Der Annahmeverzug, §§ 293 ff. BGB

Der Annahmeverzug, §§ 293 ff. BGB

In Schuldverhältnissen ist neben dem Schuldnerverzug auch der Gläubigerverzug oder Annahmeverzug nach den §§ 293 ff. BGB ein häufig auftretendes Problem. Wie es zum Annahmeverzug kommt und welche Rechtsfolgen er nach sich zieht, wird im folgenden Artikel beleuchtet.
Annahmeverzug, §§ 293 ff. BGB
Lecturio Redaktion

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26.01.2024

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Inhalt

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I. Prüfungsschema

Ob ein Gläubigerverzug vorliegt wird nach folgendem Schema geprüft:

1. Leistungsberechtigung

2. Leistungsvermögen, § 297 BGB

3. Angebot, § 293 BGB

  • Tatsächliches Angebot, § 294 BGB
  • Wörtliches Angebot, § 295 BGB
  • Entbehrlichkeit des Angebots, § 296 BGB

4. Nichtannahme, §§ 293, 298 BGB

5. Rechtsfolgen

a) Haftungsbeschränkung des Schuldners, § 300 Abs. 1 BGB

b) Übergang der Leistungs- und Preisgefahr, §§ 300 Abs. 2, 326 Abs. 2 S. 1 BGB

II. Voraussetzungen

Grundsätzlich kommt der Gläubiger nicht in Verzug, wenn der Schuldner zum Leistungszeitpunkt nicht leisten kann, § 297 BGB. Durch diese Regelung soll der Gläubiger davor geschützt werden, dass der Schuldner die Gefahr auf ihn abwälzen kann.

Wann der Gläubiger in Verzug gerät, ergibt sich aus § 293 BGB:

Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.

Die Annahme der Leistung im Angebotszeitpunkt ist für den Schuldner allerdings keine Verpflichtung. Eine Nichtannahme stellt auch kein Verschulden dar. Vielmehr handelt es sich um eine Obliegenheit.

Das Angebot i.S.v. § 293 BGB ist nicht identisch mit dem Antrag zum Vertragsschluss. Es handelt sich um tatsächliches Anbieten.

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III. Angebot

§-293-BGB-Angebot
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1. Tatsächliches Angebot, § 294 BGB

Bei dem Angebot i.S.v. § 293 BGB muss es sich gem. § 294 BGB grundsätzlich um ein tatsächliches Angebot handeln:

Die Leistung muss dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden.

Der klassische Merksatz für das tatsächliche Angebot ist, dass die Leistung so anzubieten ist, dass der Gläubiger nur noch zuzugreifen braucht.

Das Angebot muss zudem korrekt sein. Das bedeutet, das Angebot muss am richtigen Ort (Leistungsort), zur rechten Zeit (grds. § 271 BGB) und wie geschuldet angeboten werden. Eine mangelhafte Leistung oder eine Leistung vor Fälligkeit sind damit ausgeschlossen.

2. Wörtliches Angebot, § 295 BGB

Grundsätzlich hat der Schuldner die Leistung tatsächlich anzubieten. Ausnahmsweise kann jedoch nach § 295 BGB ein wörtliches Angebot genügen.

Ein wörtliches Angebot genügt, wenn der Gläubiger die Annahme verweigert. Hierunter fällt auch die Annahme unter Bedingungen.

Auch genügt ein wörtliches Angebot, wenn für die Leistungserfüllung ein Mitwirken des Gläubigers nötig ist und der Schuldner diesen auffordert, die notwendige Handlung vorzunehmen (Holschuld).

§-293-BGB-Wörtliches-Angebot
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3. Entbehrlichkeit des Angebotes

Ein Angebot ist in den Fällen des § 296 S. 1 BGB überhaupt nicht vonnöten. Dies ist der Fall, wenn der Gläubiger bis zu einem festgelegten Zeitpunkt eine entsprechende Leistung zu vollbringen hatte, dies aber nicht getan hat. Nach § 296 S. 2 BGB gilt dies auch, falls ein Termin nach dem Kalender berechenbar war.

Rechtsprechung und Lehre stellen noch einen letzten Fall dar, in dem der Gläubiger in Annahmeverzug gerät, auch wenn dies nicht gesetzlich geregelt ist. Dies soll der Fall sein, wenn der Gläubiger die Annahme ernsthaft und endgültig verweigert.

IV. Nichtannahme

Weiterhin dürfte der Gläubiger die Leistung nicht angenommen haben. Aus welchem Grund der Gläubiger nicht annimmt, ist für das Bestehen eines Gläubigerverzuges irrelevant. Selbst höchstpersönliche gewichtige Gründe haben keinen Einfluss auf den Gläubigerverzug. Gerade hierin unterscheidet er sich vom Schuldnerverzug nach § 286 BGB.

