Die Haftung für den Verrichtungsgehilfen, § 831 BGB

Die Haftung für den Verrichtungsgehilfen, § 831 BGB

Neben § 823 BGB ist auch § 831 BGB eine zentrale Vorschrift des Deliktsrechts, die dementsprechend gerne und häufig in Klausuren oder im Examen abgeprüft wird. Wichtig ist es hierbei die Anspruchsvoraussetzungen der Norm zu kennen. Der folgende Beitrag erklärt, wie bei der Prüfung des § 831 BGB am besten vorzugehen ist.
Haftung für den Verrichtungsgehilfen
Lecturio Redaktion

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05.02.2024

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Inhalt

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I. Rechtsnatur des § 831 BGB

§ 831 Abs. 1 S. 1 BGB regelt die Haftung für den Verrichtungsgehilfen und bestimmt:

Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt.

Es handelt sich hierbei um eine Anspruchsgrundlage für eine Haftung wegen eigenen Verschuldens bei der Auswahl und Überwachung des Verrichtungsgehilfen. Damit stellt es einen eigenständigen Haftungstatbestand dar. § 831 BGB unterscheidet sich maßgeblich von § 278 BGB! Dieser sorgt lediglich für eine Zurechnung fremden Verschuldens und ist im Rahmen des Deliktsrechts nicht anwendbar.

II. Prüfungsschema des § 831 BGB

Damit ein Anspruch des Geschädigten nach § 831 BGB besteht, müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  • I. Tatbestand
  • 1. Verrichtungsgehilfe des Geschäftsherrn
  • 2. Unerlaubte, rechtswidrige Handlung des Verrichtungsgehilfen (Inzidentprüfung)
  • 3. In Ausübung der Verrichtung
  • 4. Keine Exkulpation des Geschäftsherrn, § 831 Abs. 1 S. 2 BGB
  • II. Rechtsfolge: Schadensersatz

III. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 831 BGB

1. Verrichtungsgehilfe des Geschäftsherrn

Derjenige, der den Anspruchsteller unmittelbar geschädigt hat, muss Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB) des Geschäftsherrn sein.

Definition: Verrichtungsgehilfe ist derjenige, der mit Wissen und Wollen für den Geschäftsherrn in dessen Interesse tätig wird und weisungsgebunden ist.

Die Weisungsgebundenheit unterscheidet den Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) vom Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 278 BGB. Kennzeichnend für den Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) ist dabei, dass er in den Organisationsbereich des Geschäftsherrn eingegliedert ist. Dies betrifft vor allem Arbeitnehmer, selbstständige Unternehmer dagegen nicht.

Beispiel: Zimmermannsgeselle Z wird mit Wissen und Wollen des Meisters M für ihn tätig und ist auch von seinen Weisungen abhängig. Damit ist Z ein Verrichtungsgehilfe des M.

2. Unerlaubte, rechtswidrige Handlung des Verrichtungsgehilfen

Des Weiteren muss der Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB) eine unerlaubte, rechtswidrige Handlung begangen haben. Dies setzt voraus, dass er einen Tatbestand der §§ 823 ff. BGB verwirklicht hat, wobei dies nicht schuldhaft erfolgt sein muss (gern übersehener Fehler in einer Klausur). Ausnahmsweise kommt es aber auf eine schuldhafte Begehung an, wenn der Deliktstatbestand nur vorsätzlich erfüllt werden kann. Das betrifft § 826 BGB sowie § 828 Abs. 2 BGB i.V.m. einer vorsätzlichen Straftat.

Problematisch ist, dass das Fehlen des Verschuldens des Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) als Anspruchsvoraussetzung dazu führen könnte, dass der Geschäftsherr haftet, obwohl sich der Gehilfe korrekt verhalten hat.

Beispiel: Taxifahrer T fährt mit einem Fahrgast auf der Straße. Die Verkehrslage zwingt ihn zu einer abrupten Abbremsung. B, der gerade aus dem Fenster geblickt hat, stößt sich den Kopf an der Scheibe. Haftet nun das Taxiunternehmen?

Der BGH behilft sich jedoch damit, den Schutzzweck der Norm zu verneinen, wenn sich der Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB) so verhalten hat, wie es auch jeder getan hätte, der sorgfältig ausgewählt und überwacht wurde.

3. In Ausführung der Verrichtung

Ferner muss der Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB) die unerlaubte Handlung in Ausführung der Verrichtung begangen haben.

