I. Der Begriff des Ermessens
Häufig ist das Handeln der Verwaltung gebunden. Man nennt dies gebundene Verwaltungsentscheidungen. Diese sind daran zu erkennen, dass in der Ermächtigungsgrundlage ein Wortlaut wie „die Genehmigung ist bei Vorliegen der Voraussetzungen zu erteilen“ verwendet wird. Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen muss die Behörde den entsprechenden Verwaltungsakt erlassen. Auch ein eindeutiges Verbot eines Erlasses ist möglich.
Bei Ermessensentscheidungen ist der Behörde ein Entscheidungsspielraum eingeräumt. Häufig findet sich die Bezeichnung „kann untersagen“. Dies indiziert ein Ermessen für die Behörde, wonach die Behörde entscheiden kann, wie sie weiterverfährt.
Zu unterscheiden ist das Ermessen allerdings von unbestimmten Rechtsbegriffen mit Beurteilungsspielraum !
Das Ermessen muss durch Rechtsnorm eröffnet werden. Typische Begriffe sind „kann“, „darf“, „ist berechtigt“, etc. Im Gegensatz dazu ist eine gebundene Entscheidung anzunehmen, wenn Ausdrücke wie „muss“ oder „ist“ verwendet werden.
Weiterhin gibt es sog. „Soll-Entscheidungen“. Diese beinhalten ein vorgeprägtes sog. intendiertes Ermessen. Bei diesen ist die Behörde im Normalfall zum Tätigwerden verpflichtet. Damit ist regelmäßig die Rechtsfolge herbeizuführen. In atypischen Sonderfällen ist aber eine Abweichung möglich.
Durch das Ermessen soll die Behörde eine für den Einzelfall gerechte Entscheidung treffen. Hierbei hat sie die konkreten Umstände und die gesetzliche Zwecksetzung im Wege einer angemessenen und sachgerechten Abwägung zu berücksichtigen.
II. Arten von Ermessen
Unterschieden wird zwischen Entschließungs- und Auswahlermessen.
1. Entschließungsermessen
Ein Beispiel für das Entschließungsermessen findet sich in §§ 48 f. VwVfG. Es handelt sich beim Entschließungsermessen um einen Spielraum bezüglich der Frage, ob die Behörde überhaupt tätig wird.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, […]
2. Auswahlermessen
Beim Auswahlermessen handelt es sich um die Frage, wie die Behörde tätig wird, also auf welche Art und Weise. Auch ein solches findet sich in §§ 48 f. VwVfG, wenn der Behörde eingeräumt wird, ein Verhalten ganz oder teilweise oder mit verschiedenen zeitlichen Wirkungen zu untersagen.
[…] ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit […]
Eine weitere wichtige Kombination von Entschließungs- und Auswahlermessen findet sich in den landesrechtlichen polizeilichen Generalklauseln.
3. Intendiertes Ermessen
Der Rechtsprechung zufolge existiert noch eine weitere Art des Ermessens: Das sog. intendierte Ermessen (s.o.). Dieses soll gegeben sein, wenn das Gesetz für den Regelfall vorschreibt, wie die Behörde zu handeln hat und nur ausnahmsweise davon abgesehen werden darf. Diese Konstruktion wird zum Teil in der Literatur abgelehnt.
III. Rechtsbindung des Ermessens
Wie die Behörde ihr Ermessen auszuüben hat, ergibt sich aus § 40 VwVfG. Dort heißt es:
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
Daraus ergibt sich, dass die Behörde nicht einfach irgendwie nach ihrem Gutdünken entscheiden kann, sondern den Zweck der Ermächtigung zu berücksichtigen hat. Das bedeutet, dass die Behörde das Für und Wider, sowie die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen hat.
Handelt die Behörde nicht gemäß der rechtlichen Bindung, liegt ein Ermessensfehler vor. Das Behördenhandeln ist rechtswidrig.
Inwieweit die Verwaltungsgerichte das Ermessen der Behörde gerichtlich überprüfen können, ergibt sich aus § 114 S. 1 VwVfG. Dort heißt es:
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
Das Gericht prüft somit nur die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns, also ob Ermessensfehler unterlaufen sind. Das Ermessen selbst ist nicht gerichtlich überprüfbar.
IV. Ermessensfehler
Die Behörde handelt ermessensfehlerhaft, wenn sie ihre Ermessensbetätigung überschreitet. Es gibt folgende Arten von Ermessensfehlern:
1. Ermessensausfall
Der Ermessensausfall oder auch Ermessensnichtgebrauch ist gegeben, wenn die Behörde überhaupt kein Ermessen verwendet hat, obwohl ihr ein Ermessensspielraum eingeräumt war. Dies gilt sowohl für das Entschließungs- als auch das Auswahlermessen.
2. Ermessensüberschreitung
Bei der Ermessensüberschreitung geht die Behörde davon aus, dass sie einen größeren Ermessensspielraum hat, als dies tatsächlich der Fall ist. Dieser Fehler kommt nur beim Auswahlermessen in Betracht und kann zweierlei Gestalt haben.
- Entweder wird der gesetzlich vorgegebene Rahmen überschritten
- oder es wird eine Handlungsalternative gewählt, welche nicht gesetzlich vorgesehen ist.
3. Ermessensfehlgebrauch
Weiterhin ist der Ermessensfehlgebrauch ein Ermessensfehler. Hierbei unterliegt die Behörde einem Fehler bei der Abwägung. In Betracht kommt ein solcher Fehlgebrauch, wenn die Behörde nicht alle entscheidungserheblichen Tatsachen ermittelt, falsch verwertet oder bei der Abwägung die Gewichtung verkennt. Auch unsachliche Erwägungen fallen unter den Ermessensfehlgebrauch. Diese Unterarten werden auch Zweckverfehlung, Abwägungsdefizit und Ermessensmissbrauch genannt.
Zu beachten sind auch die objektiven Schranken des Ermessens. Diese sind die Grundrechte und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Ein Verstoß gegen diese objektiven Schranken führt zur Ermessensfehlerhaftigkeit des Verwaltungshandelns.
Besonders zu beachten ist hierbei der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Wegen der Selbstbindung der Verwaltung kann die Behörde nicht in einem gleich gelagerten Fall anders entscheiden!
V. Ermessensreduzierung auf Null
In seltenen Fällen findet eine Ermessensreduzierung auf Null statt. Zumeist betrifft dies das Entschließungsermessen, selten auch das Auswahlermessen. Regelmäßig geschieht diese Ermessensreduzierung auf Null aufgrund grundrechtlicher Wertungen. Die Entscheidung der Behörde wird faktisch eine gebundene.
VI. Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung
Grundsätzlich hat der Betroffene keinen Anspruch Vornahme einer bestimmten Handlung oder Unterlassung, außer bei Ermessensreduzierung auf Null und seltenen Ausnahmen. In den übrigen Fällen besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.
Quellen
- Detterbeck, Steffen: Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2015.
- Erbguth, Wilfried: Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage 2014.