Die Vollstreckungsabwehrklage, auch Vollstreckungsgegenklage, geregelt in § 767 ZPO, ist eine prozessuale Gestaltungsklage, die dem Vollstreckungsschuldner als Rechtsbehelfsmöglichkeit zur Verfügung steht. Die Klage beseitigt, sofern sie erfolgreich ist, nur die Vollstreckbarkeit des Titels (z.B. erstinstanzliches Endurteil), nicht hingegen den Titel selbst.
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Die Vollstreckungsabwehrklage ist statthaft, wenn dem Unterlegenen im Zivilprozess und Vollstreckungsschuldner gegen den titulierten Anspruch materiell-rechtliche Einwendungen zustehen, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind, § 767 Abs.1 ZPO.
Die geltend gemachten Einwendungen dürfen deshalb erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sein, da andernfalls gegen den Grundsatz der materiellen Rechtskraft (§ 333 ZPO) verstoßen werden würde.
Die anfechtbaren Titel sind in den §§ 767 ZPO, 794 ZPO aufgelistet. In der Vollstreckungsabwehrklage ist der Vollstreckungsschuldner nunmehr der Kläger, der Gläubiger indes der Beklagte.
I. Zulässigkeit der Vollstreckungsabwehrklage
1. Statthaftigkeit
Nach § 767 Abs. 1 ZPO ist die Vollstreckungsabwehrklage statthaft, wenn der Kläger materiell-rechtliche Einwendungen erhebt, die den durch den Titel i.S.v. §§ 767, 794 ZPO festgestellten Anspruch selbst betreffen.
Im ersten Examen wird es in einer Klausur regelmäßig offensichtlich sein, dass der Kläger eine Vollstreckungsabwehrklage erheben will. Dennoch kann auch mal unter Umständen eine Abgrenzung der Vollstreckungsabwehrklage zu den sonstigen Rechtsbehelfen der Zwangsvollstreckung notwendig sein. Dies sollte dann in der gebotenen Kürze erfolgen. Die Abgrenzung der Rechtsbehelfe erfolgt – wie auch im Verwaltungsprozessrecht – über eine Auslegung des klägerischen Antrags.
Tipp: Ein Überblick über die Rechtsbehelfe befindet sich in diesem Artikel.
2. Zuständigkeit des Gerichts
Örtlich und sachlich zuständig ist das Prozessgericht des ersten Rechtszuges, § 767 Abs. 1 ZPO. Dabei handelt es sich um eine ausschließliche Zuständigkeit, vgl. §§ 802, 767 ZPO.
3. Rechtsschutzbedürfnis
Das Rechtsschutzinteresse besteht nur dann, wenn die Zwangsvollstreckung droht, beginnt oder noch andauert. Nach h.M. droht die Zwangsvollstreckung bereits dann, wenn der Vollstreckungstitel vorliegt, da der Vollstreckungsschuldner bereits ab diesem Zeitpunkt die Vollstreckung zu befürchten hat (insbesondere da bei Urteilen als Vollstreckungstitel grundsätzlich die sofortige Vollstreckbarkeit angeordnet wird).
II. Begründetheit der Vollstreckungsabwehrklage
Die Vollstreckungsgegenklage ist begründet, wenn dem Kläger materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch zustehen und diese nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert ist.
1. Vorliegen materiell-rechtlicher Einwendungen
Hier kommen alle rechtshindernde, rechtsvernichtende und rechtshemmende Einwendungen des Zivilrechts in Betracht. Die Vollstreckungsabwehrklage eignet sich daher hervorragend als prozessuale Einkleidung für eine materiell-rechtliche Prüfung.
2. Keine Präklusion, § 767 Abs. 2 ZPO
Nach § 767 Abs. 2 ZPO sind die Einwendungen nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind. Präkludiert sind demnach solche Einwendungen, bei denen die Tatsachen, auf denen sie beruhen, schon zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegeben waren. Es ist auf die objektive Entstehung der Einwendung abzustellen, nicht auf die subjektive Kenntnis des Vollstreckungsschuldners.
Problematisch sind hierbei die Gestaltungsrechte, klassischerweise die Aufrechnung. Es wird darüber gestritten, ob für den Zeitpunkt des Entstehens auf die Aufrechnungslage oder die Aufrechnungserklärung abzustellen ist.
Die überwiegende Literaturmeinung stellt auf die Aufrechnungserklärung ab, also auf das tatsächliche Ausüben des Gestaltungsrechts. Dies wird damit begründet, dass erst mit der Ausübung wirklich eine materiell-rechtliche Einwendung vorliegt.
Dagegen stellt die Rechtsprechung aus Gründen der Rechtssicherheit auf die Entstehung der Aufrechnungslage ab.
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