Definition: Das heißt, die Handlung muss im von ihm übernommenen Pflichtenkreis getätigt worden sein und damit nach Art und Zweck der ihm vom Geschäftsherrn aufgetragenen Verrichtung einen inneren Zusammenhang aufweisen.

Nach herrschender Meinung genügt es demzufolge nicht, wenn er diese „bei Gelegenheit“ vorgenommen hat. Stattdessen wird ein innerer Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der schädigenden Handlung gefordert.

Die unerlaubte Handlung muss aber nicht durch eine Handlung herbeigeführt worden sein, die dem Gehilfen explizit übertragen wurde. Stattdessen ist es ausreichend, wenn sie zu dem Bereich der Maßnahmen gehört, die er durchführen soll.

Beispiel: LKW-Fahrer L verursacht einen Unfall, da der mitgeführte Anhänger schlingert. Der Geschäftsherr hatte ihm vorher verboten, den Anhänger mitzuführen. Die Rechtsprechung bejaht hier einen inneren Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der schädigenden Handlung.

Nach anderer Ansicht soll es bereits ausreichen, wenn dem Gehilfen durch die Verrichtung die Begehung der unerlaubten Handlung wesentlich erleichtert worden ist. Hierfür wird argumentiert, dass sich auch ein Schaden aus einer solchen unerlaubten Handlung mithilfe einer sorgfältigen Auswahl und Überwachung des Verrichtungsgehilfen vermeiden lasse.

Beispiel: Waschanlagenangestellter A reinigt den Porsche des Kunden K. Als er sich unbeobachtet fühlt, greift er in das Handschuhfach und entwendet 200 €. Hier hat A durch die Verrichtung erst die Gelegenheit bekommen, sich allein im Innenraum des Wagens aufzuhalten. Ihm ist die Begehung der unerlaubten Handlung damit wesentlich erleichtert worden. Demnach wäre nach der zweiten Ansicht eine Haftung des Waschanlageninhabers W nach § 831 Abs. 1 BGB möglich

Dies führt im Ergebnis jedoch zu weit und würde viele ungewollte Haftungsfälle herbeiführen, weshalb der ersten Meinung zuzustimmen ist.

4. Keine Exkulpation

Bei der Exkulpation geht es in diesem Falle nicht um die des Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB), sondern um die des Geschäftherrn! Im Rahmen des § 831 BGB werden das Verschulden des Geschäftsherrn sowie die Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden grundsätzlich vermutet.

Gemäß § 831 Abs. 1 S. 2 Var. 1 BGB kann sich der Geschäftsherr aber exkulpieren, wenn er bei der Auswahl und der Überwachung des Verrichtungsgehilfen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) angewandt hat. Das Erfordernis der sorgfältigen Überwachung ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetzestext, wird aber von der herrschenden Meinung bereits für das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Auswahl gefordert.

Hatte der Geschäftsherr Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten, muss er sich diesbezüglich ebenfalls exkulpieren. Schließlich genügt es nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB auch, wenn der Geschäftsherr nachweist, dass der Schaden auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entstanden wäre.

Eine Besonderheit stellt der dezentralisierte Entlastungsbeweis dar. Die Rechtsprechung billigt einen solchen denjenigen Geschäftsherren zu, die ein großes Unternehmen führen. Hat der Geschäftsherr Zwischenpersonen eingeschaltet, die ihrerseits Angestellte auswählen und überwachen, soll es hiernach ausreichen, wenn er nachweist, dass er diese Zwischenperson sorgfältig ausgewählt und überwacht hat bzw. dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn dies erfolgt wäre.

Zu beachten ist allerdings, dass in diesem Fall immer noch eine Haftung des Geschäftsherrn aufgrund eines Organisationsverschuldens gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Frage kommt. Er hat als Betriebsinhaber nämlich eine allgemeine Organisationspflicht, die es ihm auferlegt, seinen Betrieb so zu organisieren, dass niemand Drittes gefährdet wird. Diese Pflicht kann nicht auf andere übertragen werden. Außerdem ist keine Exkulpation möglich. Haben Organe pflichtwidrig gehandelt, kann dies dem Geschäftsherrn ebenfalls aufgrund der §§ 31, 89 BGB zugerechnet werden.

IV. Haftung für den Verrichtungsgehilfen im Überblick

Haftung für den Verrichtungsgehilfen im Überblick
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Quellen

  • Looschelders, Dirk: Schuldrecht Besonderer Teil, 10. Aufl., München 2015
  • Wandt, Manfred: Gesetzliche Schuldverhältnisse, 6. Aufl., München 2014

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

Frank Eilers

Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.