I. Allgemeines zu § 123 StGB
In Absatz 1 des § 123 StGB heißt es:
(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird […] bestraft.
Geschütztes Rechtsgut des § 123 StGB ist das Hausrecht. Es handelt sich um ein absolutes Antragsdelikt, d.h. es wird ausschließlich verfolgt, wenn Strafantrag gestellt wurde. Dies ist immer bei der Prüfung zu beachten. Fällt bereits am Anfang auf, dass ein solcher Antrag nicht gestellt wurde, kann man sich die Prüfung sparen, um wertvolle Zeit nicht unnütz zu vergeuden!
Es geht, trotz der systematischen Stellung der Vorschrift im 7. Abschnitt des StGB, bei § 123 StGB um die Freiheit der Entscheidung des Rechtsgutträgers darüber, wer sich innerhalb einer geschützten Räumlichkeit und des befriedeten Besitztums aufhalten darf.
Bei § 123 StGB handelt es sich um ein Dauerdelikt, das mit dem Eindringen oder Sich-nicht-Entfernen vollendet, aber erst mit dem Verlassen beendet ist.
II. Schema: Hausfriedensbruch, § 123 StGB
Ein Prüfungsschema verdeutlicht den Aufbau des Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB):
- I. Tatbestandsmäßigkeit
- 1. Objektiver Tatbestand
- a) Taugliches Tatobjekt: Wohnung, Geschäftsräume usw.
- b) Tathandlung: Eindringen gegen den Willen des Berechtigten (durch aktives Tun oder durch Unterlassen) oder Verweilen trotz Aufforderung, sich zu entfernen
- 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz
- II. Rechtswidrigkeit und Schuld
- III. Strafantrag, § 123 Abs. 2 StGB
III. Tatobjekte des § 123 StGB
Taugliche Tatobjekte im Rahmen eines Hausfriedensbruchs (§123 StGB) sind die Wohnung, die Geschäftsräume oder das befriedete Besitztum eines anderen sowie abgeschlossene Räume, die zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind.
1. Wohnung
Definition: Eine Wohnung umfasst die Räume, die einer oder mehreren Personen zum Aufenthalt dienen bzw. zur Benutzung zur Verfügung stehen.
Dieser Begriff bezieht auch Zelte, Wohnwagen, Hotelzimmer und Schiffe ein, Kraftfahrzeuge hingegen nicht.
Beispiel: Müde von der Fahrt, hält O auf einer Autobahnraststätte an und schläft in seinem Auto. Da er nicht abgeschlossen hat, öffnet T unbefugt die Tür und setzt sich auf den Beifahrersitz, um O um Geld zu bitten. Hier liegt schon in Ermangelung eines tauglichen Tatobjekts kein Hausfriedensbruch vor.
Auch Nebenräume wie Keller, Dachböden, Waschräume und Treppenhäuser usw. werden der Wohnung zugerechnet. Wird dies im Einzelfall verneint, können sie immer noch ein befriedetes Besitztum (siehe unten) darstellen.
2. Geschäftsräume
Definition: Bei Geschäftsräumen handelt es sich um solche Räumlichkeiten, die bestimmungsgemäß für künstlerische, wissenschaftliche oder ähnliche Zwecke verwendet werden.
Eine Einkaufspassage, in der während der Öffnungszeit des Kaufhauses Stände betrieben werden, kann als Zubehörfläche der Geschäftsräume des Kaufhauses denselben Schutz wie diese beanspruchen, wenn sie für jeden ersichtlich zu diesen gehört.
3. befriedetes Besitztum
Definition: Ein befriedetes Besitztum ist demgegenüber ein Grundstücksabschnitt, der mithilfe von Schutzwehren vor einem eigenmächtigen Betreten bewahrt werden soll.
Die Mauern, Zäune usw. müssen dabei keine lückenlose Umgrenzung gewährleisten. Stattdessen genügt es, wenn die Intention erkennbar ist, Dritte auszuschließen. Beachte jedoch, dass das Anbringen von Verbots- und Warnschildern hierfür nicht ausreicht.
4. öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt
Zum öffentlichen Dienst bestimmte Räume werden zur Ausübung von Tätigkeiten genutzt, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften erfolgen. Sie sind abgeschlossen, wenn sie nach außen hin baulich begrenzt sind.
Demgegenüber sind die Räume zum öffentlichen Verkehr bestimmt, die im Rahmen des Personen- oder Gütertransportverkehrs genutzt werden und zu denen die Allgemeinheit Zugang hat.
Tipp: Für weitere Ausführungen zu den Grundlagen und geschützten Orten im Sinne des § 123 StGB schau dir dieses Video an!
