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I. Allgemeines
Grundsätzlich verläuft der Eigentumserwerb so ab, dass der Veräußerer Eigentümer der Sache und der Erwerber gemäß § 929 S. 1 BGB Eigentum an der Sache durch Einigung und Übergabe erlangt. Ist der Veräußerer hingegen nicht Eigentümer, so kann der Erwerber immer noch in derart Eigentum erwerben, dass der Veräußerer die Verfügungsbefugnis hat oder später erwirbt, § 185 BGB. Liegt ein solcher Fall auch nicht vor, besteht zuletzt die Erwerbsmöglichkeit kraft guten Glaubens gemäß §§ 929 S. 1, 932 I S. 1 BGB.
§ 932 BGB:
(1) […] es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. […]
(2) Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.
Darauf ergeben sich folgende Voraussetzungen für den Erwerb kraft guten Glaubens:
- Einigung und Übergabe gemäß § 929 S. 1 BGB
- Gutgläubigkeit bzgl. Eigentum des Veräußerers
- Kein Abhandenkommen, § 935 BGB
Merke: § 932 BGB schützt mithin nur den guten Glauben an das Eigentum des Veräußerers!
Tipp: Falls der gutgläubige Erwerb gemäß § 932 ff. BGB nicht mehr sitzt, lies hier!
Es gibt jedoch eine dahingehende Ausnahme gemäß § 366 HBG.
§ 366 Abs. 1 HGB lautet:
Veräußert oder verpfändet ein Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörige bewegliche Sache, so finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, auch dann Anwendung, wenn der gute Glaube des Erwerbers die Befugnis des Veräußerers oder Verpfänders, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen, betrifft.
Wenn demnach ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörende Sache veräußert. Dem liegt zugrunde, dass Kaufleute häufig in eigenem Namen über fremde Sachen verfügen. Durch die Norm wird folglich der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis eines Kaufmannes geschützt.
Merke: § 366 Abs. 1 HGB schützt – als Ausnahme zu § 932 BGB – den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußeres!
II. Prüfungsschema
- Veräußerung/Verpfändung durch einen Kaufmann (bei Kommission genügt Kleingewerbetreibender gemäß § 383 Abs. 2 S. 2 HGB; Scheinkaufmann genügt nicht, da kein Schutz des Glaubens an Kaufmannseigenschaft)
- Verfügung über bewegliche Sache
- Im Betrieb eines Handelsgewerbes
- Guter Glaube bezüglich der Verfügungsbefugnis des Kaufmanns
- Kein Abhandenkommen der Sache gemäß § 935 BGB
II. Umstrittene Fragen bezüglich § 366 HGB
1. Anwendung hinsichtlich des guten Glaubens an die Vertretungsmacht
Umstritten ist, ob § 366 HGB analog auf den guten Glauben hinsichtlich der Vertretungsmacht angewendet werden darf.
Eine stark vordringliche Meinung bejaht dies, da nicht am Wortlaut festgehalten werden müsse. Das HGB sei hier terminologisch ungenau. Im Interesse der Sicherheit des Handelsverkehrs wolle § 366 HGB einen verstärkten Schutz des gutgläubigen Erwerbers gewährleisten. Für den Erwerber sei es aber häufig schwierig festzustellen, ob sein Vertragspartner im eigenen oder fremden Namen handelt und ob Verfügungs- oder Vertretungsbefugnis vorliegt.
Eine andere Meinung möchte hingegen am Wortlaut festhalten und lehnt somit eine analoge Anwendung von § 366 HGB ab. Der Vertragspartner sei weniger schutzwürdig, da sich nach der Erteilung der Vollmacht erkundigt werden könne. Außerdem gleiche § 366 HGB nur die fehlende Vertretungsbefugnis hinsichtlich des Verfügungsgeschäfts aus, ändere aber nichts an der Unwirksamkeit des zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäfts.
2. Anwendung des § 366 HGB auf das Kausalgeschäft
Falls man die analoge Anwendung des § 366 HGB bejaht, stellt sich die Frage, ob das schuldrechtliche Kausalgeschäft wirksam ist.
Konsequent erläutert eine Auffassung, § 366 HGB ermögliche einen kondiktionsfreien Erwerb, weil das Gesetz mit dem Erwerb auch das Behaltendürfen regele. Der Erwerber müsse allerdings den vereinbarten Vertragspflichten nachkommen. Entweder geschiehe dies gegenüber dem Vertretenen, wenn er nach Aufforderung das Geschäft genehmige (§§ 177 Abs. 1, 184 BGB). Dadurch werde gleichzeitig der Rechtsgrund für den Eigentumserwerb geschaffen.
Ansonsten kann er nach § 179 BGB Erfüllung vom Vertreter verlangen, dem er dann auch die Gegenleistung schuldet.
Andere lehnen diese erstgenannte Ansicht ab, da die Verfestigung des Eigentumserwerbs über § 366 HGB eine nicht vertretbare Durchbrechung des Abstraktionsprinzips darstelle. Daher könne, wenn es für den Kaufvertrag an der Vertretungsmacht fehle, der Vertretene nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB vom Erwerber die Rückübereignung des Gegenstandes verlangen, da es an einem Rechtsgrund für eine wirksame Einigung fehle.
III. § 366 Abs. 2 und Abs. 3 HGB
§ 366 Abs. 2 HGB verweist auf § 936 BGB. § 366 Abs. 2 HGB ermöglicht über § 936 BGB hinaus auch den lastenfreien Erwerb des Eigentums vom nichtverfügungsberechtigten Nichteigentümer.
§ 366 Abs. 3 HGB erstreckt den Schutz des guten Glaubens auch auf gesetzliche Pfandrechte von Kommissionären, Frachtführern, Spediteuren und Lagerhaltern.