Der Schuldnerverzug tritt gem. § 298 BGB auch bei Zug-um-Zug Leistungen ein, wenn der Gläubiger zwar die Leistung des Schuldners annehmen will, aber nicht bereit ist, seine Gegenleistung zu erbringen.

Eine Ausnahme von den strengen Vorschriften der §§ 293, 298 BGB macht § 299 BGB. Danach kommt der Gläubiger nicht in Verzug, wenn der Schuldner während einer erlaubten, aber überraschenden Zeit leisten möchte. In dieser überraschenden Situation ist der Gläubiger nicht annahmebereit. Dies ist häufig der Fall, wenn ein ungenauer Termin bestimmt ist (etwa „Anfang nächster Woche“) und der Gläubiger dann kurz einkaufen ist, wenn der Schuldner leisten möchte.

V. Rechtsfolgen

Die Rechtsfolgen des Gläubigerverzuges sind vielfältig und unterscheiden sich von denen des Schuldnerverzuges. Sie ergeben sich hauptsächlich aus § 300 BGB. Dessen Abs. 1 lautet:

Der Schuldner hat während des Verzugs des Gläubigers nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.

Dem Schuldner wird im Gläubigerverzug also eine Haftungserleichterung gewährt. Er haftet während des Gläubigerverzuges nicht mehr für Fahrlässigkeit.

§-300-BGB-Haftungserleichterung
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§ 300 Abs. 2 BGB lautet:

Wird eine nur der Gattung nach bestimmte Sache geschuldet, so geht die Gefahr mit dem Zeitpunkt auf den Gläubiger über, in welchem er dadurch in Verzug kommt, dass er die angebotene Sache nicht annimmt.

§ 300 Abs. 2 BGB gilt nur für Gattungsschulden. Sofern keine Konkretisierung nach § 243 Abs. 2 BGB stattgefunden hat, geht somit die Gefahr schon auf den Gläubiger über, wenn er die Leistung nicht annimmt. Da fast immer eine Konkretisierung vor dem Angebot des Schuldners stattfindet, hat diese Vorschrift praktisch jedoch keinerlei Bedeutung.

Aus § 304 BGB ergibt sich für den Schuldner das Recht auf Erstattung von Mehraufwendungen, welche aufgrund des Gläubigerverzuges entstanden sind. Hierunter fallen vor allem Transport- und Lagerkosten.

Besondere Bedeutung hat § 326 Abs. 2 S. 2 BGB. Danach behält der Schuldner im Falle der Unmöglichkeit den Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Gläubiger im Annahmeverzug war. Diese Regelung ist bei den Unmöglichkeitsfällen stets zu beachten.

Für das Kaufrecht stellt § 446 S. 3 BGB zudem klar, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs oder Verschlechterung auf den Käufer übergeht, wenn sich dieser im Annahmeverzug befindet.

Aus den §§ 301 ff. BGB ergeben sich weitere Folgen des Gläubigerverzuges.

§-293-BGB-Rechtsfolgen
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VI. Ende des Verzugs

Der Gläubigerverzug endet entweder mit der Annahme der Leistung durch den Gläubiger oder durch Eintreten der Unmöglichkeit.

VII. Sonderfall § 615 BGB

Für den Dienstvertrag gelten hinsichtlich des Gläubigerverzuges die besonderen Regelungen des § 615 BGB. Diese vor allem im Arbeitsrecht bedeutsame Regelung darf in der Klausur nicht übersehen werden.

Quellen

  • Brox, Hans / Walker, Wolf-Dietrich: Allgemeines Schuldrecht, 38. Auflage 2014.
  • Hirsch, Christoph: Schuldrecht Allgemeiner Teil, 8. Auflage 2013.
  • Jacoby, Florian / von Hinden, Michael: Bürgerliches Gesetzbuch Studienkommentar (Kropholler), 14. Auflage 2013.

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

Holger Wöltje

Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

Frank Eilers

Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

Yasmin Kardi

Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

Leon Chaudhari

Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

Andreas Ellenberger

Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Wladislaw Jachtchenko ist mehrfach ausgezeichneter Experte, TOP-Speaker in Europa und gefragter Business Coach. Er hält Vorträge, trainiert und coacht seit 2007 Politiker, Führungskräfte und Mitarbeiter namhafter Unternehmen wie Allianz, BMW, Pro7, Westwing, 3M und viele andere – sowohl offline in Präsenztrainings als auch online in seiner Argumentorik Online-Akademie mit bereits über 52.000 Teilnehmern. Er vermittelt seinen Kunden nicht nur Tools professioneller Rhetorik, sondern auch effektive Überzeugungstechniken, Methoden für erfolgreiches Verhandeln, professionelles Konfliktmanagement und Techniken für effektives Leadership.

Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.