Das Demokratieprinzip wird in Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 GG normiert.
Definition: Demokratie meint Volksherrschaft.
Diese Volksherrschaft findet auf verschiedene Weisen Ausdruck, die im Folgenden erörtert werden sollen.
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I. Volkssouveränität
In Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG findet sich die Aussage, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgehen soll. Das Volk gilt selbst als Souverän, d.h. es leitet die ihm zustehende Staatsgewalt von keiner höheren Macht ab. Alle Kompetenz staatlicher Stellen sind auf das Volk zurückzuführen. Dementsprechend wird mittels der Volkssouveränität die staatliche Machtausübung legitimiert.
Definition: Staatsgewalt meint nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter.
Das „jedenfalls“ in der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts soll darauf hinweisen, dass die Normierung der Staatsgewalt im Rahmen des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG nicht abschließend ist.
Der Begriff der Staatsgewalt ist weit zu verstehen und meint die Handlungen von Legislative, Exekutive und Judikative, sowie das Handeln aller juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Sogar bei privatrechtlichem Verwaltungshandeln ist das Vorliegen der Staatsgewalt zu bejahen.
Fraglich ist weiter, welche Personen der Begriff des „Volks“, von dem die Staatsgewalt ausgeht, umfasst.
Nach einer Mindermeinung umfasst das „Volk“ die gesamte Bevölkerung. Alle, die von der Ausübung der Staatsgewalt betroffen sind, sollen diese legitimieren können. Hiergegen spricht allerdings Art. 79 Abs. 3 GG: Eine Änderung des Verständnisses der Verfassung wäre nur unter Verstoß gegen die Ewigkeitsklausel möglich.
Nach herrschender Ansicht ist das deutsche Volk, wie es in der Präambel des Grundgesetzes genannt wird, der Legitimationsträger der Staatsgewalt. Als Argumente werden hier Historik und Systematik der Regelungen angeführt. Zwischen den Staatsangehörigen und dem betreffenden Staat besteht eine wechselseitige Treuebeziehung.
Eine Ausnahme besteht im Kommunalwahlrecht für EU-Ausländer: Gem. Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG i.V.m. Art. 22 Abs. 1 AEUV sind sie wahlberechtigt.
II. Wahlen und Abstimmungen
Von der Legitimation der Staatsgewalt ist die Ausübung der Staatsgewalt in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG zu unterscheiden.
Die Staatsgewalt wird einerseits durch das Volk selbst durch Wahlen und Abstimmungen und gegenüberstehend von besonderen Organen der Gesetzgebung, der Rechtsprechung und der Verwaltung ausgeübt.
Definition: Wahlen sind Entscheidungen über Personalfragen.
Das Demokratieprinzip verlangt, dass Wahlen periodisch wiederkehrend stattfinden. Dies ist allein schon notwendig, um das Handeln der verantwortlichen Personen ausreichend auf den Willen des Volkes stützen zu können.
Definition: Abstimmungen sind Entscheidungen über Sachfragen.
Die direkte Einflussnahme über Abstimmungen ist über Volksinitiativen, Volksbegehren, Volksentscheide, Volksbefragungen und Verfassungsreferenden möglich.
Volksinitiativen wollen das Parlament zwingen, sich mit einem bestimmten Thema zu befassen.
Bei Volksbegehren wird dem Parlament ein Gesetzesentwurf zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt.
Bei einem Volksentscheid wird über den Erlass eines Gesetzes durch die Wahlberechtigten entschieden.
Volksbefragungen sollen lediglich den Volkswillen ermitteln. Eine rechtliche Bindungswirkung kommt ihnen nur bei besonderer verfassungsrechtlicher Ausgestaltung zu.
Das Grundgesetz sieht die direkte Beteiligungsmöglichkeit der Abstimmung – mit Ausnahme des Volksentscheid und der Volksbefragung gem. Art. 29 Abs. 2 ff. GG und Art. 146 GG- nicht vor. Den Ländern ist es hingegen möglich, Abstimmungen in größerem Umfang zuzulassen.
III. Demokratische Legitimation
Das Demokratieprinzip verlangt zudem, dass zwischen Volk und staatlicher Herrschaft eine ununterbrochene Legitimationskette besteht.
