Der Sachverhalt
Herr K. ist seit einer Woche bei Frau M. angestellt. Am Wochenende geht er seinem Lieblingshobby nach und fährt mit seinem Rad eine große Tour. Dabei erleidet er einen Unfall, als ein Autofahrer ihn übersieht und die Vorfahrt nimmt. Herr K. wird schwer verletzt. Er muss fünf Wochen im Krankenhaus liegen und dann für weitere drei Wochen in die Reha.
Herr K. muss trotzdem weiter Rechnungen bezahlen und als ihn ein Banksachbearbeiter plötzlich anruft, weil sein Konto nicht gedeckt ist, wird Herr K. ganz mulmig. Er prüft das nach und muss erkennen, dass er kein Gehalt bekommen hat. Erschrocken ruft er Frau M. an, die ihm erklärt, dass Herr K. nicht lang genug für ihre Firma tätig gewesen wäre. Er hätte erst nach vier Wochen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Zudem würde diese auch nur für sechs Wochen gehen und nicht für acht Wochen, die er ja nun schon krank ist.
Herr K. konsultiert seinen Anwalt und will wissen, ob er einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für die 8 Wochen hat und ob es einen Anspruch von Frau M. gegen ihn gibt.
Hinweis: Ein Anspruch aus § 611a BGB besteht nicht, da Herr K. in dem besagten Zeitraum nicht gearbeitet hat.
I. Anspruch aus § 3 Abs. 1 S.1 EFZG
Da Herr K. aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig war und ohne Frage Arbeitnehmer ist, könnte das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) anwendbar sein. Hierfür müsste zusätzlich geprüft werden, ob er diese Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet hat und welcher Zeitraum infrage kommt.
1. Krankheit, Arbeitsunfähigkeit und Arbeitnehmerstatus
Herr K. Ist eindeutig Arbeitnehmer und war durch den Unfall offensichtlich erkrankt und auch nach § 275 Abs. 1 BGB arbeitsunfähig, da er seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag in dem genannten Zeitraum nicht erfüllen konnte.
2. Verschulden
Des Weiteren ist zu klären, inwieweit Herr K. an seiner Arbeitsunfähigkeit schuld ist. Nach § 3 Abs. 1 EFZG besteht keine Pflicht des Arbeitnehmers nicht zu erkranken. Daraus lässt sich herleiten, dass es sich hier vielmehr um eine bloße Obliegenheit handelt, also einer minderen Pflicht, die nicht einklagbar ist. Damit ist auch der Verschuldungsmaßstab nach § 276 BGB nicht anzuwenden.
Eine solche mindere Pflichtverletzung liegt nur dann vor, wenn es sich um einen groben Verstoß gegen ein vom Arbeitgeber im eigenen Interesse zu erwartenden Verhalten handelt. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn Herr K. einer Risikosportart nachgegangen wäre. Da der Radsport auch trotz der Gefahren im Straßenverkehr nicht als Risikosportart gilt, kann man hier nicht von einem Verschulden des Herrn K. sprechen.
3. Zeitraum des Anspruches
Das EFZG ist demnach anwendbar. Jetzt besteht jedoch noch die Frage, für welchen Zeitraum ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestand.
Nach § 3 EFZG beträgt die Dauer der Entgeltfortzahlung maximal 6 Wochen. Diese Begrenzung gilt pro Erkrankung nach § 3 Abs. 1 S.1 EFZG. Zusätzlich gibt § 3 Abs. 3 EFZG vor, dass eine Entgeltfortzahlungspflicht erst nach einem vierwöchigen ununterbrochenen Bestehen des Arbeitsverhältnisses eintritt.
Herr K. wurde innerhalb der Vierwochen-Frist krank für einen Zeitraum von 8 Wochen. Nach geltender Rechtsprechung des BAG beträgt der Anspruch auf Entgeltzahlung maximal sechs Wochen. Eine Anrechnung von Krankheitstagen in der Karenzzeit wird nicht vorgenommen. Dementsprechend hätte Herr K. einen Entgeltfortzahlungsanspruch für fünf Wochen.
4. Höhe des Entgelts
Die Höhe des zu zahlenden Entgelts bemisst sich nach § 4 Abs. 1 EFZG. Hierfür wird das sogenannte gelebte Arbeitsverhältnis zugrunde gelegt, also das, was der Arbeitnehmer unter normalen Umständen als Bruttolohn bezahlt bekommen würde. Genauere Angaben dazu lassen sich jedoch nicht aus dem Sachverhalt herleiten.
5. Durchsetzbarkeit des Anspruchs
Zu guter Letzt muss der Anspruch durchsetzbar sein. Hierfür müsste Herr K. seiner Nachweispflicht nach § 7 EFZG nachgekommen sein. Der Sachverhalt gibt nichts anderes her, daher besteht kein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers.
6. Ergebnis
Herr K. hat einen Anspruch auf Lohnfortzahlung in Höhe des üblichen Bruttolohns für fünf Wochen.
II. Anspruch von Frau M. gegen Herr K.
1. Deliktanspruch
Denkbar wäre ein Anspruch wegen Delikts, jedoch scheidet § 823 Abs. 1 BGB hier aus, da nur der Geschädigte selber, also Herr K. hier Schadensersatzansprüche gegen den Unfallverursacher geltend machen könnte. Ein unmittelbarer Eingriff in den Gewerbebetrieb der Frau M. besteht nicht, sodass auch § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 229 StGB nicht infrage kommen.
2. Cessio legis
Nach § 6 Abs. 1 EFZG können Ansprüche des Arbeitnehmers auf Schadensersatz wegen Verdienstausfalls gegen einen Dritten an den Arbeitgeber übergehen, wenn der Arbeitgeber für die krankheitsbedingte Ausfallzeit Entgeltfortzahlung leisten musste.
a) Schadenersatzanspruch von Herr K. gegen den Unfallverursacher
Herr K. hat einen Schadenersatzanspruch gegen den Unfallverursacher wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB.
b) Der tatsächliche Schadensersatz
Auch wenn Herr K. im Grunde durch den Unfall nicht schlechter gestellt ist, da er durch die Entgeltfortzahlung keinen Lohnausfall hat, ist ein Schaden zu bejahen. Es wäre unbillig, würde der Schädiger vom Schadensersatzanspruch frei gesprochen, nur weil ein Dritter diesen Schaden dem Geschädigten bereits ersetzt. Damit liegt ein sogenannter normativer Schaden vor.
3. Ergebnis
Frau M. hat gegenüber Herr K keine Ansprüche, jedoch kann sie einen Schadenersatzanspruch aus § 6 Abs. 1 EFZG in Höhe des Entgelts für fünf Wochen gegenüber dem Unfallverursacher geltend machen.