I. Allgemeines zur Widerklage
Grundsätzlich bestehen in einem laufenden Prozessrechtsverhältnis mehrere prozessuale Möglichkeiten, um sich gegen eine Klage zu wehren. Dabei sollen kurz die gängigsten aufgezählte werden:
- Einreden und Einwendungen
- Aufrechnung
Wenn der Beklagte jedoch ein Gegenanspruch hat steht ihm – anstelle oder neben einer Aufrechnung – die Widerklage zur Verfügung. Die Widerklage führt dazu, dass der Beklagte nun zum Widerkläger wird und der Kläger zum Widerbeklagten. Die Rollen werden mithin getauscht, was auch im Rubrum, wie oben aufgerührt, kenntlich zu machen ist.
Beachte: Die Widerklage ist kein Angriffs- und Verteidigungsmittel (§ 282 Abs. 1 ZPO). Sie ist selbstständiger Angriff.
Es führt dazu, dass sowohl Zeit als auch Geld eingespart wird, da beides in einem Prozess stattfindet (Prozessökonomie) und somit die anfallenden Gebühren geringer sind, § 45 Abs. 1 Satz 1, 3 GKG. Ferner verhindert die Widerlege divergierende Entscheidungen.
Die Drittwiderklage hingegen ist nur gegen einen Dritten gerichtet. Dies kann vorliegen, wenn eine Widerklage und Drittwiderklage gegeben ist oder in Form der isolierten Drittwiderklage.
Um zu verstehen, wie die Drittwiderklage aufgebaut ist und um diese Klageart einordnen zu können, muss man jedoch zunächst die Voraussetzungen der Widerklage ansehen. Diese werden im Folgenden vorgestellt.
II. Voraussetzungen der Widerklage
Mit der Widerklage verlangt der Beklagte die Verurteilung des Klägers. Er verteidigt sich also nicht nur, sondern geht seinerseits zum Angriff über.
Gesetzliche Regelungen über die Widerklage gibt es nur wenige. Gemäß § 33 Abs. 1 ZPO kann bei dem Gericht der Klage Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.
§ 33 Abs. 1 ZPO:
Bei dem Gericht der Klage kann eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.
Prüfungsschema: Widerklage
- Allgemeine Prozesvoraussetzungen
- Rechtshängigkeit der Hauptklage
- Keine reine Negation
- Parteiidentität und gleiche Prozessart
- Rechtlicher Zusammenhang – Konnexität
Die Voraussetzungen der Widerklage sind im Einzelnen:
1. Allgemeine Prozessvoraussetzungen
Es gibt wirklich zahlreiche Prozessvoraussetzungen, die jedoch nur dann angesprochen werden müssen, wenn sie relevant werden, anders als im Verwaltungsprozess. Jedoch sollen hier kurz die genannt werden, die am häufigsten in der Klausur problematisiert werden. Dazu gehören:
- Ordnungsgemäße Klageerhebung, §§ 253 ff. ZPO
- Sachliche Zuständigkeit, § 1 ZPO i.V.m. GVG
- Örtliche Zuständigkeit, §§ 12 ff. ZPO
- Parteifähigkeit und Prozessfähigkeit §§ 50 ff. ZPO
- Prozessführungsbefugnis
- Anderweitige Rechtshängigkeit, § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO
2. Rechtshängigkeit der Klage
Eine Hauptklage muss zur Erhebung der Widerklage Rechtshängig sein. Sie muss hingegen nicht bestehen bleiben.
3. Keine reine Negation der Klage
Die Widerklage darf sich nicht lediglich auf die Negation der Klage beziehen. Sie kann eine Leistungs-, Feststellungs- oder Gestaltungsklage sein.
4. Parteiidentität und gleiche Prozessart
Die Beteiligten der Hauptklage müssen auch diejenigen der Widerklage sein. Ausnahme dazu ist die Drittwiderklage auf die sogleich näher eingegangen wird.
Ebenfalls muss die gleiche Prozessart vorliegen.
5. Rechtlicher Zusammenhang – Konnexität
Bundesgerichtshof
Laut BGH ergibt sich aus § 33 Abs. 1 ZPO, dass zwischen Klage und Widerklage ein rechtlicher Zusammenhang im weiten Sinne bestehen muss, die sogenannte Konnexität. Das Argument dieser Ansicht ist der ansonsten bestehende Mehraufwand für das Gericht und die dafür geringere Gebühreneinnahmen.
