I. Allgemeines zur Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
Die Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) ist ein gesetzliches Schuldverhältnis, welches immer dann Anwendung findet, wenn eine Person unaufgefordert in einem Bereich tätig wird, der im Pflichtenkreis einer anderen Person liegt.
Derjenige, der im Rechtskreis eines anderen tätig wird, ist der Geschäftsführer. Die Person, dessen Geschäfte geführt werden, ist der Geschäftsherr.
Es gibt verschiedene Formen der Geschäftsführung ohne Auftrag(GoA):
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II. Die echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
§ 677 BGB:
Wer ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, hat das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert.
Die Geschäftsbesorgung muss im objektiven Interesse und im wirklichen (oder mutmaßlichen) Willen des Geschäftsherrn sein.
Es muss objektiv ein fremdes Geschäft geführt werden, ohne dass der Geschäftsführer beauftragt oder sonst berechtigt war, dieses zu führen. Der Geschäftsführer handelt mit Fremdgeschäftsführungswillen und im Interesse des Geschäftsherrn.
Prüfungsschema: echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, § 677 BGB
- Geschäftsbesorgung
- Fremdes Geschäft
- Fremdgeschäftsführungswille
- Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
- Interesse des Geschäftsherrn
- Rechtsfolge
Beispiele: Herumreißen des Steuers bei einem Ausweichmanöver, ärztliche Behandlung eines bewusstlosen Opfers, Entgegennahme eines Pakets für den Nachbarn in Verbindung mit Zahlung von Nachporto.
1. Geschäftsbesorgung
Definition: Unter Geschäftsbesorgung versteht man jedes rechtsgeschäftliche oder tatsächliche Tätigwerden.
Der Begriff des Geschäfts ist somit weit auszulegen. Darüber hinaus muss der Geschäftsführer geschäftsfähig sein, § 682 BGB.
2. Fremdes Geschäft
Definition: Ein objektiv fremdes Geschäft gehört ausschließlich dem Rechtskreis des Geschäftsherrn an.
So genannte auch fremde Geschäfte sind Geschäfte, die sich gerade nicht eindeutig in einen fremden Rechtskreis einordnen lassen. Subjektiv fremde Geschäfte sind Geschäft, die der Geschäftsführer objektiv neutral für einen anderen führen will. Daneben wird z. B. die Feuerwehr, die einen Brand löscht aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften tätig.
3. Fremdgeschäftsführungswille
Definition: Der Fremdgeschäftsführungswille liegt vor, wenn der Geschäftsführer durch sein geplantes Handeln die Angelegenheiten eines anderen fördern oder erledigen will.
- Es ist unerheblich, ob sich Geschäftsherr und Geschäftsführer kennen.
- Fremdgeschäftsführungswille kann auch vorliegen, wenn die Geschäftsführung in einer reflexartigen Handlung besteht.
- Fremdgeschäftsführungswille ist als innere Tatsache schwer nachweisbar.
Bei objektiv fremden Geschäften wird dieser widerlegbar vermutet.
4. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
Definition: Unter Auftrag versteht man jeden verpflichtenden Vertrag.
Definition: Sonstige Berechtigung meint jede gesetzlich eingeräumte Befugnis, die Geschäfte eines anderen zu besorgen.
Dieser Prüfungspunkt kann besonders bei Nichtigkeit eines Vertrags relevant werden. Darüber hinaus ergibt sich auch aus öffentlich-rechtlicher Pflicht z.B. Hilfeleistung gem. § 323 c StGB kein Geschäftsführungsrecht.
5. Interesse des Geschäftsherrn
Die Geschäftsübernahme muss dem Interesse des Geschäftsherrn entsprechen. Dies ist der Fall, wenn ihm diese nützlich und von Vorteil ist. Abgestellt wird insoweit auf den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn.
Definition: Der wirkliche Wille meint den tatsächlich vorhandenen Willen des Geschäftsherrn.
Ob der Geschäftsführer den Willen kennt ist nicht von Belang.
Fehlt es am wirklichen Willen, ist auf den mutmaßlichen Willen abzustellen. Dies richtet sich danach, ob der Geschäftsherr die Geschäftsübernahme bei objektiver Berücksichtigung aller Umstände gewollt und ihr zugestimmt hätte.
Gem. §§ 683 S. 2, 679 BGB kann der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn unbeachtlich sein.
6. Rechtsfolge
Der Geschäftsherr hat gegen den Geschäftsführer Anspruch auf Schadenersatz gem. § 280 i. V. m. §§ 281 ff. BGB und auf Herausgabe des durch die Geschäftsführung erlangten gem. § 681 S. 2, 667 BGB.
Der Geschäftsführer hat gegen den Geschäftsherrn Anspruch auf Aufwendungsersatz gem. §§ 683, 670 BGB.
III. Die echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
Die Geschäftsbesorgung ist unberechtigt, wenn die Übernahme durch den Geschäftsführer dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn nicht entspricht
Merkmal ist, dass ein objektiv fremdes Geschäft ohne Beauftragung oder sonstige Berechtigung geführt wurde. Ein Fremdgeschäftsführungswille liegt vor, allerdings handelt der Geschäftsführer nicht im Interesse des Geschäftsherrn.
