I. Allgemeines
Hauptsächlich ist die Verständigung in § 257c StPO geregelt.
§ 257c Abs. 1 S.1 StPO:
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen
Entsprechend des ersten Absatzes können sich das Gericht und die Verfahrensbeteiligten in einem geeigneten Fall über den weiteren Verfahrensfortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen.
Verfahrensbeteiligte sind diejenigen Personen, die in der Hauptverhandlung eigene Rechte besitzen. Diese Beteiligten haben das Recht sich zur Verständigung zu äußern. Zustande kommt sie aber allein durch die Einigung des Gerichts mit dem Angeklagten und der Staatsanwaltschaft (§ 257c Abs. 3 S. 4 StPO), sodass die anderen Beteiligten die Absprache nicht verhindern können.
Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
Das Zustandekommen einer Verständigung entbindet das Gericht nicht von seiner Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO. Diese Selbstverständlichkeit war dem Gesetzgeber so wichtig, dass er sie in § 257c Abs. 1 S. 2 StPO klarstellend geregelt hat:
§ 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
Natürlich ergibt sich ein Zwiespalt zwischen den beiden Normen, wenn die Verständigung zum Gegenstand hat, dass keine weiteren Beweise erhoben werden sollen. Vor allem müssen grundlegend beachtet werden:
- Keine informelle Absprache
- Einhaltung der Aufklärungspflicht des § 244 StPO, § 257c S. 2 StPO
- Gegenstand der Verständigung
- Geständnis
Mit diesem Widerstreit umzugehen, ist eine tägliche Herausforderung für Praktiker.
II. Zulässigkeit und Gegenstand der Absprache
Die Zulässigkeit muss immer vorab geprüft werden.
Die Zulässigkeit der strafprozessualen Verständigung war lange Zeit umstritten. Mit der Einführung des § 257c StPO liegt nun eine gesetzliche Regelung vor. Der Streit ist mithin gegenstandslos geworden. Die Kenntnis der ablehnenden Argumente ist jedoch unabdingbar:
- Legalitätsprinzip: Gefahr der Preisgabe des indisponiblen Strafanspruchs. Z.b.: Es werden Rechtsfolgen in Aussicht gestellt, die außer Verhältnis zum Tatvorwurf stehen.
- Ermittlungsgrundsatz: Das Gericht akzeptiert das Geständnis des Angeklagten, ohne dieses auf seinen Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.
- Öffentlichkeitsgrundsatz: Die Verständigung wird außerhalb der Hauptverhandlung getroffen und unterliegt somit nicht der Überprüfung durch die Öffentlichkeit.
- Fair-trial: Es besteht die Gefahr, dass das Vertrauen des Angeklagten in den Richter und den Rechtsstaat zerstört wird. Z.b.: Die Strafverfolgungsbehörden halten die Verständigung nicht ein.
- Unschuldsvermutung: Die Verständigung geht von der Schuld des Angeklagten aus.
- Befangenheit des Richters: Es besteht die Gefahr, dass der Richter nicht mehr unvoreingenommen ist. Z.b.: Die Verhandlungen über eine Verständigung scheitern.
- Aushöhlung des Grundsatzes: In dubio pro reo (Im Zweifel für den Angeklagten): Das Gericht kann gerade bei “dünner” Beweislage verführt sein, auf eine Verständigung hinzuwirken, zur Vermeidung eines Freispruchs. Möglicherweise würde der Angeklagte also freigesprochen, wenn er sich schweigend verteidigt hätte, statt zu gestehen.
Gegenstand der Absprache dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalte des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können. Gegenstände einer Verständigung sein, können darüber hinaus auch verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren und das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten, § 257c Abs. 2 S. 1 StPO.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
Verfahrensbezogene Maßnahmen, über die eine Einigung erzielt wird, können die Beschränkung der Beweisaufnahme oder Teileinstellungen nach §§ 154, 154a StPO sein. Ein prozessuales Verhalten, das ein Gegenstand der Absprache ist, wird in den allermeisten Fällen sein, dass ein Geständnis abgegeben wird. Nach dem Gesetz soll dieses Verhalten Bestandteil jeder Absprache sein, § 257c Abs. 2 S. 2 StPO.
Weitere Prozessverhalten, die zum Gegenstand einer Verständigung gemacht werden, können in dem Verzicht auf die Stellung von Beweisanträgen oder in der Zustimmung zur Verlesung von Zeugenaussagen liegen. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen dagegen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
III. Das Verfahren der Absprache
Gemäß § 257c Abs. 3 S.1 StPO gibt das Gericht bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Nach der Vorstellung des Gesetzes leitet das Gericht also eine Verständigung ein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben.
