I. Allgemeines
Berufung und Revision schließen sich nicht aus. Im Strafrecht gibt es Urteile, die sowohl mit der Berufung als auch mit der Revision angefochten werden können. Namentlich handelt es sich dabei um die Urteile der Amtsgerichte. Diese sind gemäß § 312 StPO berufungsfähig. Darüber hinaus sind sie aber auch direkt mit der Revision angreifbar, wie sich aus § 335 Abs. 1 StPO ergibt. Wird die Möglichkeit genutzt, ein solches Urteil direkt mit der Revision anzugreifen, spricht man von einer Sprungrevision.
Auf welches Rechtsmittel die Wahl fällt, hängt davon ab, welches Ziel man verfolgt. Hält man eine zweite Tatsacheninstanz für zielführend, ist die Berufung das geeignete Rechtsmittel. Das Berufungsgericht trifft seine Entscheidung grundsätzlich in der gleichen Weise wie das Ausgangsgericht, §§ 323, 324 StPO. Insbesondere wird eine neue Beweisaufnahme durchgeführt.
Innerhalb der erneuten Beweisaufnahme sind neue Beweismittel zulässig, § 323 Abs. 3 StPO. Deshalb macht die Berufung dann Sinn, wenn neue Beweise zur Verfügung stehen. Aber auch wenn man sich erhofft, das Berufungsgericht werde nach erneuter Beweisaufnahme die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilen als das Ausgangsgericht, ist die Berufung geeignet.
Hingegen ist die Revision die bessere Wahl, wenn es bei den erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen bleiben soll. Dies kann der Fall sein, wenn lediglich Rechtsfragen geklärt werden sollen. Das Revisionsgericht soll dann zum Beispiel prüfen, ob der erstinstanzlich festgestellte Sachverhalt unter ein Strafgesetz subsumiert werden kann oder nicht.
Ebenso ist die Revision das bessere Rechtsmittel, wenn der Revisionsführer meint, die Tatsachenfeststellung habe zweifelsfrei verfahrensfehlerhaft stattgefunden. Würde man dann Berufung einlegen, könnte der Fehler bei der Tatsachenfeststellung geheilt werden, denn diese würden nun erneut durchgeführt werden.
Wäre diese Tatsachenfeststellung fehlerfrei, könnte eine Revision gegen das Berufungsurteil nicht mehr auf den ursprünglichen Fehler gestützt werden.
An Hand dieser wenigen Beispiele zeigt sich, wie entscheidend die Wahl des richtigen Rechtsmittels ist, um sein Ziel zu erreichen.
II. Die Wahlmöglichkeit zwischen Berufung und Revision
Der Rechtsmittelführer hat das Problem, dass die Berufung und auch die Revision regelmäßig innerhalb einer Woche nach Verkündung des Urteils einzulegen ist, §§ 314 Abs. 1, 341 Abs. 1 StPO.
Innerhalb dieser kurzen Frist liegen ihm die schriftlichen Urteilsgründe regelmäßig noch nicht vor. Deshalb fällt die Entscheidung nicht leicht, welches Rechtsmittel das Erfolgversprechendere ist. Mit den schriftlichen Urteilsgründen fehlt dem Anfechtungswilligen die Entscheidungsgrundlage.
Für dieses Dilemma hat die Rechtsprechung eine einfache Lösung entwickelt.
Dem Rechtsmittelführer wird zugestanden, die Wahl zwischen Berufung und Revision erst innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 StPO) zu treffen. Dieses Wahlrecht geht selbst nicht dadurch verloren, dass das Rechtsmittel zunächst konkret als ein anderes bezeichnet wird [BGHSt 13, 388].
Das heißt, der Anfechtende kann zunächst schlicht „Rechtsmittel“ einlegen. Später hat er dann die Möglichkeit, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zu präzisieren, ob es sich dabei um eine Berufung oder eine Revision handeln soll. Nimmt er diese Präzisierung nicht vor, wird die Sache stets wie eine Berufung behandelt.
Ebenso könnte der Anfechtende sein Rechtsmittel zunächst als Berufung oder Revision bezeichnen. Anschließend hätte er innerhalb der genannten Frist die Möglichkeit das jeweils andere Rechtsmittel zu wählen.
Beachte: Wählt der Rechtsmittelführer jedoch die Revision in klarer, endgültiger und zweifelsfreier Weise, so ist diese Wahl bindend [BGHSt 13, 388]. Wird eine Revision eingelegt, ohne sie fristgerecht zu begründen, wird sie als unzulässig verworfen – eine solche Revision wird nicht als Berufung behandelt.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die hier dargestellte Wahlmöglichkeit nicht mit § 300 StPO verwechselt werden darf. Der Anwendungsbereich dieser Norm ist nur eröffnet, wenn der Anfechtende ein konkretes Rechtsmittel meint, dieses aber irrig falsch bezeichnet. Im vorgestellten Problemkreis ist die Bezeichnung des Rechtsmittels richtig. Das Rechtsmittel selbst, ist aber das falsche und darf unter den obigen Voraussetzungen neu gewählt werden.