Das Erfordernis eines solchen Bindeglieds zwischen Volk und Herrschaftsorgan findet in verschiedenen Bereichen seine Ausprägung.
1. Personelle demokratische Legitimation
Die Bestellung von Amtsträgern muss auf eine ununterbrochene Legitimationskette zurückgehen. Hierbei ist der Amtsträger unmittelbar legitimiert, wenn seine Wahl durch das Volk stattgefunden hat, so bspw. bei Parlamentsmitgliedern. Mittelbar personell legitimiert sind Amtsträger, die durch andere Amtsträger in ihr Amt eingesetzt wurden.
2. Sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation
Die Ausübung der Staatsgewalt durch die besonderen Organe muss inhaltlich auf das Volk zurückgehen. Dies wird bspw. durch strikte Gesetzesbindung, das Weisungsrecht der Regierungsmitglieder oder durch sanktionsbewehrte Verantwortlichkeit gegenüber dem Volk erreicht.
3. Institutionelle und funktionelle demokratische Legitimation
Die Organe und Staatsfunktionen, die vom Verfassungsgeber selbst eingerichtet und mit Kompetenzen ausgestattet wurden, sind automatisch legitimiert. So bspw. der Bundespräsident, die Bundesregierung oder das Bundesverfassungsgericht.
IV. Repräsentative und parlamentarische Demokratie
Art. 20 GG legt grundlegend fest, dass die Staatsform in der Bundesrepublik demokratisch im Sinne eines rein repräsentativen Systems sein muss. Das Volk übt die eigenen Befugnisse in Form von periodisch wiederkehrenden Wahlen der Volksvertretung aus.
Weiter muss die Demokratie die Form einer parlamentarischen Demokratie haben. Dem Parlament kommt somit hervorgehobene Bedeutung zu.
Es hat die Kompetenz zur Gesetzgebung und bindet damit die weiteren Staatsorgane an seinen Mehrheitswillen:
- Das Parlament ist maßgeblich an der Regierungsbildung beteiligt, bspw. durch die Wahl des Bundeskanzlers gem. Art. 63 GG.
- Die Regierung muss sich dem Parlament gegenüber verantworten.
- Das Parlament hat das Budgetrecht inne, Art. 110 Abs. 2 S. 1 GG.
- Dem Parlament steht das Enqueterecht, d.h. das Recht zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, zu, Art. 44 GG.
Um mehr über das Wahlsystem und das Wahlrecht bei der Parlamentswahl zu erfahren, lies diesen Artikel!
Die Wesentlichkeitstheorie unterstreicht die hervorgehobene Position des Parlaments: Bestimmte Angelegenheiten sind vom Parlament selbst zu entscheiden. Die Entscheidungsbefugnis in den betroffenen Bereichen darf nicht an andere Normgeber abgegeben werden.
V. Mehrheitsprinzip
Das Mehrheitsprinzip ist eine parlamentarische Entscheidungsregel. Es legt fest, dass der Wille der Mehrheit in einer pluralistischen Gesellschaft ausschlaggebend ist.
Es gibt verschiedene Mehrheitsbegriffe:
Eine einfache Mehrheit liegt vor, wenn die Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausschlaggebend ist. Enthaltene Stimme werden nicht mitgezählt. Die einfache Mehrheit ist die grundsätzliche Entscheidungsform im Bundestag.
Eine absolute Mehrheit ist gegeben, wenn die Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder ausschlaggebend ist. Die absolute Mehrheit wird auch als Kanzlermehrheit bezeichnet, weil die Mehrheit der Stimmen der gesetzlichen Mitglieder notwendig ist, um den Bundeskanzler zu wählen.
In einer rechtsstaatlichen Demokratie können Minderheiten aber nicht einfach unbeschränkt dem Mehrheitswillen unterworfen werden. Deshalb gibt es formell und materiell normierten Minderheitenschutz.
Beispiele für Minderheitenschutz sind:
- Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit
- Besondere Verfahrensrechte
- Grundrechte
- Erfordernis des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
- Bestimmtheitsgebot
VI. Rolle der politischen Parteien
Die politischen Parteien spielen ebenfalls eine wichtige Rolle im parlamentarischen, demokratischen Staatsaufbau.
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Quellen
- Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 9. Auflage 2020.
- Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, 95. Auflage Juli 2021.