I. „Grundform“ des Eigentumsvorbehalts
Geregelt ist der Eigentumsvorbehalt in § 449 BGB. Dort wird er in Absatz 1 legaldefiniert:
Hat sich der Verkäufer einer beweglichen Sache das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so ist im Zweifel anzunehmen, dass das Eigentum unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises übertragen wird (Eigentumsvorbehalt).
Normalerweise wird eine Sache X verkauft, indem die Parteien einen Kaufvertrag nach § 433 BGB schließen. Durch den Kaufvertrag verpflichtet sich der Verkäufer die Sache X zu übereignet und der Käufer, die Kaufsache zu bezahlen. Anschließend wird die Sache X nach § 929 BGB übereignet, durch Einigung und Übergabe.
Der Eigentumsvorbehalt dagegen ist eine Modifikation dieser Standardkonstellation. Zunächst verpflichtet sich der Verkäufer im Rahmen des Kaufvertrages nur zu einer aufschiebend bedingten Übereignung.
Die aufschiebende Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) stellt dabei die vollständige Kaufpreiszahlung dar. Im Rahmen der Übereignung erfolgt die dingliche Einigung ebenfalls aufschiebend bedingt. Das heißt, die Einigung über den Eigentumsübergang steht unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung. Gem. § 158 Abs. 1 BGB geht das Eigentum dann automatisch mit Eintritt der Bedingung (hier also Kaufpreiszahlung) ein.
Bis zum Eintritt der Bedingung hat der Käufer ein Anwartschaftsrecht an der Kaufsache. Dieses ist gesetzlich nicht normiert, jedoch allgemein anerkannt. Ein Anwartschaftsrecht wird als „wesensgleiches Minus zum Eigentum“ angesehen. Die Übertragung des Anwartschaftsrechts erfolgt nach den §§ 929 ff. BGB analog.
Hinweis: Da die Auflassung gem. § 925 Abs. 2 BGB bedingungsfeindlich ist, gibt es keinen Eigentumsvorbehalt bei der Veräußerung von Immobilien!
II. Sonderformen des Eigentumsvorbehalts
Der Eigentumsvorbehalt schützt den Verkäufer vor Verlust seines Eigentums, solange er die Gegenleistung (den Kaufpreis) noch nicht bekommen hat.
Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch auch, dass der Käufer aufgrund seines fehlenden Eigentums an der Sache in seinen Gebrauchsmöglichkeiten stark eingeschränkt ist. Zum Beispiel kann er – mangels Berechtigung – die Sache nicht wirksam an einen Dritten weiter veräußern.
Da der Verkäufer aber natürlich sein Geld erhalten möchte, kann es gerade in seinem Interesse sein, dass der Käufer weiter mit der Sache verfährt – indem er sie weiterverarbeitet, verkauft, etc. Aus diesem Grund gibt es einige Sonderformen des Eigentumsvorbehalts, die von Studierenden unbedingt beherrscht werden sollten.
1. Verlängerter Eigentumsvorbehalt
Beim verlängerten Eigentumsvorbehalt geht es um den Fall, in dem der Eigentumsvorbehaltskäufer nur Zwischenhändler ist, die Sache also weiterverkaufen möchte. Der verlängerte Eigentumsvorbehalt soll dem Umstand Rechnung tragen, dass besonders ein gewerblicher Käufer oft erst durch Veräußerung der Kaufsache den Kaufpreis bezahlen kann.
Um dies zu ermöglichen, gestattet der Verkäufer gem. § 185 Abs. 1 BGB durch Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts, die Kaufsache zu verwerten. Eine Veräußerung würde allerdings dazu führen, dass der Verkäufer sein Eigentum an der Kaufsache und damit seine Sicherheit verliert.
Daher wird der aus dem Weiterverkauf resultierende Kaufpreisanspruch im Voraus nach § 398 BGB abtreten, was den Verlust der eigentlichen Sicherheit sozusagen „abfedert“.
Beispiel zum verlängerten Eigentumsvorbehalt: A kauft beim Großhändler G eine Ladung Bananen (1000kg). Es wird ein Eigentumsvorbehalt vereinbart. A möchte die Bananen schnell weiterverkaufen an die Supermarktkette K.
Für A ist es wichtig, seinem Endabnehmer K das Eigentum an den Bananen verschaffen zu können. Daher wird ein verlängerter Eigentumsvorbehalt vereinbart. A wird vom Verkäufer zur Weiterveräußerung nach § 185 Abs. 1 BGB ermächtigt, und verpflichtet sich gleichzeitig zur Abtretung künftiger Kaufpreisforderungen nach § 398 BGB.
