I. Hintergrund zum Vollstreckungsverfahren
Obsiegt der Kläger in einem Zivilprozess, so ist das Erkenntnisverfahren beendet. Häufig ist damit aber noch nicht das Ende erreicht. Denn leistet der Beklagte beispielsweise einem ergangenen Urteil nicht freiwillig Folge (zahlt er z.B. nicht, obwohl das Gericht einen Zahlungsanspruch des Klägers rechtskräftig festgestellt hat), so muss in der Folge das Zwangsvollstreckungsverfahren durchgeführt werden.
Geregelt ist das Zwangsvollstreckungsverfahren im 8. Buch der ZPO (§§704-945b ZPO).
Im Zwangsvollstreckungsverfahren spricht man nicht mehr von Kläger und Beklagtem, sondern von Gläubiger und Schuldner, vgl. §§ 710, 712 ZPO. Der Gläubiger kann die Zwangsvollstreckung nicht selbst betreiben, sondern muss staatliche Hilfe durch die Vollstreckungsorgane in Anspruch nehmen (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht).
Grundvoraussetzungen einer Zwangsvollstreckung
- Antrag, §§ 753, 754 ZPO (Auftrag an den Gerichtsvollzieher)
- Titel: Endurteil § 704 ZPO oder weitere Vollstreckungstitel, geregelt in § 794 ZPO
- Klausel, §§ 724, 725 ZPO = Vollstreckbare Ausfertigung des Urteils
- Zustellung, § 750 ZPO
II. Der Vollstreckungstitel
Definition: Unter einem Vollstreckungstitel versteht man eine öffentliche Urkunde, aus der sich ergibt, dass ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch besteht.
Der Titel ist die Grundlage der Vollstreckung und unabdingbare Voraussetzung für ihre Durchführung. Aus dem Titel müssen sich ergeben:
- der vollstreckbare Anspruch
- die Parteien des Zwangsvollstreckungsverfahrens
Partei des Vollstreckungsverfahrens ist, wer im Titel als Gläubiger oder Schuldner genannt ist. Alle anderen genannten Personen sind Dritte, für und gegen die keine Zwangsvollstreckung erfolgen kann.
Die verschiedenen Vollstreckungstitel nach ihrer Art
1. Das Endurteil, § 704 ZPO
Der wohl wichtigste Vollstreckungstitel (v.a. in der juristischen Ausbildung) ist das Endurteil, § 704 ZPO.
Definition: Ein Endurteil ist ein Urteil, das bei Entscheidungsreife erlassen wird und das über den Streitgegenstand entscheidet.
Dies kann entweder vollständig (Schlussurteil, § 300 ZPO) oder nur zum Teil (Teilurteil, § 301 ZPO) geschehen.
Das Urteil muss gem. § 704 ZPO entweder rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar (§§ 708ff. ZPO) erklärt worden sein. Rechtskräftig wird ein Urteil mit Ablauf der Rechtsmittelfristen, § 705 ZPO. Nicht immer möchte oder kann der Kläger allerdings so lange warten. In einem solchen Fall hilft ihm das Instrument der vorläufigen Vollstreckbarkeit weiter (§§ 708 ff. ZPO).
Erklärt das Gericht sein Urteil für vorläufig vollstreckbar (§§ 708ff. ZPO), darf daraus vollstreckt werden, auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig geworden ist. Dieses Instrument dient dem Gläubigerschutz. Es soll verhindert werden, dass der Schuldner durch Einlegung von Rechtsbehelfen die Vollstreckung hinauszögert.
Wann die vorläufige Vollstreckbarkeit vom Gericht anzuordnen ist, regelt §§ 708, 709 ZPO. Ein Blick in diese Normen verrät, dass die vorläufige Vollstreckbarkeit grundsätzlich bei allen Endurteilen anzuordnen ist.
Dem Schuldner stehen die Möglichkeiten von Rechtsmitteln zur Verfügung. Damit dieser durch die vorläufige Vollstreckbarkeit nicht rechtsschutzlos gestellt wird, erfolgt die Anordnung regelmäßig gegen Sicherheitsleistung, vgl. § 709 ZPO. Ausgenommen hiervon sind die Fälle des § 708 ZPO.
Bevor der Gläubiger vollstrecken will, muss er erst dem Vollstreckungsorgan den Nachweis der Sicherheitsleistung erbringen. Wird das vorläufig vollstreckbare Urteil dann in nächsthöherer Instanz aufgehoben, steht dem Schuldner gem. § 717 II ZPO ein Schadensersatzanspruch gegen den voreilig vollstreckenden Gläubiger zu. Die Sicherheitsleistung dient in einem solchen Fall dazu, den Schaden sodann abzudecken.
2. Weitere Vollstreckungstitel
Weitere Vollstreckungstitel sind in § 794 ZPO aufgezählt. Im 1. Examen ist außerdem häufig der Prozessvergleich, § 794 Nr.1 ZPO relevant. Die übrigen Vollstreckungstitel begegnen angehenden Juristen in der Regel erst während des Referendariats.
Die verschiedenen Vollstreckungstitel nach ihrem Inhalt
Die verschiedenen Vollstreckungstitel lassen sich weiterhin nach ihrem Inhalt, also dem Vollstreckungsgegenstand unterscheiden.
1. Zahlungstitel in das bewegliche Vermögen
Die Vollstreckung wegen einer Geldforderung in das bewegliche Vermögen (z.B. Zahlungsanspruch aus Vertrag) ist in den §§ 803 ff. ZPO geregelt. Zuständig hierfür ist gem. § 808 I ZPO der Gerichtsvollzieher. Eine Besonderheit bildet die Vollstreckung in Forderungen (§§ 828-856 ZPO): Dafür ist gem. § 828 I ZPO das Vollstreckungsgericht zuständig.
2. Zahlungstitel in das unbewegliche Vermögen
Die Vollstreckung einer Geldforderung in das unbewegliche Vermögen ist in den §§ 864ff. ZPO geregelt. Zuständig hierfür sind das Grundbuchamt (Eintragung einer Zwangssicherungshypothek, § 867 I ZPO) sowie das Vollstreckungsgericht (Zwangsversteigerung, § 869 ZPO i.V.m. §§ 15ff. ZVG).
3. Herausgabetitel in bewegliche und unbewegliche Sachen
Auch ein Herausgabeanspruch kann vollstreckt werden, §§ 883 ff. ZPO. Dies gilt sowohl für bewegliche als auch unbewegliche Sachen. Zuständig hierfür ist der Gerichtsvollzieher, §§ 883 I, 885 I ZPO.
4. Titel zur Vornahme von Handlung, Duldung oder Unterlassung
Schließlich unterliegt auch ein Anspruch auf Handlung, Duldung oder Unterlassung der Zwangsvollstreckung, §§ 887 ff. ZPO. Dies kann sich in der Praxis durchaus als schwierig erweisen (vor allem bei nicht vertretbaren Handlungen). Zuständig ist dabei das Vollstreckungsgericht, §§ 887 I, 888 I, 890 I ZPO.