I. Erbrecht, §§ 1922 ff. BGB
Das Erbrecht ist geregelt im 5. Buch des BGB (§§ 1922 – 2385). Aus verfassungsrechtlicher Sicht formt es die Testierfreiheit aus. Hierunter versteht man gemäß § 1937 BGB die Befugnis des Erblassers, durch einseitige Verfügung von Todes wegen seinen oder seine Erben zu bestimmen.
Erbrecht hat die Funktion, das Privateigentum mit dem Tod des Eigentümers nicht untergehen zu lassen, sondern seinen Fortbestand im Wege der Rechtsnachfolge zu sichern. Es soll damit gesichert werden, daß der erworbene Wohlstand nicht untergeht, sondern entweder zielgerichtet einer bestimmten Person zugewendet wird oder das Vermögen zumindest in der Familie verbleibt. Der grundrechtliche Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG erstreckt sich also auch auf das Erbe.
II. Erbfall, Erbschaft, Erbe und Erblasser, § 1922 BGB
Im Erbrecht ist es wichtig, die zentralen Begriffe, die sich durch das gesamte 5. Buch ziehen, zu kennen.
Zentrale Einstiegsnorm ist der § 1922 BGB:
(1) Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.
(2) Auf den Anteil eines Miterben (Erbteil) finden die sich auf die Erbschaft beziehenden Vorschriften Anwendung.
§ 1922 Abs. 1 BGB bestimmt, dass mit dem Tod einer Person deren Vermögen als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen übergeht (sog. Gesamtrechtsnachfolge / Universalsukzession).
Der Begriff „Erbfall“ wird in § 1922 Abs. 1 BGB legaldefiniert als „Tod einer Person“.
Das Vermögen dieser verstorbenen Person ist die „Erbschaft“. Wichtig ist es hier, den Begriff des Vermögens nicht als „Vermögen in Geld“ zu begreifen! Vielmehr ist mit „Vermögen“ das gesamte Vermögen gemeint, also sämtliche Aktiva und Passiva, die der Erblasser im Todeszeitpunkt hinterlässt. Zum Vermögen gehören damit auch Verbindlichkeiten (vgl. §§ 1967 ff. BGB).
Diejenige Rechtsperson, zugunsten derer die Vermögenszuordnung neu bestimmt wird, auf die also die Erbschaft im Wege der Universalsukzession übergeht, bezeichnet das Gesetz als Erben.
Der Begriff des „Erblassers“ ist im BGB nicht legaldefiniert, sondern wird ohne weitere Erklärung eingeführt und gebraucht. Aus § 1922 Abs. 1 BGB kann aber leicht entnommen werden, dass der den Erbfall begründende Tod einer Person natürlich nur der Tod des Erblassers sein kann. Eine Person wird also zum Erblasser durch ihren Tod. Aber auch bereits zu Lebzeiten verwendet das Gesetz den Begriff „Erblasser“. So bestimmt der bereits erwähnte § 1937 BGB, dass der Erblasser durch einseitige Verfügung von Todes wegen den Erben bestimmen könne.
III. Gesamtrechtsnachfolge, § 1922 Abs. 1 BGB
Ein für das Verständnis unseres Erbrechts grundlegender Gedanke findet sich in § 1922 Abs. 1 BGB und wird oft übersehen oder missverstanden. Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht das Vermögen als Ganzes über. Das deutsche Erbrecht kennt damit nur eine Gesamtrechtsnachfolge des Erben. In Abweichung zur Übertragung von Vermögensrechten und beweglichen Sachen oder Immobilien unter Lebenden, also bei Abwesenheit eines Erbfalls, kennt das deutsche Erbrecht keine Teilrechtsnachfolge.
Zwar wird ein Erbfall in der Regel durch eine Mehrheit von Erben charakterisiert sein, deren jeweilige Erbteile nach gesetzlichen oder testamentarischen Grundsätzen zu bestimmen sind. Für alle Erben gilt aber das grundlegende Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge. Dieses erbrechtliche Grundprinzip wird auch als Universalsukzession bezeichnet. Es bedeutet, dass der Rechtsnachfolger in die Gesamtheit, also in alle Rechte und Pflichten des Vorgängers, hier den Erblassers, eintritt.