Beachte: Die Rechtsprechung lässt – bei ein rügeloses Einlassen – eine Heilungsmöglichkeit zu, § 295 Abs. 1 ZPO.
Literatur
Die Literatur hingegen betrachtet § 33 Abs. 1 ZPO nur als Regelung der örtlichen Zuständigkeit (zusätzlicher besonderer Gerichtsstand), weshalb auch mit der Widerklage ein Anspruch geltend gemacht werden kann, der nicht mit dem Klageanspruch in Zusammenhang steht. Das Argument dafür ist der Standort des § 33 ZPO innerhalb der Gerichtsstandsvorschriften und dessen Wortlaut.
III. Voraussetzungen der Drittwiderklage
1. Streitgenössische Drittwiderklage
Die eben erläuterte Widerklage kann auch gegen am Prozess bisher nicht Beteiligte erhoben werden, wenn sie sich zugleich gegen den Kläger richtet, sog. streitgenössische Drittwiederklage [BGHZ 40, 185].
Ein typischer Fall ist die Drittwiderklage des Beklagten gegen den Kläger und gegen dessen Haftpflichtversicherung.
Prüfungsschema: streitgenössische Drittwiederklage
- Unbedingt gerichtet gegen den Dritten und gegen den Kläger
- Voraussetzungen der nachträglichen subj. Klagehäufung
- Örtliche Zuständigkeit oder rügelose Einlassung
- Konnexität
a) Widerklage gegen den Kläger und den Dritten gerichtet
Die Streitgenössische Drittwiderklage ist dadurch gekennzeichnet, dass sie sich gegen den Kläger und den Dritten gemeinsam richtet. Der typische Fall liegt vor, wenn sich der Beklagte in einem Verkehrsunfall mit eigenen Ansprüchen gegen den Kläger und seine Kfz- Haftpflichtversicherung wehren will.
b) Voraussetzungen der nachträglichen subjektiven Klagehäufung, §§ 263 ff. ZPO analog
Die nachträgliche subjektive Klagehäufung wird nach ganz überwiegender Ansicht (BGH) als Klageänderung angesehen und muss für den Fall einer Drittwiderklage vorliegen, §§ 263 ff. ZPO analog. Möglich ist dies entweder durch Einwilligung des Dritten oder durch die „Sachdienlichkeit“ im Sinne des § 263 ZPO.
In der erwähnten Verkehrsunfallkonstellation wird die „Sachdienlichkeit“ aufgrund der Gesamtschuldnerschaft der Haftpflichtversicherung mit dem Schädiger gemäß § 3 Nr. 2 PflVG angenommen.
Tipp: Mehr zur Klageänderung erfährst du hier.
c) Örtliche Zuständigkeit
Grundsätzlich richtet sich die Zuständigkeit nach den allgemeinen Vorschriften, §§ 12 ff. ZPO.
§ 33 Abs. 1 ZPO gilt nur dann, wenn es sich bei dem Dritten um den Zedenten der Klageforderung handelt. Denn die Prozessökonomie macht es erforderlich, die einheitliche Verhandlung von Klage und Drittwiderklage durch Anwendung von § 33 ZPO zu gewährleisten.
d) Konnexität
Für die Konvexität gilt das bereits oben gesagte.
2. Isolierte Drittwiderklage
Die isolierte Drittwiderklage – welche sich nur gegen den Dritten richtet – ist dem Grunde nach unzulässig. Es gelten jedoch streng zu behandelnde Ausnahmen.
Sie ist dann zuzulassen, wenn die Gegenstände der Klage und Drittwiderklage tatsächlich eng miteinander verknüpft sind und keine schutzwürdigen Interessen des Drittwiderbeklagten durch seine Einbeziehung in den Rechtsstreit der Parteien verletzt werden [BGHZ 187, 112 Rn.7]. Damit sind Fälle der Abtretung [BGH VII ZR 135/00] gemeint, neuerdings auch der cessio Legis und im Rahmen von Leasingfällen [BGH VIII ZR 252/18].
IV. Fazit
Widerklage und Drittwiderklage stehen in engem Zusammenhang und sollten daher unbedingt gemeinsam gelernt werden. Besonders die streitgenössische Drittwiderklage sollte beherrscht werden, da diese Konstellation regelmäßig in Examensklausuren abgefragt wird.
Quellen
- Stein/Jonas/Roth, Kommentar zur Zivilprozessordnung Band 1, 23. Auflage
- Grunsky/Jacoby, Zivilprozessrecht, 14. Auflage