Häufig werden aber eher der Verteidiger oder die Staatsanwaltschaft die Initiative ergreifen und eine Absprache anregen. Im Verlauf der Verständigung kann das Gericht auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben, § 257c Abs. 3 S. 2 StPO. Dabei muss es dem Angeklagten verständlich machen, dass die genannte Obergrenze tatsächlich ausgeurteilt werden könnte [BGH NJW 2011, 1159].
Die Absprache einer ganz bestimmten Strafe ist unzulässig [BGH NStZ 2011, 231]. Diese darf erst nach der Würdigung der aus der Hauptverhandlung gewonnen Erkenntnisse bestimmt werden. Ebenso ist es unzulässig, nur eine Strafuntergrenze anzugeben [BGH NStZ 2013, 671].
Wie oben dargestellt, erhalten die Verfahrensbeteiligten eine Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Absprache kommt sodann zustande, wenn sich der Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und das Gericht einigen.
IV. Wirkung der Absprache
Eine getroffene Absprache entfaltet eine Bindungswirkung, wie sich aus § 257c Abs. 4 S. 1 StPO ergibt.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn […]
Von dieser kann sich das Gericht jedoch befreien, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutende Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deshalb zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist.
Ebenso ist das Gericht nicht gebunden, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichts zugrunde gelegt worden ist, § 257c Abs. 4 S. 2 StPO.
Liegt ein solcher Fall vor und löst sich das Gericht von der Verständigung, so ist der Angeklagte schutzbedürftig, der ein Geständnis abgelegt hat. Diesem Umstand trägt § 257c Abs. 4 S. 3 StPO Rechnung. Die Folge ist, dass das Geständnis nicht mehr verwertet werden darf – wurden jedoch aufgrund des Geständnisses weitere Beweismittel erlangt, bleiben diese verwertbar.
Wenn das Gericht von einer Absprache abweichen will, hat es dies den Verfahrensbeteiligten unverzüglich mitzuteilen, § 257c Abs. 4 S. 4 StPO. Des Weiteren hat es den Angeklagten über Voraussetzungen und Folgen der Abweichung zu belehren, § 257c Abs. 5 StPO.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.
V. Weitere Regelungen zur Absprache
An einigen Stellen in der StPO finden sich weitere Regelungen zur Verständigung, die beachtet werden müssen.
So hat der Vorsitzende zu Beginn der Hauptverhandlung mitzuteilen, ob bereits in deren Vorfeld Erörterungen zu einer Absprache stattgefunden haben. Sollte dies der Fall sein, hat er auch deren Inhalt kundzutun. Ergeben sich zu dieser Mitteilung im Lauf der Verhandlung Veränderungen, sind auch diese mitzuteilen, § 243 Abs. 4 ZPO.
Wenn während der Hauptverhandlung Gespräche über eine Absprache stattfinden, sind deren Verlauf und Inhalt als wesentliche Förmlichkeiten in das Hauptverhandlungsprotokoll aufzunehmen, § 243 Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 273 Abs. 2; § 273 Abs. 1 a StPO. Hat keine Verständigung stattgefunden, muss auch diese Tatsache im Protokoll aufgenommen werden, § 273 Abs. 1 a S. 3 StPO.
Ein Protokoll, das diese Angaben nicht enthält, ist lückenhaft und verliert insoweit seine Beweiskraft [BGH NJW 2011, 321]. Dann ist im Freibeweisverfahren darüber zu beweisen, ob eine Verständigung stattgefunden hat.
Eine weitere Besonderheit ist in § 302 Abs. 1 S. 2 StPO geregelt. Danach ist ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen, wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist. Der Angeklagte ist nach § 35a StPO zu belehren. Insbesondere ist er darüber zu belehren, dass er trotz der Verständigung frei in der Entscheidung ist, ein Rechtsmittel einzulegen.
Insoweit wird von einer qualifizierten Belehrung gesprochen. Idealerweise wird in einer solchen Belehrung auch mitgeteilt, dass die Rechtsmittelfrist zu laufen beginnt, egal wie sich der Angeklagte verhält.
Quellen
- Vollmer/Heidrich, Die Assessorklausur im Strafprozess, 10. Auflage, Rn. 312 ff.
- Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, § 275c.