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I. Kausalität: Definition und Theorien
Sofern das Gesetz neben der Tathandlung den Eintritt eines bestimmten Taterfolgs voraussetzt (Erfolgsdelikt), muss im Rahmen des objektiven Tatbestandes überprüft werden, ob dem Täter der Eintritt des Erfolgs als sein eigenes Werk zugerechnet werden kann (Kausalität).
Heute hat sich nach ganz herrschender Meinung die Äquivalenztheorie (Bedingungstheorie) durchgesetzt, um die Kausalität zu bestimmen (siehe III.).
Kausalität Definition: Nach der ihr zugehörigen conditio-sine-qua-non-Formel ist ein Verhalten dann kausal, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
Neben der Äquivalenztheorie gibt es jedoch noch drei weitere Theorien zur Kausalität, welche vertreten werden:
1. Adäquanztheorie
Neben der Äquivalenztheorie wird die Adäquanztheorie zur Bestimmung der Kausalität vertreten. Hiernach kommt als Ursache nur eine angemessene (adäquate) Bedingung in Betracht.
Als angemessen werden Bedingungen gesehen, die eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts aufweisen. Atypische, nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechende Kausalverläufe werden demnach nach der Adäquanztheorie ausgeschlossen.
Für diesen Ausschluss gibt es aber im Tatbestandsaufbau, wie wir ihn kennen, kein Bedürfnis: Im Rahmen der objektiven Zurechnung werden atypische, nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechende Kausalverläufe ausgeschlossen.
2. Lehre der gesetzmäßigen Bedingung
Nach der ebenfalls vertretenen Lehre der gesetzmäßigen Bedingung ist die Kausalität danach zu bestimmen, ob die Handlung nach den uns bekannten Naturgesetzen eine (gesetzmäßige) Bedingung des eingetretenen Erfolgs ist.
Allerdings bleibt nach dieser Ansicht offen, was genau unter dem Begriff der Bedingung zu verstehen ist, also wie die Beziehung zwischen Handlung und Erfolg beschaffen sein muss.
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II. Äquivalenztheorie
Vorliegend möchten wir uns mit der Äquivalenztheorie intensiver auseinandersetzen, da diese die für die Klausur- und Falllösung relevante Theorie darstellt, nach der die Kausalität zwischen Handlung und Erfolg bestimmt wird.
Die Äquivalenztheorie bestimmt die Gleichwertigkeit aller Bedingungen.
Kausalität Definition: Nach der ihr zugehörigen conditio-sine-qua-non-Formel ist ein Verhalten dann kausal, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
Hypothetische Reserveursachen oder alternative Kausalverläufe sind völlig unbeachtlich. Die Kausalität kann nur dann entfallen, wenn genau derselbe Erfolg auch ohne die Handlung des Täters eingetreten wäre.
Wichtig: Bei Unterlassungsdelikten muss eine abgewandelte Form der Äquivalenztheorie angewendet werden: Kausalität ist zu bejahen, wenn die Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele (BGHSt 37, 106).
III. Problemfälle der Kausalität
1. Überholende Kausalität
Definition: Überholende Kausalität liegt vor, wenn die ursprünglich in Gang gesetzte Kausalkette durch eine völlig neue Kausalkette (die nicht am ersten Kausalverlauf anknüpft) unterbrochen wird und den Erfolg herbeiführt.
So wird regelmäßig die Fallgestaltung auftreten, in der zur Handlung des Täters weitere Handlungen seinerseits, des Opfers oder beliebiger Dritter hinzutreten, die den Kausalverlauf beeinflussen.
Es muss geprüft werden, ob die zusätzliche Handlung eine Folge der vorherigen Handlung des Täters ist oder nichts damit zu tun hat, also eine völlig neue Kette von kausalen Handlungen entstehen lässt. Ist die zusätzliche Handlung eine Folge des vorherigen Verhaltens des Täters , so ist die Kausalität zu bejahen. Wurde jedoch eine völlig neue Kausalkette angestoßen, ist die Kausalität abzulehnen.
Beispiel: A gibt mit Tötungsvorsatz langsam wirkendes Gift in das Glas des B. Das Gift würde tödlich wirken. Bevor das Gift seine tödliche Wirkung zeigt, erschießt C den B.
Es mangelt folglich für die Bestrafung nach dem vollendeten Delikt an Kausalität. Dennoch ist A wegen Versuchs strafbar.
2. Kumulative Kausalität
Definition: Kumulative Kausalität liegt vor, wenn zwei Handlungen zwar unabhängig voneinander gesetzt werden, aber nur gemeinsam zum Erfolg führen.
In einem solchen Fall kann die Äquivalenztheorie mit der conditio-sine-qua-non-Formel normal und ohne Abwandlung angewendet werden.
Beispiel: Die reiche und tyrannische Witwe W hat zwei Haushälterinnen, die sie beide innig hassen, weil sie nur von der alten Hexe rumkommandiert werden. Beide beschließen unabhängig voneinander, die W beim Abendessen durch Beimischen von Gift in der Suppe umzubringen. Keine der Dosen würde jedoch für sich genommen zum Tod der W führen. Erst durch das Zusammenwirken der Dosen wirkt das Gift tödlich.
Keine der beiden Dosen kann hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg, der Tod der W, entfiele. Beide Handlungen sind kausal nach der conditio-sine-qua-non-Formel. Jedoch muss die objektive Zurechnung, aufgrund Eingreifen eines Drittens, jeweils verneint werden.
3. Alternative Kausalität
Definition: Alternative Kausalität liegt vor, wenn zwei Handlungen jeweils für sich unabhängig voneinander gleichzeitig zum Erfolg führen.
Die conditio-sine-qua-non-Formel bedarf in den Fällen der alternativen Kausalität einer Modifizierung. Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, ist jede erfolgsursächlich.
Zu prüfen bleibt jedoch, ob der Erfolg jedem Einzelnen objektiv zugerechnet werden kann.
Beispiel: Wiederum geben die beiden Haushälterinnen der W unabhängig voneinander Gift. Diesmal würde allerdings jede Dose für sich alleine tödlich sein. Die W isst die Suppe und stirbt.
Vorliegend können die Handlungen der Haushälterinnen zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden. Jede der Handlungen war kausal für den Erfolgseintritt.
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Quellen
- Rengier, Rudolf: Strafrecht AT, 13. Aufl., München 2021.
- Frister, Helmut: Strafrecht AT, 9. Aufl., München 2020