Prüfungsschema: echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, § 684 BGB
- Geschäftsbesorgung
- Fremdes Geschäft
- Fremdgeschäftsführungswille
- Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
- Entgegenstehendes Interesse des Geschäftsherrn
- Rechtsfolgen
Beispiele: Der Verwalter einer Eigentümergemeinschaft beauftragt einen Handwerker obwohl die Eigentümergemeinschaft beschlossen hatte die Reparatur zu einem späteren Zeitpunkt ausführen zu lassen. Sie retten eine ältere Dame aus einem reißenden Fluss und beschädigen dabei deren Kleidung.
1. Entgegenstehendes Interesse des Geschäftsherren
Die Geschäftsübernahme steht im Widerspruch zum Willen des Geschäftsherrn, sofern die Übernahme überhaupt nicht oder nicht in der vom Geschäftsführer vorgesehenen Weise dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht.
2. Rechtsfolgen
Der Geschäftsherr hat gegen den Geschäftsführer Anspruch auf Schadenersatz gem. § 678 BGB; genehmigt der Geschäftsherr die Geschäftsführung hat er Anspruch auf Herausgabe des durch die Geschäftsführung erlangten, § 681 S. 2, 667 BGB.
Der Geschäftsführer hat Anspruch auf Aufwendungsersatz gem. §§ 684 S. 1, 812 ff. oder bei Genehmigung des Geschäfts gem. §§ 684 S. 2, 683, 670 BGB.
IV. Die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
§ 687 Abs. 1 BGB:
Die Vorschriften der §§ 677 bis 686 finden keine Anwendung, wenn jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, dass es sein eigenes sei.
Gem. § 687 Abs. 1 BGB gelten die §§ 677 ff. BGB nicht, wenn ein objektiv fremdes Geschäft in dem Glauben geführt wurde es sei das eigene.
Der Geschäftsführer handelt in solch einem Fall ohne Fremdgeschäftsführungswillen und in Unkenntnis davon, ein fremdes Geschäft geführt zu haben. Der eigennützig Handelnde irrt somit bei der Geschäftsbesorgung über die Fremdheit des Geschäfts.
Prüfungsschema: unechte Geschäftsführung ohne Auftrag, § 687 Abs. 1 BGB
- Geschäftsbesorgung
- Objektiv fremdes Geschäft
- Kein Fremdgeschäftsführungswille
- Geschäftsführer hält das fremde Geschäft für sein eigenes
- Rechtsfolgen
Beispiel: Der D begeht zulasten des B einen Diebstahl nach § 242 StGB an dessen Pkw. D verkauft den Pkw an F. Der gutgläubige F lässt an dem Pkw Reparaturen vornehmen. Später klärt sich der Diebstahl auf. F gibt den Pkw an B zurück, fordert aber die Erstattung der Reparaturkosten.
2. Kein Fremdgeschäftsführungswille (+)
F glaubte Eigentümer geworden zu sein und wollte eigene Angelegenheiten erledigen, indem er die Reparatur vornehmen lies. Daneben will sich F die Ergebnisse der Geschäftsführung selbst zukommen lassen. Fremdgeschäftsführungswille liegt daher nicht vor.
4. Geschäftsführer hält das fremde Geschäft für sein eigenes
F dachte er würde seinen eigenen Pkw reparieren lassen.
5. Rechtsfolge
F hat keine Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag. F hat Anspruch auf Verwendungsersatz gem. § 994 Abs. 1 BGB (Vorsicht – Ablauf einen Monat nach Herausgabe an den Eigentümer, § 1002 BGB). Daneben besteht ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt 2 BGB. Dieser wird aber von § 994 ff. BGB verdrängt.
IV. Die unechte angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
§ 687 Abs. 2 BGB:
Behandelt jemand ein fremdes Geschäft als sein eigenes, obwohl er weiß, dass er nicht dazu berechtigt ist, so kann der Geschäftsherr die sich aus den §§ 677, 678, 681, 682 ergebenden Ansprüche geltend machen.
Eine Geschäftsanmaßung liegt vor, wenn objektiv ein fremdes Geschäft geführt wurde, zu welchem der Geschäftsführer nicht beauftragt wurde oder sonst berechtigt war.
Des Weiteren setzt die Geschäftsanmaßung voraus, dass der Geschäftsführer ohne Fremdgeschäftsführungswillen, aber in Kenntnis des Führens eines fremden Geschäfts handelt. Gem. § 687 Abs. 2 BGB sind die §§ 677 ff. BGB anzuwenden.
Prüfungsschema: Geschäftsanmaßung, § 687 Abs. 2 BGB
- Geschäftsbesorgung
- Objektiv fremdes Geschäft
- Kein Fremdgeschäftsführungswille
- Geschäftsführer behandelte fremdes Geschäft wissentlich als sein eigenes
- Rechtsfolgen
Beispiel: Wie bei 4. allerdings weiß F, dass das Auto gestohlen ist.
5. Rechtsfolge
Anspruch des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer: Schadenersatz gem. §§ 687 Abs. 2, 678 BGB; Herausgabe des durch die Geschäftsführung erlangten gem. §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 677 BGB.
Der Geschäftsführer (F) wiederum hat gegen den Geschäftsherrn (B) Anspruch auf Aufwendungsersatz gem. §§ 687 Abs. 2, 684 S. 1, 812 ff. BGB. Der Geschäftsführer kann diesen Anspruch nur geltend machen, wenn der Geschäftsherr ihm gegenüber Schadenersatz oder Herausgabe des Erlangten geltend gemacht hat.
Tipp: Mehr zur Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)? Dann empfehlen wir diese Videoreihe.