I. Ehegatten-Innengesellschaft
1. Beispiel
E und F sind Eheleute und haben unter beidseitigem finanziellen Aufwand und Arbeitseinsatz eine Immobilie erworben und/oder ausgebaut. Aus steuerlichen Gründen steht die Immobilie im Alleineigentum des E. Nach der Vorstellung von E und F soll die Immobilie jedoch beiden Ehegatten gehören, die das Gebäude wirtschaftlich nutzen wollen. Nach ihrer Vorstellung soll diese gemeinsame Nutzung auch nach einer Beendigung der Ehe fortgesetzt werden. Zudem haben E und F Gütertrennung vereinbart. Kann F im Falle der Scheidung Vermögen aus der Immobilie fordern?
2. Problem
E schuldet im Fall der Gütertrennung keinen Zugewinnausgleich gem. §§ 1378 Abs. 1, 1372, 1384 BGB.
3. Lösung
Der BGH erkennt die Möglichkeit einer Ehegatten-Innengesellschaft an.
Im Fall der Scheidung haben die Gatten unter bestimmten Voraussetzung gem. §§ 730 Abs. 1, 738 BGB die gemeinsam geschaffenen Vermögenswerte auseinanderzusetzen.
Die zwei Voraussetzungen dafür sind:
- Die gemeinsame Zweckverfolgung: Die Zweckverfolgung gem. § 705 BGB ist konkludent möglich. Da sich die Gatten jedoch gem. §§ 1353 Abs. 1 S. 2, 1360 S. 1 BGB ohnehin die rechtliche Verpflichtung zur gegenseitigen finanziellen Unterstützung auferlegt haben, müssen die Leistungen einen über den typischen Rahmen einer ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck darstellen, um von einem Gesellschaftszweck auszugehen.
Indizien: Beträchtliche Kapitalinvestitionen, Renovierungsarbeiten in größerem Umfang, Vermietung und Verwaltung der Immobilie.
Verneinend: gelegentliche Aushilfsarbeiten. - Weitgehend gleichberechtigte Stellung der Ehegatten und beiderseitige Beiträge von größerem Gewicht.
Im Beispiel soll nach der Scheidung das Haus nach Vorstellung der F,wenn sie Arbeits- oder Finanzleistungen größeren Umfangs tätigt, gemeinsam bewohnt werden bzw. ihr neben E gehören und „nicht nur für die Dauer der Lebensgemeinschaft gemeinsam genutzt werden“. Damit gehen die Leistungen über den typischen Rahmen einer Ehe hinaus. Dass die Immobilie im Eigentum des E stand, verleiht ihm im Gesellschaftssinne keine überlegene Stellung gegenüber F, sie waren gleichberechtigt.
§§ 730 Abs. 1, 738 BGB finden daher im Fall der Scheidung zugunsten der F Anwendung. Dabei ist konkret zu ermitteln, welche Wertsteigerung das Objekt durch Fs Beteiligung erfahren hat; der Halbteilungsgrundsatz gem. § 722 Abs. 1 BGB findet subsidiär Anwendung
Hinweis: Der Anspruch steht nach Ansicht des BGH nicht in Konkurrenz zum Zugewinnausgleich. Die Stichtage der Berechnung können sich daher mit Eheschließung oder -scheidung decken, müssen es aber nicht.
Kritik aus der Literatur, die in der Klausur unbedingt angesprochen werden sollte: Es wird aus Billigkeitserwägungen vom Ergebnis eines nicht vorhandenen Zugewinnausgleichs gedacht. Der Lösungsansatz ist fingiert und damit auch meist die Willenserklärungen gem. § 705 Abs. 1 BGB zu einem gegenseitigen Vertrag. Zudem bilden die § 1363 ff. BGB eine abschließende Sonderregelung; ist der Zuggewinnausgleich parteilich ausgeschlossen, ist dies die notwendige gesetzliche Konsequenz.
II. Ehebedingte Zuwendungen
Von einer Innengesellschaft zu unterscheiden sind ehebedingte Zuwendungen.
1. Beispiel
F hat abweichend vom oben genannten Beispiel halbtags im Betrieb des E gearbeitet und außerdem die Kinder während Es Arbeitszeit betreut.
2. Lösung
Auch unterhalb der Schwelle eines gemeinsamen Vermögensprojekts sind Leistungen, die dem Erhalt der Ehedienen sollen (vergleichbar einer Schenkung), rückforderbar.
Achtung: Auf ehebedingte Zuwendung findet nicht das Schenkungsrecht analog § 516 ff. BGB Anwendung! Der BGH verfährt über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1, 3 BGB und über § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB, den Zweckfortfall. Hinsichtlich der Frage des § 313 Abs. 1, 3 BGB ob dem Leistenden das Festhalten am Vertrag zumutbar ist, spielen die Umstände des Einzelfalls eine Rolle, insbesondere die Höhe des geleisteten Betrags (zu den Voraussetzungen sogleich).
III. Nichteheliche Lebensgemeinschaft
Grundsätzlich können oben genannte Ausgleichsansprüche auch bei Zuwendungen in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bestehen.
- §§ 730 Abs. 1, 738 BGB: Während bei einer Ehe eine rechtliche Bindung kraft Gesetzesentsteht, haben die Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine über die Ausgestaltung ihrer Gemeinschaft hinausgehenden rechtlichen Vorstellungen. Daher wird die Annahme einer Innengesellschaft meist am konkludenten Rechtsbindungswillen scheitern.
- §§ 313 Abs. 1, 3 BGB: Nach früher herrschender Meinung war wegen Fehlen dieses Rechtsbindungswillens eine gemeinsame Geschäftsgrundlage verneint worden. Der XII. Zivilsenat, und ihm folgend das Schrifttum, nehmen nun einen Kooperationsvertrag eigener Art an, soweit der gemeinschaftsbezogenen Zuwendung die Vorstellung oder Erwartung zugrunde lag, die Lebensgemeinschaft werde Bestand haben. Dies ist der Fall, wenn der Arbeits- und Finanzeinsatz deutlichüber das Tagtäglichehinausgeht.
- 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB: Es muss eine Zweckvereinbarung stattgefunden haben. Der Partner muss die Leistung als stillschweigende Erwartung des anderen Teils positiv gekannt haben oder die Leistung ohne zu widersprechen angenommen haben. Die Leistung muss auch hier deutlich über das tagtägliche Bedürfnishinausgehen.
IV. Resümee
Sowohl in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft als auch in der Ehe ist zu prüfen, ob sich die Leistung noch im Rahmen des Verhältnismäßigen, des durch die Beziehung bedingt „Normalen“, bewegt. In der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und in der Ehe kann sich herausstellen, dass der gemeinsame Zweck gem. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB verfehlt wurde oder die Geschäftsgrundlage § 313 Abs. 1, 3 BGB entfällt, zusätzlich kommt die Annahme einer Innengesellschaft in Frage.