I. Allgemeines
Dem künftigen Erblasser stehen eine Reihe erbrechtlicher Instrumente, sogenannte Rechtsinstitute des Erbrechts, zur Verfügung, um die Erbfolge nach seinem Willen zu regeln. Zu diesen Instrumenten zählen das Testament (§ 2247 BGB), der Erbvertrag (§ 1941, §§ 2274 ff. BGB pactum successorium), das Vermächtnis (§ 1939 BGB) und die Auflage (§ 1940 BGB). Diese erbrechtlichen Institute sind Erscheinungsformen der gewillkürten Erbfolge.
II. Die gesetzliche Erbfolge
Wie der Name bereits sagt, hängt die Frage, wer rechtlich in das Vermögen des Erblassers eintreten soll, vom Willen des Erblassers ab. Verzichtet der Erblasser auf die Formulierung einer letztwilligen Verfügung, in welcher Form auch immer, besteht ein gesetzliches Regelungserfordernis bezüglich der Frage, wer das Erbe (§ 1922 Abs. 1 BGB) antreten soll.
Dieses gesetzliche Regelungserfordernis bezieht sich für den Fall einer Erbenmehrheit zudem auf die Frage, in welchem quantitativen Verhältnis zueinander die Erben berücksichtigt werden sollen. Insoweit bewegen wir uns im Bereich der sogenannten gesetzlichen Erbfolge.
Die Regelungen über die gesetzliche Erbfolge finden sich im BGB in den §§ 1924 bis 1936 BGB. Zunächst ist in einer ersten grundsätzlichen Differenzierung zu unterscheiden zwischen:
- Verwandtenerbrecht
- Ehegattenerbrecht
- Erbrecht des Staates
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1. Erbenordnungen
Erbberechtigte nach dem Verwandtenerbrecht werden verschiedenen Erbenordnungen zugewiesen. Diese Erbenordnungen stehen in einem hierarchischen Verhältnis. Das BGB bestimmt hierzu in § 1930 BGB, dass ein Verwandter nicht zur Erbfolge berufen ist, solange ein Verwandter einer vorangehenden Ordnung vorhanden ist.
§ 1930 BGB:
Ein Verwandter ist nicht zur Erbfolge berufen, solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist.
Das Gesetz kennt gesetzliche Erben erster, zweiter, dritter und vierter Ordnung sowie fünfter und fernerer Ordnungen.
2. Gesetzliche Erben erster Ordnung
Definition: Gesetzliche Erben erster Ordnung sind gemäß § 1924 Abs. 1 BGB die Abkömmlinge des Erblassers.
Unter Abkömmlingen im erbrechtlichen Sinne sind zu verstehen:
- Kinder des Erblassers
- Enkel des Erblassers
- Urenkel des Erblassers
- außerhalb der Ehe geborene Kinder des Erblassers
- Adoptivkinder des Erblassers
Nichteheliche Kinder sind inzwischen ehelichen Kindern erbrechtlich vollständig gleichgestellt. Ihre Erbberechtigung besteht sowohl im Verhältnis zur Mutter wie auch im Verhältnis zum Vater.
Adoptivkinder sind Abkömmlinge des Erblassers im Verhältnis zum familienrechtlich annehmenden. Für das Verständnis ist insoweit ein Blick ins Familienrecht hilfreich. Gemäß § 1754 Abs. 1 BGB gilt, dass ein Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten erlangt, nimmt das Ehepaar das Kind als solches an.
Ein wichtiges erbrechtliches Prinzip im Kontext der gesetzlichen Erbfolge findet sich in § 1924 Abs. 2 BGB niedergelegt. Die Norm ordnet an, dass ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge ausschließt. Dieses Prinzip wird Repräsentationsprinzip genannt.
Die nur mittelbar mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge werden in dieser von der Erbfolge ausschließenden Weise vom unmittelbar verwandten Abkömmling repräsentiert. Ein noch lebendes Kind des Erblassers schließt also seine eigene Kinder und die Enkel des Erblassers von der Erbfolge aus. Gemäß Abs. 4 von § 1924 BGB schließlich erben Kinder zu gleichen Teilen.
3. Gesetzliche Erben zweiter Ordnung
Definition: Gesetzliche Erben zweiter Ordnung sind gemäß § 1925 Abs. 1 BGB die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.