IV. Tathandlungen des § 123 StGB
Daneben muss der Täter in eines der in § 123 StGB genannten Tatobjekte eindringen oder ohne Befugnis in einem solchen verweilen.
1. Eindringen
Definition: Das Eindringen wird als das Betreten gegen den Willen des Berechtigten definiert.
Dabei muss der Täter seinen Körper oder einen Teil seines Körpers in das Objekt verbringen. Insbesondere genügt es nicht, durch ein Fenster hineinzugreifen.
Der Berechtigte ist der Inhaber des Hausrechts. Fraglich ist jedoch, wem dieses im Einzelnen zusteht. Grundsätzlich wird es mit dem Bezug einer Wohnung erlangt und endet erst mit dem Auszug. Hausbesetzern wird das Hausrecht hingegen nicht zugestanden. Im Rahmen von Wohngemeinschaften (z.B. Studenten-WG oder eheliches Zusammenleben) haben alle Beteiligten ein gleichberechtigtes Hausrecht an den Räumen, die der gemeinsamen Nutzung dienen. Dabei darf Dritten nur der Zutritt gewährt werden, wenn dies für die anderen Hausrechtsinhaber zumutbar ist.
Daneben kann die Ausübung des Hausrechts durch seinen Inhaber auch anderen übertragen werden (z.B. Hausangestellten) bzw. aufgrund einer gesetzlichen Stellvertretung bestehen.
Ein Eindringen iSd. § 123 StGB liegt außerdem nicht vor, wenn der Hausrechtsinhaber mit dem Betreten des Raumes einverstanden ist. Es handelt sich also bereits um ein tatbestandsausschließendes Einverständnis, wobei es auch genügt, wenn dieses aufgrund einer Täuschung erlangt wurde, sofern es auf Freiwilligkeit beruht.
Andere wollen ein durch Täuschung erlangtes Einverständnis hingegen nicht ausreichen lassen. Hiergegen spricht aber bereits, dass für die Frage nach dem mutmaßlichen Willen des Hausrechtsinhabers schon deshalb kein Platz ist, weil er seinen Willen ausdrücklich erklärt hat.
Bei Räumlichkeiten, die dem Publikumsverkehr offenstehen, und sich somit durch eine grundsätzliche Erlaubnis zum Zutritt auszeichnen, liegt dennoch ein Eindringen vor, wenn bereits das äußere Erscheinungsbild beim Betreten dafür spricht, dass es nicht von dieser Erlaubnis gedeckt ist.
Beispiel: A und B betreten eine Bankfiliale mit einer Pistole in der Hand und Strumpfhosenmasken auf dem Kopf. Die Bank ist zwar generell für den Publikumsverkehr geöffnet, die Art des Betretens der Filiale durch A und B zeigt jedoch bereits, dass diese einen Überfall planen. Dies ist natürlich nicht von der generellen Zutrittserlaubnis umfasst.
Hinzukommend kann die Tatbestandsvariante des Eindringens auch durch ein Unterlassen verwirklicht werden (§§ 123 Abs. 1 Var. 1, 13 StGB). Dies ist zum einen möglich, wenn ein Garant eine Person, die er überwachen soll, nicht am Eindringen hindert. Umstritten sind hingegen die Fallgestaltungen, dass für den Täter zwar die Erlaubnis bestand, sich in der Räumlichkeit aufzuhalten, diese aber zeitlich befristet war und er das Objekt mit Wissen und Wollen nicht verlassen hat bzw. er erst im Nachhinein merkt, dass er das Tatobjekt in unbefugter Weise betreten hat.
2. Verweilen ohne Befugnis und Nichtentfernen trotz Aufforderung
Bei dem Verweilen des Täters ohne Befugnis und seinem Nichtentfernen trotz Aufforderung handelt es sich hingegen um ein echtes Unterlassungsdelikt, das seine Tragweite besonders entfaltet, wenn der Täter das Tatobjekt zunächst mit dem Einverständnis des Berechtigten betreten hat. Anderenfalls ist es gegenüber dem Eindringen des Täters subsidiär. Hier muss der Täter entweder konkludent oder ausdrücklich zu einem Verlassen des Raumes aufgefordert worden sein. Hinzukommend muss er diesem Wunsch nicht unverzüglich nachgekommen sein.
Tipp: Für weitere Ausführungen zu den Tathandlungen und auch den Konkurrenzen im Sinne des § 123 StGB schau dir dieses Video an! Wiederhole dort auch das Schema des Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB).
Quellen
- Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Aufl., München 2014
- Kindhäuser, Urs: Strafrecht Besonderer Teil I, 6. Aufl., Baden-Baden 2014
- Wessels, Johannes/Hettinger, Michael: Strafrecht Besonderer Teil I, 38. Aufl., Heidelberg [u.a.] 2014