Der Tankstellen-Fall

Der Tankstellen-Fall

Es gibt Fälle im Strafrecht, die begegnen einem im Studium immer wieder, von den Anfangssemestern bis zur Examensklausur. Einer dieser Klassiker ist der Tankstellen-Fall, an den sich so manche/r Student*in vielleicht mit Grauen zurück erinnert. Dabei ist der Tankstellenfall bei genauer Betrachtung gar nicht so kompliziert, sondern erfordert nur die exakte Subsumtion unter das Gesetz. Dieser Beitrag enthält eine gutachterliche Lösung des Tankstellen-Falls.
Tankstellen-Fall
Lecturio Redaktion

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05.02.2024

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Inhalt

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Der Sachverhalt

A fährt zu einer Tankstelle, um sein fast leeres Auto vollzutanken. Auf der Zapfsäule ist ein Schild angebracht: „Bis zur Zahlung bleibt das Benzin Eigentum der X-Tankstelle.“ A tankt sein Auto für 70 Euro voll, wobei er von vornherein die Absicht hat, nicht zu bezahlen. Nach dem Tankvorgang fährt er einfach weg. Der Tankwart T bemerkt den Tankvorgang des A erst nachdem dieser schon weggefahren ist.

Wie hat sich A nach dem StGB strafbar gemacht?

I. Strafbarkeit nach § 242 Abs. 1 StGB

Durch das Einfüllen des Benzins der X-Tankstelle ohne anschließend zu bezahlen könnte sich A wegen Diebstahls gem. § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.

Tipp: Im Obersatz die konkrete Handlung benennen, die womöglich unter Strafe steht!

1. Fremde, bewegliche Sache

Bei dem Benzin müsste es sich hierfür zunächst um eine fremde, bewegliche Sache handeln. Benzin ist eine bewegliche Sache, die fremd ist, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht (und nicht herrenlos ist).

Die Tankstelle X hat sich das Eigentum an dem Benzin gem. § 449 BGB bis zur Kaufpreiszahlung vorbehalten, sodass A nicht Eigentümer wurde. Damit handelte es sich bei dem Benzin um eine fremde, bewegliche Sache.

Finden sich keine Angaben zu einem Eigentumsvorbehalt im Sachverhalt, muss das Merkmal der Fremdheit ausführlicher diskutiert werden. Eine Mindermeinung vertritt die Ansicht, dass das Eigentum bereits durch das Tanken übergeht, sodass es danach schon am Merkmal „Fremdheit“ fehlen würde. Die wohl herrschende Meinung ist jedoch anderer Ansicht.

Tipp: Für genauere Ausführungen zu dieser Problematik empfehlen wir diesen Artikel.

2. Wegnahme

Weiterhin müsste A das Benzin weggenommen haben.

Definition: Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendig eigenen Gewahrsams.

Definition: Gewahrsam ist die tatsächliche, vom Willen getragene Sachherrschaft.

Ein Bruch fremden Gewahrsams liegt vor, wenn der Täter (A) den Gewahrsam des bisherigen Gewahrsamsinhabers (Tankstelle X) gegen oder ohne dessen Willen aufhebt.

Durch Befüllung des Tanks wurde der Tankstelle X der ungehinderte Zugriff auf das Benzin entzogen, während A nun über das Benzin verfügen konnte. Insoweit hat A neuen Gewahrsam am Benzin begründet. Fremder Gewahrsam wird jedoch nur dann gebrochen, wenn der Täter gegen oder ohne den Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers handelt.

Dies scheint vorliegend fraglich, denn in der Regel muss davon ausgegangen werden, dass die Tankstelle will, dass die Kunden das Benzin tanken und damit Gewahrsam daran begründen. Ansonsten würde kein Benzin verkauft werden. Damit erfolgte der Gewahrsamsbruch mit Willen der X, es liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor.

Teilweise wird vertreten, das (tatbestandsausschließende) Einverständnis stehe unter der Bedingung der Zahlungswilligkeit des Tankenden. Dies ist jedoch mit einer ähnlichen Argumentation wie im bekannten Fall „Hausfriedensbruch bei Betreten in rechtsfeindlicher Absicht“ abzulehnen.

3. Ergebnis

Damit hat sich A nicht gem. § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

II. Strafbarkeit nach § 263 Abs. 1 StGB

Indem A in der Absicht tankte, nicht zu bezahlen, könnte er sich eines Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.

1. Täuschungshandlung

Hierfür müsste zunächst eine Täuschungshandlung, also eine Täuschung über Tatsachen vorliegen.

Definition: Täuschung ist das Einwirken auf das Vorstellungsbild eines anderen mit dem Ziel, einen Irrtum zu erregen.

Indem A ganz unauffällig den Tank auffüllte, erweckte er objektiv den Eindruck, zur Bezahlung bereit zu sein. Er wollte also über seine Zahlungsbereitschaft täuschen. Jedoch hat Tankwart T den A beim Tankvorgang gar nicht bemerkt. Damit konnte A auch nicht auf das Vorstellungsbild des T einwirken und somit keinen Irrtum hervorrufen. Somit fehlt es schon an einer vollendeten Täuschung.

Anders ist der Fall, wenn T den A zwar bemerkt, sich jedoch nicht weiter darüber Gedanken macht. Für eine (vollendete) Täuschung genügt ein sog. sachgedankliches Mitbewusstsein, d.h. es genügt, wenn sich T beim Anblick des A denkt, „alles ist ok“. Diese Auffassung geht von der Überlegung aus, dass der Tankwart grds. davon ausgehen darf, dass der Tankende das Benzin später auch bezahlen will.

2. Ergebnis

A hat sich nicht gem. § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

III. Strafbarkeit nach §§ 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB

Indem der A jedoch versuchte, den Tankwart über seine Zahlungsbereitschaft zu täuschen, und dadurch kostenlos tanken konnte, hat er sich eines versuchten Betruges gem. §§ 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

IV. Strafbarkeit nach § 246 Abs. 1 StGB

Indem A ohne zu bezahlen mit dem Benzin wegfuhr, könnte er sich einer Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.

1. Objektiver Tatbestand

Bei dem Benzin handelt es sich um eine fremde, bewegliche Sache (s.o.).

Des Weiteren müsste sich A das Benzin zugeeignet haben. Erforderlich ist die objektive Manifestation eines Selbst- oder Drittzueignungswillens. Durch das Wegfahren hat A (auch nach der engen Manifestationstheorie) seinen Zueignungswillen nach außen manifestiert.

Tipp: Allein das Befüllen des Tanks ist nach der engen Manifestationstheorie nicht ausreichend für eine Tathandlung iSd. § 246 StGB. Für weiterführende Ausführungen zu der engen und weiten Manifestationstheorie empfehlen wir diesen Artikel.

2. Subjektiver Tatbestand

A handelte vorsätzlich und in der Absicht, sich das Benzin zuzueignen. A hatte keinen fälligen, einredefreien Anspruch auf das Benzin, sodass die Zueignung auch rechtswidrig war.

3. Rechtswidrigkeit und Schuld

A handelte zudem rechtswidrig und schuldhaft.

4. Ergebnis

A hat sich gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Die Lecturio-Redaktion

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.