Auch eine isolierte erbrechtliche Übertragung von Aktivvermögen unter Außerachtlassung der Verbindlichkeiten ist mit Rücksicht auf § 1922 Abs. 1 BGB nicht möglich. In § 1922 Abs. 1 BGB ist ausdrücklich angeordnet, dass das Vermögen als Ganzes übergeht. Hierbei ist indes zu beachten, dass Rechte und Pflichten aus so genannten höchstpersönlichen Rechtsverhältnissen (etwa des Familien- oder auch des Arbeitsrechts) mit dem Tode des Erblassers erlöschen.
Aus dem eben erläuterten Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge oder auch Universalsukzession folgt mit der Staats- oder auch Fiskalerbschaft ein weiteres erbrechtliches Institut. Der ökonomisch rational handelnde Erbe wird eine Erbschaft, die überwiegend eine Rechtsnachfolge in offene Verbindlichkeiten zur Folge haben würde, in der Regel ausschlagen. Passiert dies, stellt sich die Frage, was mit den Verbindlichkeiten des Erblassers geschehen soll.
Das Problem löst sich mit einem Blick auf § 1936 BGB. Die Norm regelt das so genannten Staats- oder auch Fiskalerbrecht und bestimmt im Ergebnis, dass in Ermangelung eines Erben, also auch im Falle der Ausschlagung, das Bundesland oder hilfsweise (wenn ein letzter Wohnsitz des Erblassers nicht feststellbar ist) der Bund erbt. § 1936 BGB normiert den Fall einer gesetzlichen Erbfolge. Gemäß § 1942 Abs. 2 BGB kann der Fiskus die ihm als gesetzlichem Erben anfallende Erbschaft nicht ausschlagen.
Tipp: Schau dir unser kostenloses Video zur Einführung ins Erbrecht (§§ 1922 ff. BGB) an!
IV. Ausschlagung, §§ 1942 ff. BGB
Gemäß § 1942 Abs. 1 BGB geht die Erbschaft auf den berufenen Erben über. Dieser hat das Recht, die Erbschaft auszuschlagen (§ 1942 Abs. 1 BGB). Niemand kann gezwungen werden, in die Rechtsfolge eines Anderen einzutreten.
Gemäß § 1945 Abs. 1 BGB erfolgt die Ausschlagung durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Die Ausschlagung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung mit dem Inhalt, die Erbschaft nicht annehmen zu wollen.
Da es sich dabei um eine Willenserklärung handelt, kann diese auch angefochten werden. Näheres regelt dazu §§ 1954 ff. BGB, im Übrigen gelten die Regelungen des Allgemeinen Teil des BGB. Wurde eine Ausschlagung wirksam angefochten, so gilt das Erbe gem. § 1957 BGB als von Anfang an angenommen, die Annahme wird quasi fingiert.
Tipp: Mehr zum Thema? Dann schau dir dieses Video zur Ausschlagung der Erbschaft und Anfechtung (§§ 1942 ff. BGB) an!
V. Testament, § 1937 BGB
Einseitige Verfügungen von Todes wegen werden in § 1937 BGB legaldefiniert als „Testament“ und „letztwillige Verfügung“. Das Gesetz erklärt den Testamentsbegriff nicht näher, sondern bestimmt in der Eingangsnorm der Regelungen zur gewillkürten Erbfolge, dass der Erblasser ein Testament nur persönlich errichten könne (vgl. § 2064 BGB).
Letztwillige Verfügung und Testament werden in § 1937 BGB gleichwertig in Form einer Aufzählung aufgeführt. Als letztwillige Verfügungen können freilich auch einzelne Anordnungen innerhalb eines Testamentes bezeichnet werden.
