb ungeeignet
- Andere Ansicht: §§ 932 ff. grds. analog anwendbar; Vertrauen des Erwerbers schutzwürdig; gutgläubiger Erwerb unter folgenden Voraussetzungen:
Der Zeitpunkt des guten Glaubens ist die Übergabe, niemals der Bedingungseintritt.
3. Kein gutgläubiger Zweiterwerb eines nicht existenten Anwartschaftsrechts
Ist ein Anwartschaftsrecht überhaupt nicht entstanden, ist nach h. M. kein gutgläubiger Erwerb
möglich.
Der gutgläubige Erwerb setzt als Anknüpfungspunkt ein existierendes Recht voraus.
Beispiel: V hat von E einen Roller ausgeliehen, behauptet D gegenüber aber, er habe ihn von E unter Eigentumsvorbehalt gekauft. Auch wenn D gutgläubig ist, kann er das behauptete Anwartschaftsrecht des V nicht analog §§ 929 S. 1, 932 BGB erwerben.
VI. Übertragung des Anwartschaftsrechts, §§ 929 ff. BGB analog
Die Übertragung durch den Anwartschaftsberechtigten ist ohne eine Einwilligung des
Vollrechtsinhabers möglich.
Die unwirksame Übereignung kann in eine Übertragung des Anwartschaftsrechts umgedeutet werden, § 140 BGB.
Beispiel: V behauptet Eigentümer zu sein, obwohl ihm in Wirklichkeit nur ein Anwartschaftsrecht zusteht, und veräußert sein angebliches Eigentum an K. Dieser erkennt groß fahrlässig die wahren Eigentümerverhältnisse nicht. Ein gutgläubiger Erwerb scheidet nach § 932 Abs. 2 BGB aus. Die Einigung zwischen V und K kann aber dahin gedeutet werden, dass K zumindest das Anwartschaftsrecht des V erwerben sollte.
VII. Anwartschaftsrecht als Recht zum Besitz
Der Käufer, der den Besitz an der Sache vom Verkäufer übertragen erhalten hat ist unmittelbarer Fremdbesitzer.
Aufgrund des relativen Rechts aus dem Kaufvertrag ist er dem Verkäufer ggü. zum Besitz berechtigt. Der Käufer hat somit ein obligatorisches Besitzrecht.
Umstritten ist, ob das Anwartschaftsrecht als solches ein gegenüber jedermann und damit auch gegenüber Eigentümer wirkendes, dingliches Besitzrecht gewährt:
VIII. Schutz des Anwartschaftsrechts
- Anwartschaftsberechtigte kann wie jeder andere Besitzer Besitzansprüche §§ 858 ff., 1007 Abs. 1, Abs. 2 BGB geltend machen
- Kann gegen unberechtigten Besitzer Ansprüche aus § 985 sowie §§ 987 ff. BGB analog geltend machen
- Verdient Schutz wie Eigentum
Beispiel: Wird der von A auf Abzahlung gekaufte Pkw von D gestohlen, so kann A von D aufgrund seines Anwartschaftsrechts analog § 985 BGB Herausgabe verlangen. Der Eigentümer E kann analog § 986 Abs. 1 S. 2 BGB von D nur Herausgabe an A verlangen. - Nach h. M. als absolutes Recht durch § 823 Abs. 1 BGB geschützt
- Schutz vor Zwischenverfügungen, § 161 BGB
- Schutz gegen Störungen, § 1004 BGB analog
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