I. Definition der „Sache“
Die „Sache“ wird in § 90 BGB als körperlicher Gegenstand definiert.
Körperlich ist ein Gegenstand wenn er:
- sinnlich wahrnehmbar,
- räumlich abgrenzbar,
- sowie beherrschbar ist.
Erst wenn diese Kriterien einschlägig sind, kann von einer Sache im zivilrechtlichen Sinne gesprochen werden. Fehlt eine der Eigenschaften, besteht keine Sachqualität.
Bei Energie und Elektrizität fehlt beispielsweise die sinnliche Wahrnehmbarkeit; Meereswasser, Licht und die Luft im Freien dagegen sind nicht abgrenzbar. Nicht beherrschbar sind Rußpartikel und Bakterien. Bei der Bewertung ist zudem immer die Verkehrsanschauung zu beachten.
II. Sonderfall: Menschlicher Körper
Grundlegend ist der menschliche Körper keine Sache, man kann ihn nicht veräußern oder erwerben. Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob abgetrennte Haare, Zähne, Gliedmaßen oder Körperflüssigkeiten Sacheigenschaft besitzen. Ebenso ist es umstritten, ob Implantate und Herzschrittmacher durch das Einsetzen ihre Sachqualität verlieren. In der Rechtsprechung hat sich, zu dem sehr umfassenden Streit, folgende Grundauffassung herausgebildet:
- Solange ein Glied mit dem Körper verbunden ist = Sache (-)
- Bei nur temporärer Trennung vom Körper z.B. Eigenblutkonserve = Sache (-)
- Bei dauerhafter Trennung, also nicht zum Wiedereinsetzen bestimmt = Sache (+)
Die Abgrenzung ist vor allem im Falle einer Zerstörung oder Beschädigung relevant. Je nach Beurteilung liegt Sachbeschädigung, wenn der beschädigte Gegenstand Sachqualität besitzt, oder Körperverletzung vor. Interessant dazu der BGH Fall (BGH, 09.11.1993 – VI ZR 62/93), in dem die Zerstörung einer Spermakonserve durch falsche Lagerung als Körperverletzung gewertet wird.
III. Einzelsachen
Bei Einzelsachen unterscheidet man zwischen einfachen und zusammengesetzten Sachen. Als einfache Sachen werden solche bezeichnet, die durch unzertrennbare Verbindung von Zutaten erschaffen werden. Hier ist nur eine Sache, nämlich das Produkt, vorhanden.
Beispiele für einfache Sachen sind:
- Eine Glasscheibe aus Quarz, Soda und Kalk
- Plätzchen aus Butter, Zucker und Mehl
Aus mehreren Bestandteilen verbundene Sachen, wie Autos oder Computer, sind zusammengesetzte Sachen. In solchen Fällen liegt nach Verkehrsanschauung nur eine Sache vor, solange die Bestandteile verbunden sind.
IV. Sonderfall: Bestandteile
Fraglich ist jedoch, ob Bestandteile einer zusammengesetzten Sache weiterhin ein eigenes Schicksal unabhängig von der Hauptsache haben können. Dafür wird zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen nach folgendem Kriterium differenziert:
Ist der Bestandteil von der Sache ohne Zerstörung oder Wesensveränderung trennbar?
(-) = wesentlich; (+) = nicht wesentlich
Wesentliche Bestandteile im Sinne von § 93 BGB haben kein eigenes Schicksal, sie folgen der Sache. So ist beispielsweise die angebrachte Tapete ein wesentlicher Bestandteil der Wand, da sie nicht ohne Zerstörung von der Wand gekratzt werden kann.
Nicht wesentliche Bestandteile teilen zwar das Schicksal der Hauptsache, können aber im Bereich der Sonderrechte eigenständig sein. Insbesondere bei Eigentumsvorbehalten oder Pfandrechten am Bestandteil ist dessen Eigenständigkeit möglich. Diese Betrachtungsweise dient vorrangig der wirtschaftlichen Praxis und ist dogmatisch nicht vollkommen stringent. So wird von der Rechtsprechung der Automotor als ein nicht wesentlicher Bestandteil gesehen, um dem Veräußerer die Möglichkeit einer Sicherheit durch Eigentumsvorbehalt zu gewähren. Anderenfalls würden sämtliche Rechte anderer an der Sache mit dem Einbau verloren gehen.
Beachte: §93 BGB ≠ Zuordnungsregel; das Eigentum regeln §§946 ff. BGB
V. Mengensachen
Als Sacheinheiten oder Mengensachen werden solche bezeichnet, die nach Verkehrsanschauung nur in einer bestimmten Menge eine Sacheigenschaft besitzen. „Ein Kilo Reis“ stellt eine Mengensache dar, denn obwohl jedes einzelne Korn eine Sache für sich sein könnte, bestimmt der Verkehr, dass nur eine größere Menge als Sache anzusehen ist.
VI. Sach- und Rechtsgesamtheiten
Mehrere Einzelsachen, die keine feste Verbindung und im Verkehr auch einzeln einen Wert haben, aber in ihrer Gesamtheit eine zusätzliche Bedeutung und meist einen gesteigerten Wert bekommen, sind Sachgesamtheiten. Klassische Beispiele sind:
- Sammlerkollektion
- Bibliothek
- ein Paar Schuhe
- Warenlager
Als Rechtsgesamtheit bezeichnet man Einheiten von Sachen und Gegenständen, die einer Person zugeordnet sind. Typisches Beispiel ist das kaufmännische Einzelunternehmen.
Sowohl bei Sach- als auch bei Rechtsgesamtheiten entsteht keine neue Sache. Die einzelnen Sachen behalten ihr rechtliches Schicksal. Daher muss bei Veräußerung, gemäß dem im Sachenrecht geltenden Spezialitätsprinzip, jede Sache einzeln übereignet werden.
VII. Zubehör
Definition: Sachen, die ohne wesentliches Bestandteil im Sinne der §§ 93, 94 BGB zu sein, dazu bestimmt sind, dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen, sind Zubehör.
Sie behalten grundsätzlich ihre Sachqualität und sind rechtlich eigenständig. In manchen Aspekten, insbesondere bei der Haftung, folgen sie jedoch der Hauptsache. Folglich sind Fabrikfahrzeuge beispielsweise Zubehör der Fabrik und Baumaterial Zubehör eines Grundstücks. Ziel der Ausnahmeregelungen über Zubehör ist die Erhaltung der wirtschaftlichen Einheit zwischen zusammengehörenden Sachen.
VIII. Fazit
Ob ein Gegenstand Sacheigenschaft besitzt, kann in verschiedensten Konstellationen wie im Bereich von Sonderrechten, der Haftung, sowie bei der Veräußerung relevant sein. In juristischen Klausuren sind die Erwägungen zum Sachbegriff nur in problematischen Fällen zu erläutern. Häufig liegt der Knackpunkt darin, dass mehrere Sachen vorliegen. Beim Kauf eines Mineralwassers erwirbt man beispielsweise sowohl Wasser als auch die Flasche, also zwei Sachen.
Mehr zum Thema? Schau dir jetzt das kostenlose Video von RA Mario Kraatz an!