I. Allgemeines zu § 241 BGB
§ 241 BGB ist eine zentrale Norm im Schuldrecht. Während Abs. 1 des § 241 BGB die Leistungspflichten (sowohl Haupt-, als auch Nebenpflichten) regelt, verpflichtet Abs. 2 des § 241 BGB die Parteien zu gegenseitiger Rücksichtnahme.
II. Leistungspflichten, § 241 Abs. 1 BGB
§ 241 Abs. 1 BGB lautet:
Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
Definition: Leistung i.S.d. § 241 Abs. 1 BGB ist ein bestimmtes Verhalten des Schuldners, das auch in einem Unterlassen bestehen kann. Je nach Schuldverhältnis kann die Leistung auch die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges sein.
Der entscheidende Unterschied zwischen Rücksichtspflichten nach § 241 Abs. 2 BGB und den Leistungspflichten nach § 241 Abs. 1 BGB liegt darin, dass die Leistungspflichten einklagbar sind.
Schema: Leistungspflichten, § 241 Abs. 1 BGB:
- Schuldverhältnis
- Nebenpflichtverletzung
- Keine Exkulpation, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB
- Schaden
- Rechtsfolgen
1. Schuldverhältnis
Ein Schuldverhältnis ist ein Rechtsverhältnis zwischen mindestens zwei Personen, das mindestens den Schuldner dem Gläubiger gegenüber zur Erbringung einer Leistung und/oder zur Rücksichtnahme verpflichtet.
Im weiteren Sinne ist das Schuldverhältnis die Gesamtheit der zwischen diesen Personen bestehenden rechtlichen Beziehungen. Im engeren Sinne ist das Schuldverhältnis das einzelne Recht des Gläubigers, vom Schuldner eine Leistung verlangen zu können.
2. Keine Exkulpation, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB
Eine Besonderheit ist, dass der Schuldner sich exkulpieren können muss (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Er trägt die Beweislast für seine Entschuldigung und nicht, wie sonst im Schuldrecht, der Gläubiger für das Verschulden des Schuldners. Der Schuldner muss jedoch mindestens fahrlässig gehandelt haben (§ 276 Abs. 2 BGB).
3. Rechtsfolgen
Es handelt sich um Schadensersatz neben der Leistung. Der Anspruch auf Erfüllung der Hauptleistungspflicht bleibt somit bestehen. Die Nebenplichten sind nichtsynallagmatisch, der Anspruch auf die Gegenleistung bleibt also auch bestehen. Es erfolgt nur der Ersatz des Integritätsschadens.
III. Rücksichtspflichten, § 241 Abs. 2 BGB
§ 241 Abs. 2 BGB lautet:
Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
Definition: Schutzpflicht ist die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils.
1. Wesentliches zu Absatz 2 des § 241 BGB:
Rücksichtspflichten sind nicht selbstständig einklagbar. Trotzdem kann ein Rücktrittsrecht oder ein Schadensersatzanspruch entstehen.
Umfang und Inhalt variieren je nach Art des Schuldverhältnisses. Das Schuldverhältnis kann sich jedoch auf die Pflichten aus Absatz 2 des § 241 BGB beschränken, wenn es (noch) keine primäre Leistungspflicht gibt, vgl. § 311 Abs. 2 BGB. Hierdurch werden mit Hilfe des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch Nicht-Vertragspartner geschützt.
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2. Fallgruppen der Rücksichtspflichten, § 241 Abs. 2 BGB
Unter der Verletzung von Rücksichtsnahmepflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB können unendlich viele Fälle subsumiert werden, in der Vergangenheit haben sich jedoch einige Fallgruppen herauskristallisiert. Die wichtigsten sollen hier vorgestellt werden.
a) Verletzung von Schutzpflichten
Definition: Eine Schutzpflicht ist die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils.
Anders gesagt: Die Parteien haben sich bei Abwicklung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden. Dies ist vergleichbar mit der sog. Verkehrssicherungspflicht bei § 823 BGB bzw. im Deliktsrecht allgemein.
Beispiel: Ein Maler ist verpflichtet, bei seinen Arbeiten darauf aufzupassen, dass er die in der Wohnung befindlichen Gegenstände des Auftraggebers nicht beschmutzt.
b) Verletzung von Aufklärungs- bzw. Auskunftspflichten
Grundsätzlich muss sich jede Partei bei Vertragsschluss selbst informieren. Etwas anderes gilt, wenn die andere Partei bestimmte Aufklärungs- oder Auskunftspflichten treffen.
Definition: Aufklärungs- bzw. Auskunftspflichten verpflichten eine Partei, den anderen Teil über bestimmte Umstände zu informieren.
Beispiel: Der Verkäufer ist bei falschen Angaben, die sich nicht auf Sachmängel beziehen, gegenüber dem Käufer nicht verpflichtet, diesen über sämtliche Umstände, die bedeutsam sein könnten, zu informieren. Bestehen bei der Käuferseite hingegen etwaige Fragen, so entsteht bei dem Verkäufer eine Pflicht, die erhoffte Beantwortung vollumfänglich und wahrheitsgetreu zu erteilen oder aber zu verweigern. Bei falscher Antwort (auch aus Fahrlässigkeit) hat der Käufer einen Schadensersatzanspruch.
Tätigt der Verkäufer nach Beendigung des Vertrages unwahre Angaben, die sich auf die Beschaffenheit der Sache beziehen, so kann der Käufer Ersatz des Schadens verlangen, der ihm dadurch entstanden ist.
Bei Ansprüchen wegen falscher Angaben, die sich auf Sachmängel beziehen, könnten dem Gläubiger neben den Mängelrechten weitere Rechte zustehen. Die Rechtsprechung (BGH NJW 1997, 3227) lässt nur in Ausnahmefällen eine selbstständige Beratungspflicht zu.
Fahrlässige Angaben des Verkäufers über die Eignung der Kaufsache sind nach Ansicht des BGH (BGH NJW 2004, 2301) nicht schadensersatzpflichtig. Die Haftung wird durch die Gewährleistungsansprüche verdrängt. Folglich beschränkt sich die Aufklärungs- und Beratungspflicht des Verkäufers, allein auf diejenigen Eigenschaften des Kaufgegenstandes, die er kennt oder kennen muss.
Besonders relevante Umstände, die für die Entscheidung der anderen Partei von ausschlaggebender Bedeutung sind, müssen ungefragt offenbart werden.
c) Verletzung von Leistungstreuepflichten
Definition: Unter der Leistungstreuepflicht wird die Pflicht, alles zu Unterlassen, was den Vertragszweck oder Leistungserfolg gefährden oder verhindern könnte, verstanden.
Beispiel: Umfangreiche Werbemaßnahmen nach Verkauf für einen höheren Preis.