Der Sachverhalt
A fährt zu einer Tankstelle, um sein fast leeres Auto vollzutanken. Auf der Zapfsäule ist ein Schild angebracht: „Bis zur Zahlung bleibt das Benzin Eigentum der X-Tankstelle.“ A tankt sein Auto für 70 Euro voll, wobei er von vornherein die Absicht hat, nicht zu bezahlen. Nach dem Tankvorgang fährt er einfach weg. Der Tankwart T bemerkt den Tankvorgang des A erst nachdem dieser schon weggefahren ist.
Wie hat sich A nach dem StGB strafbar gemacht?
I. Strafbarkeit nach § 242 Abs. 1 StGB
Durch das Einfüllen des Benzins der X-Tankstelle ohne anschließend zu bezahlen könnte sich A wegen Diebstahls gem. § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.
Tipp: Im Obersatz die konkrete Handlung benennen, die womöglich unter Strafe steht!
1. Fremde, bewegliche Sache
Bei dem Benzin müsste es sich hierfür zunächst um eine fremde, bewegliche Sache handeln. Benzin ist eine bewegliche Sache, die fremd ist, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht (und nicht herrenlos ist).
Die Tankstelle X hat sich das Eigentum an dem Benzin gem. § 449 BGB bis zur Kaufpreiszahlung vorbehalten, sodass A nicht Eigentümer wurde. Damit handelte es sich bei dem Benzin um eine fremde, bewegliche Sache.
Finden sich keine Angaben zu einem Eigentumsvorbehalt im Sachverhalt, muss das Merkmal der Fremdheit ausführlicher diskutiert werden. Eine Mindermeinung vertritt die Ansicht, dass das Eigentum bereits durch das Tanken übergeht, sodass es danach schon am Merkmal „Fremdheit“ fehlen würde. Die wohl herrschende Meinung ist jedoch anderer Ansicht.
Tipp: Für genauere Ausführungen zu dieser Problematik empfehlen wir diesen Artikel.
2. Wegnahme
Weiterhin müsste A das Benzin weggenommen haben.
Definition: Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendig eigenen Gewahrsams.
Definition: Gewahrsam ist die tatsächliche, vom Willen getragene Sachherrschaft.
Ein Bruch fremden Gewahrsams liegt vor, wenn der Täter (A) den Gewahrsam des bisherigen Gewahrsamsinhabers (Tankstelle X) gegen oder ohne dessen Willen aufhebt.
Durch Befüllung des Tanks wurde der Tankstelle X der ungehinderte Zugriff auf das Benzin entzogen, während A nun über das Benzin verfügen konnte. Insoweit hat A neuen Gewahrsam am Benzin begründet. Fremder Gewahrsam wird jedoch nur dann gebrochen, wenn der Täter gegen oder ohne den Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers handelt.
Dies scheint vorliegend fraglich, denn in der Regel muss davon ausgegangen werden, dass die Tankstelle will, dass die Kunden das Benzin tanken und damit Gewahrsam daran begründen. Ansonsten würde kein Benzin verkauft werden. Damit erfolgte der Gewahrsamsbruch mit Willen der X, es liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor.
Teilweise wird vertreten, das (tatbestandsausschließende) Einverständnis stehe unter der Bedingung der Zahlungswilligkeit des Tankenden. Dies ist jedoch mit einer ähnlichen Argumentation wie im bekannten Fall „Hausfriedensbruch bei Betreten in rechtsfeindlicher Absicht“ abzulehnen.
3. Ergebnis
Damit hat sich A nicht gem. § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
II. Strafbarkeit nach § 263 Abs. 1 StGB
Indem A in der Absicht tankte, nicht zu bezahlen, könnte er sich eines Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.
1. Täuschungshandlung
Hierfür müsste zunächst eine Täuschungshandlung, also eine Täuschung über Tatsachen vorliegen.
Definition: Täuschung ist das Einwirken auf das Vorstellungsbild eines anderen mit dem Ziel, einen Irrtum zu erregen.
Indem A ganz unauffällig den Tank auffüllte, erweckte er objektiv den Eindruck, zur Bezahlung bereit zu sein. Er wollte also über seine Zahlungsbereitschaft täuschen. Jedoch hat Tankwart T den A beim Tankvorgang gar nicht bemerkt. Damit konnte A auch nicht auf das Vorstellungsbild des T einwirken und somit keinen Irrtum hervorrufen. Somit fehlt es schon an einer vollendeten Täuschung.
Anders ist der Fall, wenn T den A zwar bemerkt, sich jedoch nicht weiter darüber Gedanken macht. Für eine (vollendete) Täuschung genügt ein sog. sachgedankliches Mitbewusstsein, d.h. es genügt, wenn sich T beim Anblick des A denkt, „alles ist ok“. Diese Auffassung geht von der Überlegung aus, dass der Tankwart grds. davon ausgehen darf, dass der Tankende das Benzin später auch bezahlen will.
2. Ergebnis
A hat sich nicht gem. § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
III. Strafbarkeit nach §§ 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB
Indem der A jedoch versuchte, den Tankwart über seine Zahlungsbereitschaft zu täuschen, und dadurch kostenlos tanken konnte, hat er sich eines versuchten Betruges gem. §§ 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
IV. Strafbarkeit nach § 246 Abs. 1 StGB
Indem A ohne zu bezahlen mit dem Benzin wegfuhr, könnte er sich einer Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.
1. Objektiver Tatbestand
Bei dem Benzin handelt es sich um eine fremde, bewegliche Sache (s.o.).
Des Weiteren müsste sich A das Benzin zugeeignet haben. Erforderlich ist die objektive Manifestation eines Selbst- oder Drittzueignungswillens. Durch das Wegfahren hat A (auch nach der engen Manifestationstheorie) seinen Zueignungswillen nach außen manifestiert.
Tipp: Allein das Befüllen des Tanks ist nach der engen Manifestationstheorie nicht ausreichend für eine Tathandlung iSd. § 246 StGB. Für weiterführende Ausführungen zu der engen und weiten Manifestationstheorie empfehlen wir diesen Artikel.
2. Subjektiver Tatbestand
A handelte vorsätzlich und in der Absicht, sich das Benzin zuzueignen. A hatte keinen fälligen, einredefreien Anspruch auf das Benzin, sodass die Zueignung auch rechtswidrig war.
3. Rechtswidrigkeit und Schuld
A handelte zudem rechtswidrig und schuldhaft.
4. Ergebnis
A hat sich gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.