I. Sinn und Zweck der §§ 987 ff. BGB
Der Anspruch auf Herausgabe, den der Eigentümer gegen den Besitzer ohne Recht zum Besitz nach § 985 BGB geltend machen kann, reicht oft nicht aus, um seinen Interessen gerecht zu werden. So kann es etwa sein, dass der Besitzer die Sache beschädigt hat, während sie sich bei ihm befand. Damit stehen dem Eigentümer regelmäßig noch andere Ansprüche gegen ihn zu. Hierbei handelt es sich um solche auf Nutzungsherausgabe und auf Schadensersatz. Demgegenüber hat der Besitzer gegenüber dem Eigentümer unter Umständen Ansprüche auf Verwendungsersatz.
Das System der §§ 987 ff. BGB schützt indessen den gutgläubigen, unverklagten Besitzer vor einer Inanspruchnahme durch den Eigentümer. Er soll (abweichend von den §§ 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2, 818 und 823 Abs. 1 BGB) nicht gezwungen werden, Nutzungen herauszugeben oder Schadensersatz zu leisten.
II. Mögliche Ansprüche des Eigentümers auf Nutzungsherausgabe
Dem Eigentümer können gegen den Besitzer zunächst unterschiedliche Ansprüche auf Nutzungsherausgabe zustehen.
Tipp: Lies dir folgenden Artikel durch, um dich intensiver mit dem Nutzungsersatz im EBV zu beschäftigen!
1. Der Anspruch aus § 987 Abs. 1 BGB
Der Anspruch aus § 987 Abs. 1 BGB hat dabei diese Voraussetzungen:
1. Vindikationslage
2. Ziehung von Nutzungen durch den Besitzer
3. Nach Eintritt der Rechtshängigkeit bzw. der Bösgläubigkeit
Gemäß § 100 BGB sind Nutzungen die Früchte (§ 99 BGB) einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt.
2. Der Anspruch aus § 987 Abs. 2 BGB
Gemäß § 987 Abs. 2 BGB ist derjenige Besitzer gegenüber dem Eigentümer zum Ersatz verpflichtet, der nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Nutzungen nicht zieht, die er nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft ziehen könnte, soweit ihm ein Verschulden zur Last fällt. Dies gilt gemäß § 990 Abs. 1 BGB auch für den bösgläubigen Besitzer.
3. Der Anspruch aus § 988 BGB
§ 988 BGB gewährt einen Anspruch auf die Herausgabe von Nutzungen gegenüber dem gutgläubigen und unverklagten Besitzer unter folgenden Voraussetzungen:
1. Vindikationslage
2. Ziehung von Nutzungen durch den Eigenbesitzer oder Fremdbesitzer, der ein vermeintliches Nutzungsrecht hat
3. Besitzerwerb erfolgte unentgeltlich
4. Gutgläubigkeit und Unverklagtheit des Besitzers
Tauglicher Anspruchsgegner ist dabei nicht nur der Fremdbesitzer, der angeblich ein dingliches Nutzungsrecht hat, sondern auch derjenige, dem vermeintlich ein schudrechtliches Nutzungsrecht gegenüber dem Eigentümer zusteht, welches unentgeltlich ist.
Umstritten ist, ob § 988 BGB auch bei rechtsgrundlos erfolgtem Besitzerwerb (analog) Anwendung finden soll.
4. Der Anspruch aus § 993 Abs. 1 BGB
Gemäß § 993 Abs. 1 BGB ist auch der gutgläubige Besitzer zur Herausgabe verpflichtet, wenn er übermäßig Früchte (§ 99 BGB) gezogen hat. Er muss alle tatsächlich gezogenen Früchte herausgeben, wobei aber § 818 Abs. 3 BGB eingreift.
III. Mögliche Ansprüche des Eigentümers auf Schadensersatz
Daneben können dem Eigentümer auch Schadensersatzansprüche gegen den Besitzer zustehen.
Tipp: Lies dir folgenden Artikel durch, um dich intensiver mit dem Schadensersatz im EBV zu beschäftigen!
1. Der Anspruch aus §§ 989, 990 Abs. 1 BGB
Der Anspruch aus §§ 989, 990 Abs. 1 BGB hat dabei diese Voraussetzungen:
1. Vindikationslage
2. Verschlechterung oder Untergang der Sache bzw. anderer Grund, aus dem sie nicht herausgegeben werden kann
3. Zeitpunkt der Verschlechterung etc. nach Eintritt der Rechtshängigkeit, bösgläubigem Besitzerwerb (§ 990 Abs. 1 S. 1 BGB) bzw. nach Erlangung der Kenntnis von der Nichtberechtigung zum Besitz (§ 990 Abs. 1 S. 2 BGB)
4. Verschulden
5. Schaden
Mit Verschulden ist gemeint, dass der Besitzer die Verschlechterung, den Untergang der Sache usw. verschuldet haben muss, wobei nach herrschender Meinung § 276 BGB als Maßstab Anwendung findet.
