I. Die mittelbare Täterschaft, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB
Nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB wird als Täter bestraft, wer die Tat durch einen Anderen begeht. Das StGB legt damit fest, dass beispielsweise Täter eines Totschlags auch derjenige sein kann, der die Tötungshandlung nicht selbst ausführt.
Es wird dem Hintermann also eine objektive Handlung eines Anderen zugerechnet. Voraussetzung für eine Bestrafung als (mittelbarer) Täter ist, dass er Tatherrschaft innehat.
Definition: Tatherrschaft ist das vom Vorsatz umfasste In-den-Händen-Halten des tatbestandlichen Geschehens.
Bei der mittelbaren Täterschaft liegt in der Regel Tatherrschaft kraft überlegenen Wissens oder Wollens vor (Wissens- oder Willensherrschaft). Der mittelbare Täter nutzt den „Mangel“ des Tatmittlers bewusst und zu seinen Gunsten aus.
Tipp: Lies dir zunächst den allgemeinen Artikel zur mittelbaren Täterschaft durch!
II. Irrtümer des Hintermanns
Davon ausgehend, erschließt sich auch die Problematik des Irrtums beim Hintermann: wenn der Hintermann einem Irrtum unterliegt, kann dann noch von Tatherrschaft in Form der Willens- oder Wissensherrschaft gesprochen werden? Oder ist vielmehr die Tatherrschaft zu verneinen, sodass nur eine Teilnahmestrafbarkeit infrage kommt? Hierfür gibt es aufgrund der verschiedenen möglichen Konstellationen keine allgemein gültige Antwort, vielmehr ist nach den jeweiligen Einzelfällen zu unterscheiden.
1. Irrtum über die Schuld des Tatmittlers (schuldhaft)
Die erste mögliche Konstellation umfasst Fälle, in denen der Hintermann irrigerweise annimmt, das Werkzeug handele schuldhaft.
Beispiel: A überredet B, dem C aufzulauern und dessen Geldbeutel zu entwenden. Dabei geht A davon aus, B sei voll zurechnungsfähig. Tatsächlich ist B jedoch geisteskrank und weiß gar nicht, was er da macht.
Mittelbare Täterschaft setzt nicht nur eine Zurechnung auf objektiver Ebene aufgrund von Tatherrschaft voraus, sondern auch, dass der Hintermann auf subjektiver Ebene einen anderen als Werkzeug benutzen will. Geht er davon aus, der Vordermann handele voll deliktisch, so fehlt es ihm am Vorsatz hinsichtlich des Benutzens eines Werkzeugs. In der Folge scheidet eine Strafbarkeit wegen mittelbarer Täterschaft aus. Stattdessen ist der Hintermann wegen Anstiftung nach § 26 StGB zu bestrafen.
2. Irrtum über die Schuld des Tatmittlers (schuldlos)
Die nächste Konstellation ist genau anders herum: Der Hintermann geht irrigerweise davon aus, das Werkzeug würde schuldlos handeln.
Beispiel: A trifft abends in der Kneipe den B. B macht einen so verwirrten Eindruck, dass A irrigerweise annimmt, er sei geisteskrank. Tatsächlich hat B an dem Tag einfach nur Fieber. A überredet B, dem C eine Tracht Prügel zu verpassen. B ist ohnehin in aggressiver Stimmung und kommt dem deshalb nach.
In einem solchen Fall geht der Hintermann davon aus, er habe Tatherrschaft über den Vordermann, tatsächlich fehlt es ihm jedoch an der Tatherrschaft. Ohne Tatherrschaft scheidet aber auch eine Bestrafung wegen mittelbarer Täterschaft aus. Es bleibt also wieder (nur) die Anstiftung, § 26 StGB.
3. Irrtum über den Vorsatz des Tatmittlers (vorsätzlich)
Schließlich gibt es noch den Fall, dass der Hintermann irrigerweise glaubt, das Werkzeug handele vorsätzlich.
Beispiel: A überredet den B, den C zu verprügeln. Dabei geht er irrigerweise davon aus, auch B selbst möchte den C verprügeln, da die beiden einen heftigen Streit hatten. Tatsächlich möchte B selbst die Prügelattacke gar nicht machen.
Eine mittelbare Täterschaft scheidet in einem solchen Fall aus, weil es dem Hintermann am Vorsatz auf Benutzen eines Werkzeugs fehlt. Es bleibt also nur die Anstiftung. Diese setzt jedoch eine vorsätzlich begangene, rechtswidrige Haupttat voraus. Handelt der Vordermann vorsatzlos, fehlt es am Anknüpfungspunkt für die Anstiftung. In Frage kommt dann also allenfalls eine Bestrafung wegen versuchter Anstiftung nach § 30 StGB.
4. Irrtum über den Vorsatz des Tatmittlers (vorsatzlos)
Und natürlich ist auch dieser Fall genau anders herum denkbar: Der Hintermann nimmt irrtümlich an, das Werkzeug handele vorsatzlos.
