I. Das Versäumnisverfahren
Unterlässt eine der Parteien ihre notwendige Beteiligung am Prozess, kommt ein Versäumnisverfahren in Betracht. Für das Erste Staatsexamen ist vor allem das Versäumnisurteil (VU) gegen den Beklagten, § 331 ZPO relevant.
Ein solches ergeht, unter folgenden Voraussetzungen:
- Ordnungsgemäße Ladung des Beklagten zur mündlichen Verhandlung
- Säumnis des Beklagten zur mündlichen Verhandlung
- Nichtvorliegen der Hindernisse aus §§ 335, 337 ZPO
- Zulässigkeit und Schlüssigkeit der Klage
Tipp: Erfahre hier mehr zu den Voraussetzungen des Versäumnisurteils!
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so erlässt das Gericht auf Antrag des Klägers ein sogenanntes „erstes echtes VU“. Dabei handelt es sich um ein Sachurteil (es wird über das Klagebegehren in der Sache entschieden). Es ist ein “richtiges” Urteil mit Rechtskraftwirkung gegenüber der säumigen Partei. Dieses ist zudem vorläufig vollstreckbar (§ 708 Nr.2 ZPO).
II. Rechtsbehelf gegen das Versäumnisurteil
Der Einspruch, §§ 338 ff. ZPO
Da bei einem Versäumnisurteil der Tatsachenvortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung als zugestanden gilt (d.h. vom Kläger also keine Beweise für die vorgetragenen Tatsachen beizubringen sind), und der Beklagte darüber hinaus gemäß § 91 Abs. 1 Nr.1 ZPO auch die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, wird er in der Regel mit dem gegen ihn erlassenen Versäumnisurteil nicht einverstanden sein.
Um dagegen vorzugehen, steht ihm – neben den allgemeinen Rechtsmittel wie der Berufung gemäß §§ 511 ff. ZPO – der Rechtsbehelf des Einspruchs, § 338 ZPO zur Verfügung. Dabei handelt es sich um einen sehr dankbaren Rechtsbehelf, da er weitestgehend normiert ist und man sich an den Normen einfach orientieren kann.
1. Zulässigkeit des Einspruchs
Zunächst prüft das Gericht von Amts wegen die Zulässigkeit des Einspruchs, § 341 Abs.1 S. 1 ZPO.
Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob der Einspruch an sich statthaft und ob er in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist.
a. Statthaftigkeit, § 338 ZPO
Der Einspruch ist nur statthaft gegen ein echtes, erstes VU, § 338 ZPO.
Der Partei, gegen die ein Versäumnisurteil erlassen ist, steht gegen das Urteil der Einspruch zu.
Gegen ein zweites Versäumnisurteil hingegen steht der Rechtsbehelf des Einspruchs nicht zur Verfügung, § 345 ZPO. Gleiches gilt für ein unechtes Versäumnisurteil (ein solches ergeht, wenn der Kläger einen Antrag auf Erlass eines VU stellt, die Klage aber schon unzulässig ist). Dagegen steht man natürlich nicht Rechtsbehelfslos dar, sondern die allgemeinen Rechtsbehelfe bleiben bestehen!
b. Form, § 340 ZPO
Die Einhegung des Einspruchs erfolgt bei dem Gericht, das das erste Versäumnisurteil erlassen hat (Prozessgericht), § 340 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Der Einspruch wird durch Einreichung der Einspruchsschrift bei dem Prozessgericht eingelegt.
Dies geschieht durch Einreichung der Einspruchsschrift oder protokollierte Bezugnahme auf sie in der mündlichen Verhandlung. An die Einspruchsschrift sind jedoch einige Anforderungen gestellt, § 340 Abs. 2 ZPO.
Die Einspruchsschrift muss enthalten:
- die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;
- die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.
Das Urteil muss mit Datum und Aktenzeichen benannt sein. Die Bezeichnung als Einspruch ist bei der Erklärung nicht maßgeblich, vielmehr muss nur ersichtlich sein, dass und welche Partei das Urteil nicht gegen sich gelten lassen will und das Verfahren fortsetzen möchte.
Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.
Bei Teilanfechtung muss der Umfang klargestellt werden.
In der Einspruchsschrift hat die Partei ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, soweit es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht, sowie Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen.
Bei der Begründung sollen die Regeln nach § 277 Abs. 1 ZPO eingehalten werden.
c. Frist, § 339 ZPO
Nach § 339 Abs. 1 ZPO ist der Einspruch schriftlich und innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Versäumnisurteils einzulegen.
Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils.
Die Frist beginnt mit wirksamer Zustellung an die unterlegene Partei, § 317 Abs. 1 S. 1, § 310 Abs. 3 ZPO. Vor Zustellung kann auch bereits Einspruch eingelegt werden, vor Verkündung hingegen nicht.
Beachte: Gerade hier liegt in der Regel der Schwerpunkt einer Einspruchsprüfung, denn es können alle möglichen Zustellungskonstellationen, samt Problemen eingebaut werden. Die Lösung richtet sich dann meistens nach §§ 166 ff. ZPO und insbesondere nach § 172, § 178, § 180, § 189 ZPO.
Bei Versäumung dieser Frist besteht jedoch unter Umständen die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, § 233 ZPO. Regelmäßig sollte die Prüfung einen zulässigen Einspruch ergeben, damit problemlos weiter geprüft werden kann.
2. Wirkung des zulässigen Einspruchs, § 342 ZPO
Ist der Einspruch zulässig, so wird gemäß § 342 ZPO der Prozess in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand.
Ist der Einspruch zulässig, so wird der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand.
Dies bedeutet, dass das Gericht nunmehr einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, indem über die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage entschieden wird.
Beachte: Wichtig ist, dass das Gericht keine Begründetheitsprüfung des Einspruchs vornimmt! Es ist daher ein schwerwiegender Fehler, in einer Klausur von der „Begründetheit des Einspruchs“ zu sprechen.
Da nun die volle Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage zu prüfen ist, eignet sich die Einspruchsprüfung hervorragend als prozessualer Einstieg für eine Examensklausur.
3. Unzulässigkeit des Einspruchs, § 341 ZPO
Fehlt es an den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs, so ist er gem. § 341 Abs. 1 S. 2 ZPO vom Gericht als unzulässig zu verwerfen.
Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, so ist der Einspruch als unzulässig zu verwerfen.
Dies erfolgt durch ein streitiges Endurteil, dagegen stehen dem Beklagten und Einspruchsführer also alle allgemein zulässigen Rechtsmittel zur Verfügung.
Quellen
- Zöller, ZPO Kommentar, 30.Aufl, Vorb. §330, §§331, 338, 341,342.
- BGH, Beschl. v. 06.03.2007 (VIII ZR 330/06)