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Der Schuldner kommt in Verzug, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers hin nicht leistet (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB). Ist die Leistung nach § 275 BGB unmöglich, fehlt es an einer Primärleistungspflicht. Somit schließen sich Verzug und Unmöglichkeit wechselseitig aus.
Prüfungsschema: § 286 BGB
I. Fälliger und durchsetzbarer Anspruch
II. Mahnung
III. Vertretenmüssen, § 276 BGB
IV. Rechtsfolgen
I. Wirksamer, fälliger und einredefreier Anspruch
1. Fälligkeit
Der Verzug setzt zunächst eine Fälligkeit voraus.
Definition: Eine Leistung ist ab dem Zeitpunkt fällig, zu dem der Gläubiger die Leistung verlangen kann.
Dieser Zeitpunkt wird im Regelfall durch vertragliche Parteivereinbarung festgelegt. Ansonsten wird die Leistung gem. § 271 Abs. 1 BGB sofort mit Entstehung des Anspruchs fällig.
Darüber hinaus gibt es gesetzlich besonders bestimmte Fälligkeiten. Beispeile hierfür sind:
- § 488 Abs. 3 S. 1 BGB: Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers
- §§ 614, 641 BGB: Vergütung bei Werk- und Dienstvertrag
- § 604 BGB: Rückgabeanspruch bei Leihe
2. Durchsetzbarkeit
Ferner müsste der Anspruch durchsetzbar sein. Ihm dürfen keine Einreden oder Einwendungen entgegenstehen.
Definition: Ein Anspruch ist durchsetzbar, wenn er besteht (nicht erloschen ist) und keine Einreden entgegenstehen.
Es ist umstritten, ob allein das objektive Bestehen einer Einrede die Durchsetzbarkeit des Anspruchs ausschließt, oder ob der Schuldner die Einrede auch erheben muss.
- Eine Ansicht verlangt die Geltendmachung der Einrede, um den Eintritt der Verzugsfolgen zu verhindern. Hierfür spreche, dass das Erheben einer Einrede Gestaltungswirkung hat. Ohne Gestaltung der Rechtslage bliebe die Forderung deshalb durchsetzbar, sodass kein Verzug eintreten kann.
- Nach der herrschenden Meinung reicht hingegen das bloße Bestehen einer Einrede aus, um den Eintritt des Verzugs zu hindern. Solange eine Einrede bestehe, sei die Forderung nicht “fällig”, weshalb die Nichtleistung so lange auch keinen Pflichtverstoß darstellen kann.
II. Mahnung
Die Mahnung ist ausdrückliche Voraussetzung für den Schuldnerverzug, § 286 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Gläubiger soll die Möglichkeit bekommen, nicht von Verzugsfolgen überrascht zu werden, sondern ausdrücklich auf diese hingewiesen zu werden. Die Mahnung kann deshalb als Warnung an den Schuldner gesehen werden.
Definition: Eine Mahnung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Aufforderung des Gläubigers an den Schuldner, die Leistung zu erbringen.
Die Mahnung ist als rechtsgeschäftsähnliche Handlung anzusehen, die Regelungen über Rechtsgeschäfte und Willenserklärungen finden analoge Anwendung.
Haben die Beteiligten nichts vereinbart, ist keine besondere Form für die Mahnung erforderlich.
Die Mahnung kann erst nach dem Eintritt der Fälligkeit des Anspruchs erfolgen, ansonsten ist sie unwirksam.
Der Gläubiger muss eindeutig und bestimmt zum Ausdruck bringen, dass er die geschuldete Leistung verlangt.
Nach § 286 Abs. 3 BGB erfüllt eine Zahlungsaufstellung diese Voraussetzung nicht. Darin ist lediglich eine Mitteilung bestehender Forderungen seitens des Gläubigers zu sehen. Eine Fristsetzung gem. § 323 Abs. 1 BGB oder § 281 Abs. 1 BGB, die nach Fälligkeit erfolgt, stellt hingegen eine Mahnung dar.
Nach § 286 Abs. 1 S.2 BGB steht der Mahnung die Erhebung einer Leistungsklage und die Zustellung eines Mahnbescheids im gerichtlichen Mahnverfahren gem. §§ 693 ff. ZPO, gleich.
III. Nichtleistung als Pflichtverletzung
Nach dem Erhalt der Mahnung verbleibt dem Schuldner nur die Zeit zur Leistung, die er tatsächlich benötigt, um diese zu erbringen. Eine erneute Frist muss dem Schuldner nicht gewährt werden.
Der Verzug beginnt folglich nach § 286 Abs. 1 S. 1 BGB, mit dem Zugang der Mahnung. Ist die Leistungszeit nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 kalendermäßig festgelegt oder gar berechenbar, beginnt diese mit dem Ablauf des Tages, an dem die Leistung spätestens aufzubringen ist.
IV. Entbehrlichkeit der Mahnung
Der Schuldnerverzug kann auch ohne Mahnung eintreten. Dies kann in den folgenden Fällen vorkommen:
- § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB: Die Leistungszeit nach dem Kalender.
- § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB: Kalendermäßige Berechenbarkeit der Leistungszeit ab einem Ereignis.
- § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB: Die ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung des Schuldners.
- § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB: Der sofortige Vollzug muss bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben geboten sein.
- Vertraglicher Ausschluss der Mahnung: Die Parteien können die Erfordernis der Mahnung vertraglich ausschließen.
V. Vertretenmüssen
Der Schuldner kommt nach § 286 Abs. 4 BGB nicht in Verzug, solange die Leistung in Folge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
Was dieser zu vertreten hat, bestimmt sich nach §§ 276 ff. BGB.
Die Beweislast trifft ferner den Schuldner.
Irrt der Schuldner schuldlos über tatsächliche Voraussetzungen seiner Verpflichtung, kann kein Verzug eintreten.
Irrt der Schuldner über Rechtsfragen kann dies als Entschuldigungsgrund i.S.d. § 286 Abs. 4 BGB angesehen werden. Allerdings unterliegt der Schuldner einer Pflicht zur Prüfung der Rechtslage und ggf. der Hinzuziehung eines rechtskundigen Beraters. Ein etwaiges Verschulden eines hinzugezogenen Beraters muss sich der Schuldner gem. § 278 BGB zurechnen lassen.
VI. Rechtsfolgen
Entscheidende Konsequenzen des Schuldnerverzuges sind:
- Ersatz des Verzögerungsschadens, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB: Der Schuldner muss den Schaden ersetzen, der dem Gläubiger durch die Verzögerung der Leistung entstanden ist. Er ist dabei so zu stellen, wie wenn der Schuldner zum Verzugseintritt geleistet hätte.
- Verzugszinsen, § 288 BGB: Die Geldschuld ist zu verzinsen. Dieser Zinssatz beträgt gem. § 288 S. 2 BGB fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Der Basiszinssatz verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bei Rechtsgeschäften, an denen kein Verbraucher beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen ferner neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, § 288 Abs. 2 BGB.
- Erweiterte/Verschärfte Haftung, § 287 BGB: S. 1 regelt den Fall, dass dem Schuldner eine Haftungsmilderung zugute kommt. Dabei hat der Schuldner nur die Fahrlässigkeit zu vertreten. § 287 S. 2 BGB gilt für die Verletzung von Leistungspflichten, wobei der Schuldner zudem für den Zufall haftet. Ausgeschlossen ist dieser jedoch, wenn der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten wäre.
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