I. Allgemeines zur Durchsuchung, §§ 102 StPO
Definition: Unter einer Durchsuchung ist das gezielte Suchen nach Personen, Beweismitteln oder Gegenständen, die als Einziehungs- oder Verfallsobjekte in Betracht kommen, zu verstehen.
Objekt einer Durchsuchung können Wohnungen, andere Räumlichkeiten, bewegliche Sachen oder ebenso Personen sein.
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1. Eingriffsdurchsuchung
Zur Ergreifung einer Person kann eine Wohnung oder eine Sache – sofern sie die ausreichende Größe aufweist, um eine Person verbergen zu können – durchsucht werden.
Definition: Durchsuchen bedeutet etwas nicht klar zutage Liegendes, vielleicht Verborgenes suchen zu müssen, etwas aufzudecken oder ein Geheimnis zu lüften.
Eine Person kann ergriffen werden, wenn:
- Sie per Haftbefehl (§ 114 StPO) gesucht wird.
- Ein Unterbringungsbefehl oder Vorführungsbefehl vorliegt.
- Vorläufig festgenommen werden kann.
- Es sich um einen entwichenen Strafgefangenen handelt, § 87 StVollzG.
- Die Anordnung/Entnahme einer Blutprobe erforderlich ist und die Person zur Durchsetzung der Maßnahme Eingriffe auf Grundlage des § 81a StPO zu dulden hat.
2. Durchsuchung auf Beweismittel
Ebenfalls kann eine Durchsuchung (§§ 102 ff. StPO) stattfinden, um Beweismittel aufzufinden.
Hierbei ist ausreichend, dass aufgrund kriminalistischer Erfahrungswerte die Durchsuchung zum Auffinden von sachlichen Beweismitteln führen wird.
Definition: Sachliche Beweismittel sind Gegenstände jeder Art, die unmittelbar oder mittelbar für die Tat oder die Umstände ihrer Begehung Beweiswert haben.
Auch Blut- oder Spermaflecken und andere Spurenträger sowie Kleidungsstücke sind möglicherweise Beweismittel.
II. Verfahren der Durchsuchung, § 105 StPO
Die Anordnung und Ausführung von Durchsuchungen gemäß der §§ 102 ff. StPO steht unter einem Richtervorbehalt, vgl. § 105 StPO.
§ 105 Abs. 1 S. 1 StPO lautet:
Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, […] angeordnet werden.
Nur bei Gefahr in Verzug kann die Anordnung auch durch die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungspersonen erfolgen.
Definition: Gefahr im Verzug bedeutet, dass die Anordnung nicht eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme dadurch gefährdet wäre.
Bsp.: Der Täter wird auf frischer Tat betroffen oder verfolgt.
Merke: Der Verzicht auf die richterliche Anordnung darf nur in Ausnahmefällen erfolgen!
Willigt der Betroffene in die Durchsuchung ein, ist die richterliche Anordnung hingegen entbehrlich.
Die wirksame Einwilligung muss freiwillig, ernstlich und ausdrücklich erfolgen. Zudem muss ausreichende Verstandsreife sowie Kenntnis von der Sachlage und dem Weigerungsrecht vorhanden sein. Auch eine konkludente Einwilligung ist grundsätzlich möglich
Eine Einwilligung kann aber auch wieder zurückgenommen werden. Die richterliche Anordnung wird dann wieder erforderlich und die Durchsuchung ist gegebenenfalls abzubrechen.
III. Beschuldigte und andere Personen, §§ 102 und 103 StPO
Bezüglich einer Durchsuchung ist zwischen Beschuldigten (§ 102 StPO) und anderen Personen (§ 103 StPO) notwendigerweise zu unterscheiden.
Definition: Beschuldigte im Sinne des § 102 StPO sind der Tat verdächtige Personen (verdächtige Personen).
Tatverdacht ist gegeben, wenn zureichende Anhaltspunkte und Beweise vorliegen, dass der Betroffene eine bestimmte Straftat begangen oder an ihr teilgenommen hat. Vermutungen und Annahmen reichen keinesfalls aus, um einen Tatverdacht zu begründen.
Definition: Andere Personen im Sinne des § 103 StPO sind der Tat nicht verdächtige Personen (unverdächtige Personen).
Bsp.: Zeugen, Opfer der Tat, Kinder, Andere schuldunfähige Personen.
1. Durchsuchung beim Beschuldigten, § 102 StPO
§ 102 StPO lautet:
Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.
Zweck der Durchsuchung iSd. § 102 StPO kann somit in der Ergreifung oder Beweissicherung liegen. Nicht jedoch in der Ausforschung!
a) Wohnung und andere Räume des Beschuldigten
Bei dem Beschuldigten dürfen zunächst Wohnungen und andere Räume durchsucht werden. Hierbei gilt der extensive Wohnungsbegriff nach Art. 13 GG.
