Der Beschuldigtenbegriff im Ermittlungsverfahren

Der Beschuldigtenbegriff im Ermittlungsverfahren

Im Ermittlungsverfahren wird der potentielle Täter „Beschuldigter“ genannt. Obgleich das Gesetz diesen Begriff an mehreren Stellen voraussetzt, wird er gesetzlich nicht definiert. Neben dem Streit um die Definition dieses Begriffes ist für Examenskandidaten vor allem das Problem des Vorenthaltens der Beschuldigtenstellung relevant.
Der Beschuldigtenbegriff im Ermittlungsverfahren
Lecturio Redaktion

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29.01.2024

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Inhalt

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I. Der Beschuldigtenbegriff

Der Begriff des Beschuldigten ist zum einen der Oberbegriff des Strafprozesssubjekts (Beschuldigter im weiteren Sinne), meint zum anderen aber auch den Verfolgten im Rahmen des Ermittlungsverfahren (Beschuldigter im engeren Sinne).

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Problematisch (und klausurrelevant) ist die Definition des Beschuldigten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens. Die Voraussetzungen dieser Beschuldigtenstellung sind in Literatur und Rechtsprechung noch immer nicht gänzlich geklärt.

Nach einer sehr weiten Ansicht, die einen materiellen Beschuldigtenbegriff vertritt, ist allein maßgeblich, ob faktisch ein Tatverdacht besteht. Die Beschuldigtenstellung ist danach rein objektiv zu bestimmen.

Die dazu konträre Ansicht beurteilt die Frage nach der Beschuldigtenstellung rein subjektiv nach dem staatlichen Strafverfolgungswillen gegen eine bestimmte Person.

Der BGH (herrschenden Meinung) geht den „goldenen Mittelweg“ und bestimmt den Beschuldigtenbegriff anhand objektiver und subjektiver Kriterien, dieser Definition ist auch in der Klausur ausschließlich zu folgen:

Die Beschuldigteneigenschaft ist zu bejahen, wenn objektiv ein Anfangsverdacht i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO besteht und die Ermittlungsbehörden diesen zum Anlass nehmen, das Strafverfahren förmlich gegen die betroffene Person zu führen, mit anderen Worten also subjektiv ein Verfolgungswille besteht.

Beschuldigtenbegriff
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Streitentscheid:

Gesetzlich ist in § 152 Abs. 2 StPO zwingend das Vorliegen eines Tatverdachts vorgesehen. Dies spricht für die erstgenannte Ansicht. Die StPO hingegen setzt voraus, dass Tatverdächtige existieren, die keine Beschuldigten sind. Ein Tatverdacht im Sinne der erstgenannten Theorie ist daher notwendige, aber nicht ausreichende Voraussetzung. Zudem ergeben sich bei der erst genannten Auffassung Probleme hinsichtlich der Zeugenstellung von Beschuldigten in anderen Verfahren. Ein Beschuldigter könnte im Rahmen eines gegen einen Dritten gerichteten Strafverfahrens nicht mehr die Rechtsposition eines Zeugen einnehmen, wenn er objektiv verdächtig ist, an der Straftat beteiligt zu sein, die dort den Verfahrensgegenstand bildet.

Erforderlich ist mithin eine Zuschreibung durch den Akt der Beschuldigung. Dies setzt im Sinne der zweiten Ansicht einen Willen hierzu voraus. Dieser rein subjektive Akt kann alleine jedoch wiederum nicht ausreichen, denn er bringt die Gefahr der Rechtsunsicherheit. Zudem würde das Bestehen einer Beschuldigtenstellung ohne objektiven Tatverdacht zu einer deutlichen Einschränkung der Rechte des Betroffenen führen.

Erforderlich ist daher eine objektive Beurteilung der Lage, auf der der Wille zur Verfolgung fußt (BGH).

