I. Allgemeines zum Deal
Absprachen über den weiteren Verfahrensablauf zwischen dem Vorsitzenden, der StA und dem Verteidiger sowie dem Angeklagten (Deal) sind gerade im praktischen Bereich nicht wegzudenken, aber auch in der Klausur kann ein solcher Deal vorkommen.
Oftmals beinhaltet ein Deal eine Zusage über eine Strafmilderung oder eine Strafobergrenze durch das Gericht, wenn der Angeklagte ein Geständnis abgibt. Dadurch erspart man sich aufwändige Beweisaufnahmen.
II. Kritik am Deal
Dem Deal begegnen aber auch zahlreiche rechtsstaatliche Bedenken, v.a. gegenüber:
- Dem Legalitätsprinzip: wegen des indisponiblen staatlichen Strafanspruchs
- Dem Grundsatz des fairen Verfahren
- Dem Ermittlungsgrundsatz: wenn dem Geständnis Glauben geschenkt wird, obwohl noch Zweifel an Täterschaft und Schuld des Angeklagten bestehen.
- dem Grundsätze der Öffentlichkeit und Mündlichkeit: keine wirksame Kontrolle durch die Öffentlichkeit
- der Unschuldsvermutung und Grundsatz „in dubio pro reo”
Tipp: Mehr zu den Verfahrensgrundsätzen? Dann empfehlen wir diesen Artikel.
III. Voraussetzungen eines Deals
Für einen wirksamen Deal müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:
- keine unsachgemäße Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung
- Das Geständnis des Angeklagten „soll“ Bestandteil der Verständigung sein
- Gegenstand der Verständigung
gemäß § 257c Abs. 2 S.1 StPO nur Rechtsfolgen die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können. Der Schuldspruch darf hingegen in keinem Fall Gegenstand der Absprache sein, § 257c Abs. 2 S.3 StPO - Keine feste Zusage zum Strafmaß, nur Festsetzung einer Strafobergrenze, § 257c Abs. 3 S.2 StPO.
- Strafe schuldangemessen, § 257c Abs. 4 StPO
- Gelegenheit zur Äußerung
- Zustimmung Angeklagter und StA, § 257c Abs. 2 S.3, 4 StPO.
IV. Das BVerfG zum Deal
1. Sachverhalt
Im Dezember 2012 verurteilte das LG Berlin den Beschwerdeführer B wegen Betäubungsmitteldelikten zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren. Dem Urteil ging eine Absprache zwischen Gericht und Angeklagtem voraus, die der Verteidiger von B initiiert hatte. Die Strafkammer stellte B in Aussicht, eine Freiheitsstrafe von nicht über 6 Jahren und 6 Monaten zu verhängen, wenn dieser unter anderem ein glaubhaftes Geständnis ablege. B, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft stimmten diesem Vorschlag der Strafkammer zu.
Erst im Anschluss daran wurde B gem. § 257c Abs. 5 StPO belehrt. Das Geständnis legte B im folgenden Hauptverhandlungstermin eine Woche später ab. Mit seiner Revision vor dem BGH rügte B, dass das Landgericht ihn nicht bereits bei Unterbreitung des Deals belehrt hatte. Der BGH verwarf die Revision im August 2013. Daraufhin legte B Verfassungsbeschwerde zum BVerfG ein.
2. Problemaufriss
Zentrale Vorschrift für Deals im Strafverfahren ist § 257c StPO.
(1) Das Gericht kann sich […] über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. […]
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll ein solcher Deal folgendermaßen aussehen: Das Gericht schlägt dem Angeklagten eine Obergrenze für die begangene Straftat vor, im Gegenzug legt dieser ein glaubwürdiges Geständnis ab.
Werden jedoch hinterher besondere rechtliche oder tatsächliche Umstände bekannt, und hält das Gericht deshalb den angesetzten Strafrahmen für nicht mehr angemessen, dann ist es gem. § 257c Abs. 4 StPO nicht mehr an die Absprache gebunden.
Darüber muss der Angeklagte gem. § 257c StPO belehrt werden. Diese Belehrungspflicht wurzelt in dem Recht auf faires Verfahren (Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3GG). Was die StPO jedoch nicht regelt, ist der Zeitpunkt der Belehrung.
3. Urteil des BVerfG
Zum Nachlesen: BVerfG, Urt. v. 25.08.2014 – 2 BvR 2048/13
Nach Ansicht des BVerfG verletzen die Urteile des LG Berlin sowie des BGH den B in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) und verstoßen gegen die Selbstbelastungsfreiheit. Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ist ebenfalls im Rechtstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG verankert und hat Verfassungsrang. Er umfasst die Aussage- und Entschließungsfreiheit des Angeklagten während des Strafverfahrens. Der Angeklagte muss frei von Zwang entscheiden können, ob er mittels einer Absprache am Verfahren mitwirkt.
Ein Deal ist deshalb nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens vereinbar, wenn der Angeklagte vor dessen Zustandekommen über die nur eingeschränkte Bindungswirkung des Gerichts belehrt wurde. Nur mit vorheriger Belehrung kann sicher gestellt werden, dass der Angeklagte eigenverantwortlich und in Kenntnis der Konsequenzen darüber entscheidet, ob er sich auf einen Deal einlässt oder nicht.
Das BVerfG stärkt damit in seiner Urteilsbegründung die Rechte des Angeklagten und stellt außerdem klar, dass die Belehrungspflicht aus § 257c Abs. 4 StPO keine reine Ordnungsvorschrift ist, sondern den Grundsatz des fairen Verfahrens sichert.
V. Relevanz fürs Studium
Das Urteil des BVerfG überzeugt mit seiner schlüssigen Begründung. In Klausuren werden strafprozessrechtliche Fragen in der Einkleidung einer Verfassungsbeschwerde wohl eher selten geprüft. Dafür eignet sich die Thematik aber hervorragend für die mündliche Prüfung. Aus diesem Grund lohnt es sich, sich die wesentlichen Kernargumente des BVerfG einzuprägen.