Definition: Wohnung ist eine zur Unterkunft von Menschen dienende Räumlichkeit, die dadurch für den/die Betroffenen eine abgeschirmte Privatsphäre bildet.
Ein befriedetes Areal ist ein Bereich, der ebenfalls in den Schutzbereich des Art. 13 GG fällt. Es erfasst Wohnung im engeren Sinne und jedes andere umfriedete Besitztum. Es kommt zudem nicht auf das Hausrecht an.
Bsp.: Dachboden, Kellerräume, Geschäftsräume, Wohnmobile oder Flüchtlingsheime
Definition: Geschäftsräume sind Räumlichkeiten, die dazu bestimmt sind, gewerblichen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Zwecken zu dienen.
b) Sachen des Beschuldigten
Ebenfalls umfasst von einer Durchsuchung iSd. § 102 StPO sind Sachen, die dem Verdächtigen „gehören“. Das heißt sie müssen wenigstens in seinem (Mit-) Gewahrsam stehen.
c) Beschuldigte selbst
Letztlich ist gem. § 102 StPO die Durchsuchung der Person zulässig.
Eine Person wird durchsucht, indem man ihre Kleidung abtastet, um nach Gegenständen oder Spuren der Tat zu suchen. Eine Durchsuchung am Körper (auch natürlicher Körperöffnungen) und auch der Kleidung ist somit zulässig. Nicht erfasst sind Durchsuchungen im Körper. Hier gelten die strengen Voraussetzungen der §§ 81a ff. StPO.
Eine Durchsuchung tatverdächtiger Personen wird in der Regel auf polizeiliche Sofortlagen beschränkt sein. Das hat zur Folge, dass immer Gefahr in Verzug gegeben sein wird.
d) Erfolgsvermutung
Die Durchsuchung ist bereits dann zulässig, wenn die Vermutung besteht, dass sie zur Auffindung des Beschuldigten oder von Beweismitteln führt.
Eine Vermutung setzt voraus, dass unter Abwägung aller Umstände zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Durchsuchung erfolgreich sein werde. Reine Gefühlserwägungen oder Erwägung sind nicht ausreichend.
2. Durchsuchung bei anderen Personen, § 103 StPO
§ 103 Abs. 1 StPO lautet:
Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. […]
Die Durchsuchung iSd. § 103 StPO beschränkt sich auf Durchsuchung zur Ergreifung des Beschuldigten oder zum Auffinden bestimmter Gegenstände und Spuren.
Fraglich, ist, ob auch Personendurchsuchungen nach § 103 StPO zulässig sind. Dies wird von der herrschenden Meinung aufgrund eines Erst-Recht-Schluss aus § 81c StPO bejaht.
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IV. Durchsuchungsverbote, § 104 StPO
§§ 102 ff. StPO enthalten keine den §§ 52 ff., 97 StPO entsprechenden Durchsuchungsverbote. Auch Durchsuchung bei zeugnisverweigerungsberechtigten Personen ist somit zulässig.
Aber die Durchsuchung nach erkennbar beschlagnahmefreien Gegenständen ist nach § 97 StPO unzulässig.
Bei der nächtlichen Durchsuchung sind die Besonderheiten des § 104 StPO zu beachten! Nach § 104 StPO dürfen zur Nachtzeit die Wohnung, die Geschäftsräume und das befriedete Besitztum nur durchsucht werden, bei:
- § 104 Abs. 1 Nr. 1 StPO: bei Verfolgung auf frischer Tat,
- § 104 Abs. 1 Nr. 2 StPO: bei Gefahr im Verzug,
- § 104 Abs. 1 Nr. 3 StPO: wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass während der Durchsuchung auf ein elektronisches Speichermedium zugegriffen werden wird, das als Beweismittel in Betracht kommt, und ohne die Durchsuchung zur Nachtzeit die Auswertung des elektronischen Speichermediums, insbesondere in unverschlüsselter Form, aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre oder
- § 104 Abs. 1 Nr. 4 StPO: zur Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen.
V. Zufallsfunde, § 108 StPO
Werden bei der Durchsuchung Gegenstände gefunden, die zwar in einer Beziehung zur Untersuchung stehen, aber auf eine andere Tat hindeuten (Zufallsfunde), können diese beschlagnahmt werden.
Dies gilt nicht, wenn Zufallsfunde unter einem Beschlagnahmeverbot stehen oder die Beamten gezielt danach suchen, um sie dann als Zufallsfunde darzustellen (Umgehungsgedanke).
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