Die Herausforderungsfälle, § 823 Abs. 1 BGB

Die Herausforderungsfälle, § 823 Abs. 1 BGB

Das Deliktsrecht bezweckt, dass derjenige, der widerrechtlich in ein Rechtsgut eines anderen eingreift, den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen hat. Problematisch wird es dann, wenn der Geschädigte den Verletzungserfolg durch eigenes Handeln verursacht hat. Die Problematik der sog. „Herausforderungsfälle“ ist daher beliebter Prüfungsgegenstand.
Herausforderungsfälle
Lecturio Redaktion

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20.02.2024

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Inhalt

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Tipp: allgemeine Ausführungen zu § 823 BGB (Recht der unerlaubten Handlung) befinden sich in diesem Artikel.

I. Problemaufriss

Herausforderungsfälle sind Fälle, in denen das Opfer nicht direkt vom Schädiger verletzt wird. Vielmehr beruht die Verletzung auf einen Willens­entschluss des Verletzten selbst oder eines Dritten. Es liegt also eine Selbst­schädigung vor.

Definition – Herausforderungsfälle: Jemand, der durch vorwerfbares Verhalten, einen anderen zu selbstgefährdeten Verhalten herausfordert, ist diesem dann, sofern der Willensentschluss auf einem berechtigten Motiv beruht, zum Ersatz verpflichtet, der aus dem gesteigerten Risiko entstanden ist.

Unter welchen Voraussetzungen (BGH, Urteil v. 12.03.1996, Az. VI ZR 12/95) eine Haftung vorliegen kann und an welchen Prüfungspunkt dies zu thematisiert ist, wird nachfolgend erklärt.

II. Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB

Nach § 823 Abs. 1 BGB ist zum Schadensersatz verpflichtet,

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt […]

Die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB sind dabei – Prüfungsschema:

  1. Verletzung eines geschützten Rechtsguts
  2. Verletzungshandlung (oder Unterlassen)
  3. Haftungsbegründende Kausalität zwischen Handlung und Rechtsgutverletzung
  4. Rechtswidrigkeit der Handlung
  5. Verschulden
  6. Entstandener Schaden
  7. Haftungsausfüllende Kausalität zwischen Rechtsgutverletzung und Schaden

Liegen die Voraussetzungen vor, so begründet § 823 Abs. 1 BGB ein gesetzliches Schuldverhältnis, im Rahmen dessen der Schädiger zum Ersatz des entstandenen Schadens nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB verpflichtet ist.

III. Die haftungsbegründende Kausalität als Anknüpfungspunkt für die Herausforderungsfälle

Die haftungsbegründende Kausalität ist der Kausalzusammenhang zwischen dem eingetretenen Verletzungserfolg an dem betroffenen Rechtsgut und dem Verletzungshandeln (oder Unterlassen) des Schädigers. Die haftungsbegründende Kausalität ist dabei in drei „Schritten“ zu prüfen.

1) Die Äquivalenztheorie

Die Äquivalenztheorie findet auch im Strafrecht Anwendung, dort meist unter dem Begriff „conditio-sine-qua-non-Formel“.

Definition: Nach der Äquivalenztheorie ist kausal für einen Erfolg jedes Ereignis, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele.

Äquivalenztheorie
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2) Die Adäquanztheorie

Die Äquivalenztheorie ist denkbar weit gefasst und bedarf deshalb einer Einschränkung. Diese geschieht im Deliktsrecht regelmäßig durch die Adäquanztheorie.

Definition: Demnach ist eine Handlung nur dann kausal, wenn sie geeignet ist, den Erfolg unter gewöhnlichen Umständen herbeizuführen.

Ausgeschlossen werden durch die Adäquanztheorie also gänzlich atypische, ungewöhnliche Kausalverläufe.

Die Heranziehung der Adäquanztheorie im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität entspricht der wohl h.M. (und insbesondere der BGH-Rspr). Eine Mindermeinung wendet diese jedoch erst im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität an und lässt bei der haftungsbegründenden Kausalität die Äquivalenztheorie genügen.

3) Der Schutzzweck der Norm

Da auch die Adäquanztheorie nicht in allen Fällen zu gerechten Ergebnissen führt, ergänzt die h.M. die Kausalitätsprüfung um die Lehre vom Schutzzweck der Norm und nimmt dadurch eine weitere Einschränkung vor. Dies geschieht in der Regel in Fällen der mittelbaren Verletzung eines Rechtsguts.