Leben zur Zeit des Erbfalls beide Elternteile, so erben sie allein und zu gleichen Teilen. Für den Fall, dass zur Zeit des Erbfalles Vater oder Mutter nicht mehr leben, sieht das Gesetz in § 1925 Abs. 3 BGB differenzierte Regelungen zur Verteilung der Erbmasse vor.
4. Gesetzliche Erben dritter und vierter Ordnung
Definition: Gesetzliche Erben der dritten und vierten Ordnung sind gemäß §§ 1926, 1928 BGB die Großeltern und Urgroßeltern des Erblassers mit jeweils deren Abkömmlingen.
Für den Fall, dass nur ein Großelternteil bzw. nur ein Urgroßelternteil zur Zeit des Erbfalls lebt, sehen die §§ 1926, 1928 BGB im Wesentlichen die Verteilungsregeln der nach zweiter Ordnung gebildeten Vorschriften vor (bei Erben der dritten Ordnung z.B.: Einbeziehung der Abkömmlinge des verstorbenen Teils und im Falle des Nichtvorhandenseins von Abkömmlingen Anfall beim überlebenden Großeltern- oder Urgroßelternteil).
Der gesetzgeberische Zweck der gesetzlichen Erbfolge in den einzelnen Ordnungen besteht darin, die Versorgung und Sicherung des Unterhalts der künftigen, eher jungen Generationen gegenüber den Interessen der älteren Generation zu präferieren. Dieser Aspekt ist im Rahmen der teleologischen Auslegung, also der Gesetzesauslegung mit Blick auf Sinn und Zweck der Norm, zu berücksichtigen.
III. Das Ehegattenerbrecht
Die Grundzüge des Ehegattenerbrechts finden sich in § 1931 BGB. Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ist in differenzierter Weise wie folgt gesetzlich ausgestaltet:
- Ein Viertel neben Verwandten der ersten Ordnung.
- Hälftig neben verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern
Die ganze Erbschaft fällt dem überlebenden Ehegatten zu, wenn weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden sind. Dies regelt ausdrücklich § 1931 Abs. 2 BGB.
Beachte: Hier kann das Familienrecht eine Große Rolle spielen, denn sofern die Ehegatten in einer Zugewinngemeinschaft gelebt haben, steht dem überlebenden Ehegatten nicht nur ein Viertel neben Verwandten der ersten Ordnung zu, sondern die Hälfte (§ 1371 BGB).
VI. Der Pflichtteil
Dieser privatautonom auszuübende Wille des Erblassers findet seine Grenze allein im Pflichtteilsrecht. Der gesetzliche Pflichtteil sichert den nächsten Angehörigen des Erblassers, dessen Abkömmlingen, Eltern, Ehegatten oder Lebenspartnern, einen gesetzlich verbürgten Mindestanspruch am Nachlass, §§ 2303 ff. BGB.
VII. Staats- oder Fiskalerbrecht
Das Staats- oder Fiskalerbrecht letztlich wird von der Rechtsordnung vorgesehen für den Fall, dass eine gewillkürte Erbschaft mangels letztwilliger Verfügung des Erblassers nicht in Betracht kommt und zur Zeit des Erbfalls kein Verwandter, Ehegatte oder Lebenspartner des Erblassers vorhanden ist. Das Staatserbrecht gemäß § 1936 BGB greift auch, wenn ein gesetzlicher Erbe das Erbe ausschlägt. In all diesen Fällen greift das Erbrecht des Staates in folgenden beiden Varianten:
- Erbanfall zugunsten desjenigen Bundeslandes, in dem der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen letzten Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
- Als Auffangtatbestand formuliert § 1936 S. 2 BGB: „Im Übrigen erbt der Bund.“
Das gesetzliche Erbrecht des Staates gemäß § 1936 BGB mag dem Studierenden auf den ersten Blick seltsam erscheinen im Hinblick auf die Möglichkeit der Ausschlagung der Erbschaft. Erbschaft bedeutet jedoch gemäß § 1922 Abs. 1 BGB Gesamtrechtsnachfolge.
Dies bedeutet die Nachfolge des Erben in sämtliche Rechtspositionen des Erblassers. Und hierzu können eben auch Schulden gehören. Es kann mithin ökonomisch rational sein, eine Erbschaft gemäß § 1942 Abs. 1 BGB auszuschlagen. Für diesen Fall sieht das Gesetz im Interesse des Gläubigerschutzes das Fiskalerbrecht nach § 1936 BGB vor.
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