2. Der Anspruch aus § 991 Abs. 2 BGB
§ 991 II sieht unter diesen Voraussetzungen einen Schadensersatzanspruch gegen den Besitzmittler vor:
1. Vindikationslage
2. Anspruchsgegner mittelt den Besitz einem Dritten
3. Gutgläubigkeit und Unverklagtheit des Anspruchsgegners
4. Verschlechterung oder Untergang der Sache bzw. anderer Grund, aus dem sie nicht herausgegeben werden kann
5. Verantwortlichkeit des Anspruchsgegners für den Schaden gegenüber dem mittelbaren Besitzer
Bei § 991 Abs. 2 BGB wird also der Schutz des redlichen, unverklagten Besitzers aufgrund eines Fremdbesitzerexzesses aufgehoben.
3. Der Anspruch aus §§ 992, 823 Abs. 1 BGB
§ 992 BGB beseitigt die Sperrwirkung der §§ 987 ff. BGB bezogen auf das Deliktsrecht für den deliktischen Besitzer. Dazu müssen diese Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Vindikationslage
2. Besitzverschaffung durch verbotene Eigenmacht oder eine Straftat
3. Tatbestandliche Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB
Die herrschende Meinung fordert dabei, dass die verbotene Eigenmacht verschuldet sein muss, da nur dies ihre Gleichstellung mit der Begehung einer Straftat rechtfertigt.
IV. Mögliche Ansprüche des Besitzers auf Verwendungsersatz
Im Rahmen des EBV kann ferner der Besitzer gegen den Eigentümer Ansprüche auf Verwendungsersatz haben. Bei Verwendungen handelt es sich um solche Vermögensaufwendungen, die der Wiederherstellung, Erhaltung bzw. der Verbesserung einer Sache dienen.
Tipp: Lies den folgenden Artikel, um dich intensiver mit dem Verwendungsersatz im EBV zu beschäftigen!
1. Der Anspruch aus § 994 Abs. 1 S. 1 BGB
Gemäß § 994 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Besitzer für notwendige Verwendungen Ersatz verlangen, die er gutgläubig gemacht hat. Der Anspruch hat diese Voraussetzungen:
1. Vindikationslage
2. Notwendige Verwendung durch den Besitzer
3. Vor Eintritt der Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs bzw. vor Eintritt der Bösgläubigkeit
Notwendige Verwendungen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Eigentümer sie aufgrund der Vornahme durch den Besitzer erspart. Sie sind im Hinblick auf den normalen Betrieb und die normale Bewirtschaftung der Sache erforderlich.
Mit diesem Anspruch kann der Besitzer die Kosten für die Verwendungen ersetzt verlangen. § 994 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt aber, dass ihm die gewöhnlichen Erhaltungskosten für die Zeit, für welche ihm Nutzungen verbleiben, nicht zu ersetzen sind.
2. Der Anspruch aus §§ 994 Abs. 2, 683 S. 1, 670 BGB
Will der Besitzer notwendige Verwendungen ersetzt verlangen, die er nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit bzw. der Bösgläubigkeit getätigt hat, steht ihm lediglich ein Anspruch aus § 994 Abs. 2 BGB i.V.m. den Vorschriften zur GoA zu. Im Einzelnen hat er diese Voraussetzungen:
1. Vindikationslage
2. Notwendige Verwendung durch den Besitzer
3. Nach Eintritt der Rechtshängigkeit bzw. der Bösgläubigkeit
4. Verwendung entspricht dem Interesse des Eigentümers sowie seinem wirklichen oder mutmaßlichen Willen nach § 683 S. 1 BGB
3. Der Anspruch aus § 996 BGB
§ 996 BGB regelt den Anspruch des Besitzers auf Ersatz von nützlichen Verwendungen. Hierfür müssen diese Bedingungen erfüllt sein:
1. Vindikationslage
2. Nützliche Verwendung durch den Besitzer
3. Vor Rechtshängigkeit bzw. vor Eintritt der Bösgläubigkeit
4. Erhöhter Wert der Sache aufgrund der Verwendung
Nützliche Verwendungen sind nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit bzw. der Bösgläubigkeit nicht ersatzfähig. Luxusaufwendungen sind nie ersatzfähig, egal wann sie getätigt wurden.
4. Wegnahmerecht, § 997 Abs. 1 BGB
Neben den genannten Ansprüchen kann dem Besitzer auch ein Recht zur Wegnahme gemäß § 997 Abs. 1 BGB zustehen, wenn er mit der Sache eine andere Sache als wesentlichen Bestandteil verbunden hat. Ausnahmen hierzu regelt § 997 Abs. 2 BGB.
Quellen
- Vieweg, Klaus/Werner, Almuth: Sachenrecht, 6. Aufl. München.
- Wolf, Manfred/Wellenhofer, Marina: Sachenrecht, 27. Aufl. München.