Schema zum Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB
1. Schuldverhältnis
2. Pflichtverletzung = Nichtleistung oder Schlechtleistung
3. Erfolglose Fristsetzung
a) Fruchtloses Verstreichen einer angemessenen Frist oder
b) Entbehrlichkeit der Fristsetzung
4. Vertretenmüssen
5. Schaden
Rechtsfolge: Schadensersatz statt der Leistung oder Aufwendungsersatz nach § 284 BGB
§ 281 BGB regelt die Transformation des Schuldverhältnisses vom Erfüllungsanspruch (= Primäranspruch) in einen Schadensersatzanspruch (= Sekundäranspruch). Zentrale Voraussetzung ist, dass der Gläubiger dem Schuldner erfolglos eine Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt hat und eine angemessene Frist verstrichen ist bzw. dass die Leistung endgültig verweigert wird.
1. Schuldverhältnis
Nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB ist ein bestehendes Schuldverhältnis erforderlich. In Betracht kommt grds. jedes vertragliche oder gesetzliche Schuldverhältnis. Ein vorvertragliches Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 BGB ist jedoch nicht ausreichend, da sich hieraus mangels Leistungspflicht kein Schadensersatz statt der Leistung ableiten lässt.
2. Pflichtverletzung
Nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB folgt, dass der Schuldner eine Pflicht aus einem Schuldverhältnis verletzt haben muss. Gem. § 281 Abs. 1 S. 1 BGB kommt hierbei eine Nicht- bzw. Schlechtleistung des Schuldners in Betracht.
a) Nichtleistung
Definition: Nichtleistung ist die vollständige Nichterbringung der Leistung trotz Fälligkeit.
Definition: Eine Leistung ist fällig, wenn der Gläubiger sie vom Schuldner verlangen kann.
Der Zeitpunkt der Fälligkeit kann grds. von den Parteien selbst festgelegt werden. Ist kein Leistungszeitpunkt bestimmt, so kann der Gläubiger die Leistung gem. § 271 Abs. 1 BGB sofort verlangen.
b) Schlechtleistung
Definition: Eine Schlechtleistung liegt vor, wenn der Schuldner die Leistung zwar erbringt, sie jedoch nicht der geschuldeten Qualität entspricht (sog. Minderleistung).
Eine Schlechtleistung kommt bei allen Arten von Verträgen vor. Die jweilige Leistungspflicht bestimmt sich nach dem Vertragsinhalt.
Tipp: Für die Schlechtleistung im Kaufrecht schau dir am besten unseren neuen Artikel zum Sachmangelbegriff gem. § 434 BGB (ab 01.01.2022) an!
3. Erfolglose Fristsetzung
Vor der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB muss der Schuldner eine Gelegenheit zur Nacherfüllung erhalten, wobei es auf die Vornahme der geschuldeten Leistung ankommt. Dies erfolgt in Form einer angemessenen Fristsetzung.
a) angemessene Nachfristsetzung
Definition: Die Nachfristsetzung ist die eindeutige und bestimmte Aufforderung zur Leistungserbringung.
Definition: Die Frist ist auch angemessen, wenn der Schuldner in der Zeit eine bereits begonnene Handlung beenden kann.
Hinsichtlich der Angemessenheit ist eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die Frist nicht lange genug sein muss, um dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, eine noch gar nicht begonne Handlung zu tätigen und fertigzustellen. Bestimmt der Gläubiger keine Frist oder ausdrücklich eine zu kurz bemessene Frist, so wird eine angemessene Frist in Lauf gesetzt. Setzt der Gläubiger jedoch missbräuchlich eine offensichtlich zu knapp bemessene Frist (bspw. wenige Minuten), so ist noch gar keine Frist in Gang gesetzt.
b) Entbehrlichkeit der Fristsetzung
In einigen Fällen kann die Fristsetzung gem. § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich sein:
- aa) Alt. 1: Ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung des Schuldners
- bb) Alt. 2: Vorliegen von Umständen die sofortige Geltendmachung rechtfertigen
Bsp.: Der Schaden wäre auch durch Nachholung der Leistung nicht behebbar - cc) Abmahnung i.S.d. § 281 Abs. 3 BGB (tritt an Stelle der Fristsetzung)
4. Vertretenmüssen, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB
Der Gläubiger kann nur einen Schadensersatz fordern, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Gem. § 276 Abs. 1 BGB hat der Schuldner grds. Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten.
Hinsichtlich des Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ergibt sich an dieser Stelle die Frage nach dem zeitlichen Bezugspunkt des Vertretenmüssens. In Betracht kommen zwei Zeitpunkte:
- Zum einen könnte das Vertretenmüssen bereits bei Eintritt der Fälligkeit erforderlich sein.
- Zum anderen kommt aber auch der Moment des Ablaufs der Nachfrist in Betracht.
- Eine weitere Ansicht erfordert ein Vertretenmüssen von entweder dem Eintritt der Fälligkeit oder dem Ablauf der Nachfrist.
- Eine letzte Ansicht verlangt ein Vertretenmüssen zu beiden Zeitpunkten
Eine herrschende Ansicht hat sich bei diesem Meinungsstreit bisher nicht herausgebildet. Daher sollte eher nach klausurtaktischen Gesichtspunkten und möglichen Hinweisen im Sachverhalt entschieden werden. In vielen Fällen gelangen die Ansichten sowieso zum gleichen Ergebnis, weshalb ein Streitentscheid an dieser Stelle absolut verfehlt wäre.
5. Schaden
Zuletzt müsste ein Schaden gem. §§ 249 ff. BGB entstanden sein.
Definition: Unter einem Schaden wird jede unfreiwillige Vermögenseinbuße verstanden.
Die Ermittlung des ersatzfähigen Schadens richtet sich nach der Differenzhypothese. Danach ist zu fragen, wie der Gläubiger stünde, wenn der Schuldner die Leistung spätestens bei Fristablauf bzw. zu dem Zeitpunkt, der die Fristsetzung entbehrlich gemacht hat, erbracht hätte. Folglich ist der Gläubiger so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung gestanden hätte. Die Ersatzpflicht umfasst also das Erfüllungsinteresse.
Rechtsfolgen
Sind alle Voraussetzungen erfüllt, dann kann der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung oder Aufwendungsersatz gem. § 284 BGB verlangen.
Im Rahmen von § 281 BGB ist zu beachten, dass in einen sog. kleinen und großen Schadensersatz unterschieden wird, denn in § 281 Abs. 1 S. 2 BGB heißt es, dass der Gläubiger bei Bewirken einer Teilleistung Schadensersatz statt der ganzen Leistung (großer Schadensersatz) nur verlangen kann, wenn er an der bewirkten Teilleistung kein Interesse mehr hat.
Definition: Eine Teilleistung liegt vor, wenn eine Leistung ohne Wertminderung für die einzelnen Teile als solche und ohne Beeinträchtigung des Leistungszwecks zerlegt werden kann.
Im Rahmen des kleinen Schadensersatzes kann der Gläubiger wegen der ausgebliebenen Restleistung unter den o.g. Voraussetzungen Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Der Vertrag zerfällt also in zwei selbstständige Teile. Bereits erbrachte Leistungen werden nicht rückabgewickelt. Folglich hat der Gläubiger für die bewirkte Teilleistung einen Teil der Gegenleistung zu erbringen (also Geld zu bezahlen!).
Im Rahmen des großen Schadensersatzes werden die bereits erbrachten Leistungen gem. § 281 Abs. 5 BGB rückabgewickelt.
Tipp: Du möchtest mehr über den Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB erfahren? Dann schau dir am besten hier unser Video dazu an.