2. Nachträglicher Eigentumsvorbehalt
Bei einem nachträglichen Eigentumsvorbehalt wird der Eigentumsvorbehalt nicht schon im Rahmen des Kaufvertrags vereinbart, sondern erst später. Dabei gibt es zwei Konstellationen:
Beispiel 1: Bauunternehmer B kauft bei V 20kg Beton. Die Lieferung soll auf das Betriebsgelände des B am nächsten Tag erfolgen. Als V die Ware am nächsten Tag vorbeibringt, findet sich auf dem Lieferschein – den er dem B in die Hand drückt – gut sichtbar eine Eigentumsvorbehaltsklausel.
In einem solchen Fall, in dem der Eigentumsvorbehalt vor bzw. bei Übergabe erklärt wird, ist eine einseitige Erklärung des Eigentumsvorbehalts möglich. Der Käufer muss sich auf diesen nachträglichen Eigentumsvorbehalt allerdings nicht einlassen. Falls er aber (z.B. konkludent) damit einverstanden ist, so wird eine aufschiebend bedingte, dingliche Einigung zwischen den Parteien vereinbart. Der Eigentumsvorbehalt ist folglich wirksam.
Beispiel 2: Bauunternehmer B kauft bei V 20kg Beton. Die Lieferung findet am nächsten Tag auf dem Betriebsgelände des B statt. Einen Tag später ruft V bei B an und erklärt, er behalte sich das Eigentum vor, bis B den Kaufpreis gezahlt habe.
In diesem Fall folgt die Erklärung nach Übergabe. Dies bedeutet, der Käufer hat bereits unbedingtes Eigentum erlangt. Eine einseitige Erklärung des Eigentumsvorbehalts ist daher nicht möglich, der Verkäufer braucht die Zustimmung des Käufers. Erklärt sich der Käufer damit einverstanden, so gibt es zwei Möglichkeiten, wie der Verkäufer sein (bereits verlorenes) Eigentum wiedererlangen kann:
- Variante 1: Es erfolgt eine Rückübereignung an den Verkäufer mit anschließender, aufschiebend bedingter Übereignung.
- Variante 2: Es erfolgt eine Rückübereignung an den Verkäufer, die unter der auflösenden (!) Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung steht.
3. Erweiterter Eigentumsvorbehalt
Der erweiterte Eigentumsvorbehalt betrifft solche Fälle, in denen der Verkäufer mehrere Forderungen gegenüber den Käufer hat und der Eigentumsübergang erst mit Begleichung aller Forderungen eintreten soll. Dabei sind zwei Varianten zu unterscheiden:
a. Kontokorrenteigentumsvorbehalt
Dabei wird vereinbart, dass der Käufer nicht nur die Kaufpreisforderung aus dem konkreten Kaufvertrag zu begleichen hat, sondern erst dann Eigentümer wird, wenn er sämtliche (auch künftige) Forderungen aus der laufenden Geschäftsbeziehung zum Verkäufer erfüllt hat.
Dieser kann jedoch wegen Missbrauchs der Vertragsfreiheit nach § 138 BGB nichtig sein.
Beispiel: A betreibt einen Copy Shop. Er kauft 2 mal im Monat neues Druckerpapier beim Großhändler G. Dieser Liefervertrag läuft über zwei Jahre. Daher vereinbaren G und A, dass der Eigentumsvorbehalt an dem Papier erst dann erlischt, wenn A sämtliche Forderungen aus diesen Kaufverträgen getilgt hat.
b. Konzernvorbehalt
Ein Konzernvorbehalt liegt vor, wenn auch Forderungen gegen andere, mit dem Verkäufer verbundene, Unternehmen in die Bedingung einbezogen werden sollen.
In § 449 Abs. 3 BGB heißt es jedoch:
Die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts ist nichtig, soweit der Eigentumsübergang davon abhängig gemacht wird, dass der Käufer Forderungen eines Dritten, insbesondere eines mit dem Verkäufer verbundenen Unternehmens, erfüllt.
Folglich ist ein Konzernvorbehalt auf Verkäuferseite immer unwirksam.
III. Rechtsfolgen
Ein Eigentumsvorbehalt hat zahlreiche schuld- und sachenrechtliche Rechtsfolgen.
In sachenrechtlicher Hinsicht ist hier zunächst das bereits besprochene Anwartschaftsrecht zu nennen, welches dem Erwerber eine dingliche Rechtsposition sichert.
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Zudem hat der Käufer ein Recht zum Besitz gem. § 986 BGB aus dem Kaufvertrag zwischen den Parteien.
Weiterhin ist der Verkäufer bis zum Bedingungseintritt Eigentümer und auch mittelbarer Besitzer der Sache. Diese geht jedoch sofort mit Bedingungseintritt auf den Käufer über.
In schuldrechtlicher Hinsicht ist zu beachten, dass bis zum Bedingungseintritt Nichterfüllung vorliegt und der Verkäufer folglich ein Rücktrittsrecht gem. § 323 Abs. 1 BGB hat.
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