Beispiel: A überredet den B, den Geldbeutel des C zu entwenden. Dabei geht er davon aus, dass C dies eigentlich gar nicht möchte. In Wahrheit möchte jedoch auch C selbst den Geldbeutel des C entwenden.
In einem solchen Fall fehlt es wieder an der Tatherrschaft. Und auch hier gilt: Ohne Tatherrschaft (und damit Täterqualität) auch keine Bestrafung wegen mittelbarer Täterschaft. In Frage kommt jedoch eine Strafbarkeit wegen Anstiftung gem. § 26 StGB, da in dieser Konstellation die vorsätzlich begangene, rechtswidrige Haupttat vorliegt.
III. Irrtümer des Tatmittlers
Für eine Strafbarkeit des Hintermanns wird vorausgesetzt, dass ihm die Tat des „Werkzeuges“ zugerechnet werden kann. Voraussetzung für eine Zurechnung ist wiederrum, dass der mittelbare Täter Tatherrschaft kraft überlegenen Wissens hat. Problematisch ist dies dann, wenn der handelnde Tatmittler bei der Tatbegehung einem Irrtum unterlag.
1. Error in persona des Tatmittlers
Beispiel: A instruiert den schuldlos handelnden B, dem C aufzulauern und ihn zu erschießen. Zur Vorbereitung zeigt er B ein altes Foto von C, das ziemlich unscharf ist. Als B dem C auflauert und eine Gestalt vorbeiläuft, hält B diese für den C und schießt. Die Person ist sofort tot. Tatsächlich handelte es sich bei dem Opfer jedoch nicht um C, sondern um D. B hatte die beiden aufgrund des unscharfen Fotos verwechselt.
In einem solchen Fall unterliegt der Tatmittler einem error in persona. Dieser ist grundsätzlich unbeachtlich, sodass kein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB beim Tatmittler vorliegt.
Umstritten ist jedoch, wie sich der error in persona auf den Hintermann, also den mittelbaren Täter auswirkt.
- Teilweise wird vertreten, diese Konstellation stelle ein Fehlgehen des Werkezugs dar. Es liegt also ein Fall des aberratio ictus vor, nur dass eben ein menschliches Werkzeug fehlgeht, kein mechanisches. Ein Fehlgehen des Werkzeugs sei eine erhebliche Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf, weshalb auch beim mittelbaren Täter ein Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB vorliegt. Es bleibt dann eine Strafbarkeit wegen Versuch hinsichtlich der geplanten sowie ggf. wegen Fahrlässigkeit hinsichtlich der ausgeführten Tat.
- Eine andere Ansicht differenziert: Überlässt der Hintermann dem Werkzeug die Individualisierung des Opfers, so liegt keine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf vor. Denn schließlich ist dann das Risiko immanent, dass das Werkzeug das Opfer verwechselt. Nur wenn der mittelbare Täter dem Werkzeug die Individualisierung abgenommen hat, liegt ein aberratio ictus als Fall des § 16 StGB vor.
Beide Ansichten haben ihre Vorzüge. Welcher Weg im konkreten Fall einschlagen wird, sollte klausurtaktisch entschieden werden.
2. Verbotsirrtum des Tatmittlers
Beispiel: A will B umbringen. Da er sich jedoch nicht selbst die Hände schmutzig machen will, bedient er sich des etwas dümmlichen D. Diesem erzählt er glaubhaft, er werde von B heftig bedroht. Er versichert D, in einem solchen Fall sei es erlaubt, den Drohenden umzubringen. D glaubt dies und erschießt B in der darauf folgenden Nacht.
Hier unterlag der D zwar einem Verbotsirrtum, dieser wäre jedoch vermeidbar gewesen, sodass er schuldhaft und damit voll deliktisch handelte. Dies führt zu dem Problem, dass ein voll strafbarer Vordermann vorliegt. Ob in einem solchen Fall noch von Tatherrschaft in Form der Wissensherrschaft gesprochen werden kann, oder ob nicht vielmehr eine Teilnahmestrafbarkeit des A in Betracht kommt, ist umstritten.
- Nach Ansicht des BGH bedeutet eine volle Strafbarkeit des Vordermanns nicht zwangsläufig das Ende der mittelbaren Täterschaft. Vielmehr ist aufgrund des Einzelfalls zu entscheiden, ob der Hintermann noch Tatherrschaft hatte. Entscheidend ist dabei, ob der Hintermann den Irrtum beim Vordermann hervorgerufen hat, wenn ja, wie stark er auf ihn eingewirkt hat.
- Nach einer anderen Ansicht schließt die volle Verantwortlichkeit des Vordermanns die Tatherrschaft des Hintermanns aus. Demnach ist nach dieser Ansicht der A allenfalls wegen Anstiftung zu bestrafen. Diese Ansicht verkennt jedoch, dass nicht immer nur einer Tatherrschaft haben kann. Wie bei der Mittäterschaft können prinzipiell auch bei der mittelbaren Täterschaft Tatherrschaft und Verantwortung aufgeteilt sein.
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