Zeitlich beginnt der Status als Beschuldigter daher, sobald ein Tatverdacht gegen eine konkrete Person vorliegt sowie eine Strafverfolgung iSd. § 152 Abs. 2 StPO geboten ist. Der Status als Beschuldigter endet mit einer rechtskräftigen Entscheidung oder dem Tod des Beschuldigten.

Definition: Ein Tatverdächtigter wird zum Beschuldigten, wenn die Strafverfolgungsbehörde ein Ermittlungsverfahren gegen diese Person eingeleitet hat oder einleiten will und der Tatverdacht objektiv begründet ist.

II. Rechte des Beschuldigten

An die Beschuldigtenstellung werden kraft Gesetzes zahlreiche Rechte geknüpft:

  1. Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG (§§ 136 Abs. 1, 163a Abs. 1 StPO)
  2. das Recht in der Vernehmung, jede Aussage zur Sache zu verweigern, §§ 136 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 163a Abs. 3 S. 2 (für die Staatsanwaltschaft), Abs. 4 S. 2 (für die Polizei) StPO
  3. das Recht auf Verteidigung, § 137 StPO (der Verteidiger hat bei richterlicher und bei staatsanwaltlicher Vernehmung des Beschuldigten und eines Zeugen ein Anwesenheitsrecht (§ 168c evtl. iVm § 163a Abs. 3 S. 2 StPO)).
  4. das Recht, Beweisanträge zu stellen, §§ 219, 244 ff. StPO
  5. eigenes Anwesenheitsrecht bei Zeugenvernehmungen, § 168c Abs. 2 StPO

III. Klassiker: Das Vorenthalten der Beschuldigtenstellung

Diese Rechte sind für den Beschuldigten von großer Bedeutung. Daher ist es auch wichtig, den Beschuldigten seine Beschuldigtenstellung offenzulegen. Er kann diese Rechte aber nur geltend machen, wenn er die Voraussetzungen der Beschuldigtenstellung erfüllt, wenn also gegen ihn ein Tatverdacht besteht und die Ermittlungsbehörden dies zum Anlass nehmen, gegen ihn ein Strafverfahren förmlich zu führen.

Letztere Voraussetzung gibt den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, bewusst kein Strafverfahren gegen einen Verdächtigen einzuleiten und ihn somit um seine Beschuldigtenrechte zu bringen.

Dieses Vorenthalten der Beschuldigtenstellung ist unzulässig (!)

Zwar ist es grundsätzlich der Staatsanwaltschaft als Herrin des Vorverfahrens überlassen, ob sie jemanden als Zeugen oder Beschuldigten vernimmt. Sie kann insbesondere auch am Ort des Tatgeschehens erst einmal alle Anwesenden formlos befragen.

Sie darf jedoch nicht den einer Straftat Verdächtigen aus sachfremden Gründen willkürlich in die Rolle eines Zeugen drängen, obgleich gute Gründe vorliegen, ihn als Beschuldigten der Straftat zu verfolgen.

Insbesondere darf sie den Beschuldigten nicht in die Rolle des Zeugen drängen um ihn so einem Aussage- oder Eideszwang auszusetzen. Dies widerspricht dem nemo-tenetur-Grundsatz („niemand muss sich selbst belasten“).

IV: Pflichten des Beschuldigten

Weiterhin gehen mit der Offenlegung der Beschuldigtenstellung einige Pflichten einher. Diese sind:

  1. die Erscheinungspflicht, § 163a III StPO (bei Ladung der StA, nicht bei Ladung der Polizei außer die beruht auf einer StA verantwortlichen Ladungspflicht).
  2. die Duldungpflicht (von Zwangs- und Ermittlungsmaßnahmen, eine aktive Mitwirkungspflicht gibt es hingegen aufgrund des „Memo tenetur- Grundsatzes“nicht!)
  3. das Erscheinen in der Hauptverhandlung, §§ 230, 231 StPO.

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Quellen

  • Hanack in JR 1977, S. 434ff.
  • BGH, Urt. v. 03.07.2007 – 1 StR 3/07

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Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.