Der Gesetzgeber will zugleich zum Ausdruck bringen, dass nur der letzte Wille des Erblassers beachtlich ist und seine Verfügungen und Anordnungen zu Lebzeiten widerrufbar sind.
Tipp: Mehr zum Thema? Dann schau dir diesen Artikel oder dieses Video zum Testament (§ 1937 i.V.m. §§ 2064 ff., 2229 ff. BGB) an!
1. Vermächtnis, § 1939 BGB
Im Testament können sich besondere Anordnungen finden. Hierzu zählt das Vermächtnis. Dadurch wird dem Vermächtnisnehmer ein Vermögensvorteil zugewendet, ohne dass er als Erbe eingesetzt wird. In § 1939 BGB findet sich die entsprechende Legaldefinition.
Dieses Vermächtnis kann der Vermächtnisnehmer dann gegen denjenigen geltend machen, der im Testament beschwert wurde. Dies ist im Regelfall der Erbe (oder die Erbengemeinschaft), selten aber auch ein anderer Vermächtnisnehmer, § 2147 BGB.
Dass der Laie bei der Testamentserrichtung oft nicht zwischen Vermächtnis und Erbeinsetzung unterscheidet, führt dazu dass eine Auslegung nach § 133 BGB nötig wird. Hierbei wird zunächst ausgelegt, ob der Bedachte an der Nachlassabwicklung teilnehmen, oder ihm bloß ein reiner Anspruch gegen den Erben zustehen soll. Eine Auslegungshilfe stellt § 2087 BGB dar, wonach eine Erbeinsetzung vorliegen soll, wenn dem Bedachten das Vermögen oder ein Bruchteil des Vermögens zugewandt wird.
Zu beachten ist, dass das Vermächtnis sofort zum Zeitpunkt des Erbfalls gefordert werden kann, § 2176 BGB. Dies gilt auch, falls sonst noch Unklarheiten über die Aufteilung des Erbes bestehen, etwa bei einem Rechtsstreit unter den Miterben.
Besondere Erscheinungsformen des Vermächtnisses stellen das Quotenvermächtnis, das Universalvermächtnis und das Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) dar.
Tipp: Mehr zum Vermächtnis (§ 1939 i.V.m. §§ 2147 ff. BGB) erfährst du in diesem Video.
2. Auflage, § 1940 BGB
Auch die Auflage ist eine besondere Form der Testamentsanordnung. Nach § 1940 BGB kann ein Erbe oder Vermächtnisnehmer zu einer Leistung verpflichtet werden, ohne dass ein anderer ein Recht auf die Leistung erhält. Beispielhaft sind hier etwa Grabpflege oder Nichtveräußerung bestimmter Gegenstände zu nennen.
VI. Erbengemeinschaft, §§ 1922, 2032 BGB
Sollen mehrere Personen Erben sein, bilden diese gem. §§ 1922, 2032 Abs. 1 BGB eine Erbengemeinschaft. Dabei ist zu beachten, dass die Miterben in Bezug auf die einzelnen Nachlassgegenstände eine Gesamthandsgemeinschaft bilden. Dadurch kann kein Miterbe einfach über seinen Anteil an den Nachlassgegenständen verfügen, § 2033 Abs. 2 BGB. Dies kann nur gemeinschaftlich durch sämtliche Miterben geschehen, § 2040 Abs. 1 BGB. Nachlassforderungen können nur durch Leistung an alle erfüllt werden, § 2039 BGB.
Über seinen eigenen Anteil am Nachlass kann jeder Miterbe hingegen durch notariell beurkundeten Vertrag verfügen, § 2033 Abs. 1 BGB.
Die Erben haben gemeinschaftlich den Nachlass zu verwalten, § 2038 BGB. In Verbindung mit § 745 BGB ergibt sich, dass hierzu Mehrheitsentscheidungen genügen. Notwendige Erhaltungsmaßnahmen kann jeder Miterbe treffen.
Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, also die Aufteilung des Erbes, kann von jedem Miterben jederzeit beantragt werden, § 2042 Abs. 1 BGB. Der testamentarische Ausschluss dieser Auseinandersetzung durch den Erblasser ist gem. § 2044 BGB jedoch auf 30 Jahre beschränkt.
Über die Teilungsanordnung des § 2048 BGB oder das Vorausvermächtnis nach § 2150 BGB kann der Erblasser jedoch auf die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft Einfluss nehmen.
Praktisch geschieht die Auseinandersetzung entweder durch einen Testamentsvollstrecker nach § 2204 BGB oder durch einen Vertrag der Miterben. Kommt keine Einigung zustande, kann jeder Miterbe auf Zustimmung zu einem Auseinandersetzungsplan klagen. Sollte das Erbe nicht teilbar sein, läuft dies meist auf einen Verkauf und Teilung des Erlöses nach den Erbquoten hinaus, §§ 2042 Abs. 2, 753 BGB.
VII. Erbschein, §§ 2353 ff. BGB
Damit der Erbe das Erbe antreten kann (etwa Eintragung in das Grundbuch, Verfügung über Bankkonten), benötigt er einen Nachweis über sein Erbrecht. Abgesehen von einer postmortalen Generalvollmacht und einem öffentlichen Testament bleibt nur der Erbschein als Legitimation der Stellung des Erben.
Die Legaldefinition findet sich in § 2353 BGB. Bei dem Erbschein handelt sich somit um ein Zeugnis über das Erbrecht und wenn der Erbe nur zu einem Teil der Erbschaft berufen ist, über die Größe des entsprechenden Erbteils.
Der Erbschein wird auf Antrag vom Nachlassgericht erteilt. Der Beantragende hat die in §§ 2354 ff. BGB geforderten Angaben zu machen und deren Richtigkeit nachzuweisen. Gem. § 2358 BGB stellt das Nachlassgericht zur Überprüfung der Angaben zudem eigene Ermittlungen an.
Durch die Erteilung des Erbscheins wird das Erbe jedoch nicht rechtskräftig festgestellt. Ein ordentlicher Rechtsstreit über das Erbrecht wird durch Erteilung des Erbscheins somit nicht ausgeschlossen.
Besonders beachtet werden sollte § 2365 BGB, welcher die „Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins“ konstituiert. Danach wirkt der Rechtsschein als Indikator für die Erbenstellung desjenigen, welcher im Erbschein aufgeführt ist. § 2366 BGB legt weiterhin fest, dass dadurch derjenige, der aufgrund des Erbscheins einen Erbschaftsgegenstand erwirbt, dies rechtmäßig tut (sog. „Öffentlicher Glaube des Erbscheins“). Es handelt sich damit bei § 2366 BGB um eine Gutglaubensvorschrift.
Liegt somit eine Verfügung über einen Erbgegenstand im Zusammenhang mit Gutgläubigkeit vor, so wird der durch den Erbschein Ausgewiesene so behandelt, wie wenn er unbeschränkter Erbe wäre. Für Leistungen an den Erben folgt aus § 2367 BGB ebenso eine erfüllende Wirkung. Dem wahren Erben verbleiben jedoch bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen den Scheinerben.
IIX. Pflichtteil, § 2303 BGB
Die sogenannte Enterbung findet sich in § 1938 BGB. Danach kann der Erblasser Abkömmlinge, Eltern oder Ehegatten aus der Erbfolge ausschließen. Diesen steht dann allerdings ein Pflichtteilsanspruch zu, § 2303 BGB. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Anteils. § 1371 BGB bleibt hiervon jedoch unberührt.
Kein Pflichtteil steht denjenigen zu, die auf das Erbe verzichten (§ 2346 BGB), des Erbes unwürdig sind (§ 2345 BGB) oder die Erbschaft ausgeschlagen haben (wobei §§ 2306 Abs. 1 S. 2, 1371 Abs. 2 BGB Ausnahmen konstituieren).
Tipp: Schau dir unser Video zum Pflichtteil (§§ 2303 ff., 1371 BGB) an!