Definition: Nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm erfolgt eine Zurechnung des Verletzungserfolges nur dann, wenn der konkrete Erfolg gerade unter den Schutzzweck der betroffenen Norm fällt, wenn also die Norm gerade den Geschädigten vor eben solch einer Verletzung schützen will.

Für den § 823 Abs. 1 BGB bedeutet dies, dass die Norm nur vor solchen Verletzungen schützen will, die durch einen Eingriff einer anderen Person erfolgen. Nicht vom Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB werden hingegen solche Verletzungserfolge erfasst, die sich bloß als Realisierung eines allgemeinen Lebensrisikos darstellen.

IV. Die Problematik der Herausforderungsfälle anhand eines Beispiels

Im Prüfungspunkt „Schutzzweck der Norm“ sind die sog. Herausforderungsfälle angesiedelt. Bei diesen Fällen besteht die Besonderheit, dass der Verletzungserfolg auf einer Willensentscheidung des Geschädigten selbst oder eines Dritten beruht.

Beispiel: Der Polizist P beobachtet, wie der S am Bahnhof ein Fahrrad stehlen will. Als er ihn stellt, flüchtet der S. P rennt ihm hinterher. Als S über einen kleinen Zaun klettert und P ihm folgen will, stürzt P beim Kletterversuch und bricht sich ein Bein.
Kann P von S Ersatz der Behandlungskosten sowie Schmerzensgeld nach § 823 I BGB verlangen?

Grundsätzlich hat das Verhalten des S (Weglaufen) den Verletzungserfolg bei P (Sturz bei der Verfolgung) äquivalent und adäquat kausal herbeigeführt. Problematisch ist in solchen Fällen jedoch der Schutzzweck der Norm. Denn § 823 Abs. 1 BGB will vor Fremdschädigung schützen, nicht jedoch vor Selbstschädigung.

Es stellt sich demnach die Frage, inwieweit dem Schädiger noch ein Erfolg, bei verhaltensbezogener Wertung, zuzurechnen ist, der auf einer eigenen Entscheidung des Geschädigten oder aber auch auf einem Dazwischentreten eines Dritten beruht.

V. Die Rechtsprechung des BGH als Lösung

Nach der Rechtsprechung des BGH wird der eingetretene Erfolg nur dann vom Schutzzweck der Norm umfasst, wenn:

  1. durch die Verfolgung ein erhöhtes Risiko für die Rechtsgüter des Verfolgers geschaffen wurde und sich dieses herausforderungstypische Risiko auch im eingetreten Erfolg verwirklicht hat;
  2. der Verfolger sich durch das Verhalten des Verfolgten herausgefordert fühlte und dies auch durfte, seine Handlung also eine gewöhnliche Reaktion auf die Verfolgung darstellt;
  3. der Verfolgte subjektiv damit rechnen musste, verfolgt zu werden;

Liegen all diese Voraussetzungen vor, dann liegt der eingetretene Verletzungserfolg noch im Schutzzweck der Norm und die haftungsbegründende Kausalität ist damit gegeben. Fehlt es an den Voraussetzungen, so ist die Kausalität zu verneinen und ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheidet damit aus.

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

Frank Eilers

Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Zach Davis ist studierter Betriebswirt und Experte für Zeitintelligenz und Zukunftsfähigkeit. Als Unternehmens-Coach hat er einen tiefen Einblick in über 80 verschiedene Branchen erhalten. Er wurde 2011 als Vortragsredner des Jahres ausgezeichnet und ist bis heute als Speaker gefragt. Außerdem ist Zach Davis Autor von acht Büchern und Gründer des Trainingsinstituts Peoplebuilding.

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Wladislaw Jachtchenko ist mehrfach ausgezeichneter Experte, TOP-Speaker in Europa und gefragter Business Coach. Er hält Vorträge, trainiert und coacht seit 2007 Politiker, Führungskräfte und Mitarbeiter namhafter Unternehmen wie Allianz, BMW, Pro7, Westwing, 3M und viele andere – sowohl offline in Präsenztrainings als auch online in seiner Argumentorik Online-Akademie mit bereits über 52.000 Teilnehmern. Er vermittelt seinen Kunden nicht nur Tools professioneller Rhetorik, sondern auch effektive Überzeugungstechniken, Methoden für erfolgreiches Verhandeln, professionelles Konfliktmanagement und Techniken für effektives Leadership.

Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.